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ca. 1350

GIOVANNI BOCCACCIO: DAS DEKAMERON    besteht aus jeweils zehn Novellen, die sich die Mitglieder einer Reisegesellschaft an zehn Tagen zu ihrer Unterhaltung gegenseitig erzählen. Diese Herrschaften (sieben Damen, drei Herren) sind auf der Flucht vor der Pest von Florenz aufs Land gereist. Das Dekameron (»Das Hundert-Werk«) entstand um 1350, nach dem Pestjahr 1348 in Florenz. Mit all seinen Schwänken und Abenteuern ist es auch heute noch sehr vergnüglich zu lesen. Boccaccio (1313–1375) bewunderte Dante und war mit Petrarca befreundet. Auch er und andere Intellektuelle ihres Freundeskreises forschten in Bibliotheken nach Texten aus der Antike.

Es war diese Mentalität, die bewusste Suche nach neuen geistigen Inhalten, neuen geistigen und künstlerischen Ausdrucksformen und nach neuen Lebensformen, die die »Renaissance«, die »Wiedergeburt« der Antike einleitete.

1300

ABLASSHANDEL UND JUBELJAHR – ERSTES »HEILIGES JAHR«    Um der Kirche eine neue Einnahmequelle zu erschließen, verkündete Papst Bonifaz VIII. 1300 erstmals ein »Heiliges Jahr«: Allen Christen wurde ein Sündenablass in Aussicht gestellt, wenn sie nach Rom pilgerten. Der Erfolg war überwältigend. Das Gedränge auf der Engelsbrücke von der Altstadt zum Vatikan war so groß, dass man Linksverkehr einführen musste. Der schwunghafte Ablasshandel verbesserte nachhaltig die Lage der päpstlichen Finanzkassen. Schon im alten Israel hatte es die Tradition gegeben, in jedem fünfzigsten Jahr einen Schuldenerlass durchzuführen, angekündigt durch das Blasen des Schofars, eines Kultinstrumentes aus Widderhorn. »Widderhorn« heißt auf Hebräisch jovel. Die Verbindung von Jubel und Ablass ist also seit biblischen Zeiten sehr eng. Mit dem Ablasshandel betrieb die Kirche in den folgenden 200 Jahren einen derartigen Missbrauch, dass Martin Luther, davon angewidert, über Maßnahmen zu einer tiefgreifenden Reform der Kirche nachsann. Nachdem er sie per Thesenanschlag veröffentlicht hatte, entwickelte sich daraus die Reformation.

1302

UNAM SANCTAM    ist der Titel einer der berühmtesten Papstbullen. 1302 verkündete Bonifaz VIII. die Doktrin von der übergeordneten Stellung des Papsttums über alle weltlichen Gewalten. Anlass war ein jahrelanger Streit um eine Kleriker-Steuer mit dem französischen König Philipp IV., genannt der Schöne, der von 1285 bis 1314 regierte. Philipp IV. verhinderte den Transfer des Geldes nach Rom. Daraufhin exkommunizierte Bonifaz den König.

Aus dem triumphalen Veranstaltungserfolg des Heiligen Jahres folgerte Bonifaz, die ganze Christenheit läge ihm zu Füßen. Er hatte sich verschätzt. Die Bulle diente dazu, die Exkommunikation Philipps und seine Vorladung nach Rom theoretisch zu untermauern. Aus Bibelstellen wird sodann der weltliche Machtanspruch der Kirche mit dem Hinweis begründet, dass alle Menschen Sünder seien, auch die Könige, und folglich der Papst über allen stehe und alle ihm zu Gehorsam verpflichtet sind.

Mit dieser Auffassung hatte noch Papst Gregor VII. den deutschen Kaiser Heinrich IV. in Canossa auf die Knie zwingen können, mittlerweile wurde das als eine Einschränkung der Souveränität des französischen Königs empfunden. Philipp berief, erstmals in der Geschichte Frankreichs, im April 1302 eine Nationalversammlung ein, die »allgemeine Versammlung der Stände« (Etats généraux). Dadurch versicherte sich erstmals ein Monarch der Unterstützung der öffentlichen Meinung. Philipps persönliche Frömmigkeit war über jeden Zweifel erhaben. Im Canossa-Konflikt war noch der Papst der moralisch Stärkere gewesen.

Im Jahr darauf ließ Philipp IV. den Papst seine tatsächliche Macht spüren. Französische Söldner plünderten den Papstpalast. Der Achtzigjährige bekam drei Tage lang nichts zu essen und zu trinken. Guillaume de Nogaret, der französische Gesandte, ohrfeigte den Papst und verlangte dessen Abdankung. Bonifaz weigerte sich. Da die Franzosen den Papst nicht töten wollten, zogen sie nach drei Tagen wieder ab. Bonifaz starb nach diesem Schock im folgenden Monat.

ENGLAND UND FRANKREICH

Der unmittelbare Nachfolger von Bonifaz war nach kurzem Pontifikat verstorben. Nun beugte sich das Konklave dem Willen des damals mächtigsten Herrschers in Europa und wählte 1305 dessen verlängerten Arm in Rom, den französischen Kardinal de Got als Clemens V. zum Papst.

1309

»BABYLONISCHE GEFANGENSCHAFT« DER PÄPSTE    Clemens verlegte 1309 den Sitz des Papstes nach Avignon. Avignon war damals zwar päpstlicher Besitz, aber ringsherum von französischem Territorium umgeben. Die Päpste waren dort praktisch Gefangene des französischen Königs. Damit war der universelle Anspruch des Papsttums den nationalen Interessen eines Monarchen untergeordnet, ein herber Ansehensverlust und ein Signal für das Ende des Mittelalters. Die Päpste blieben fast 80 Jahre, bis 1376, in der provenzalischen Stadt. Clemens begünstigte in schamloser Weise seine Verwandten und französischen Freunde, indem er sie zu Kardinälen ernannte. Avignon wurde in ganz Europa ein Inbegriff des Luxus, des Lasters und der Verschwendung, der Papsthof als »klementinischer Jahrmarkt« verspottet. Das Spätmittelalter schwankt extrem zwischen tiefster Frömmigkeit und Abgründen der Dekadenz.

1307–1314

DER SCHATZ DER TEMPLER    Papst Clemens erwies sich auch als willfähriges Instrument bei der Zerschlagung des Templerordens. Der Finanzbedarf, man kann auch sagen die Geldgier des französischen Königs, war ungeheuer. Er manipulierte nicht nur die Währung durch Münzverschlechterung und belastete die Juden außerordentlich, sondern besteuerte auch den Klerus, was bis dahin im Mittelalter noch nie vorgekommen war. Der Templerorden – von Steuern befreit – hatte ein großes Vermögen angehäuft. Seine Zentrale, der Temple von Paris, war so etwas wie eine Bank, wo bedeutende Vermögenstransaktionen abgewickelt wurden, auch für die französische Krone. In dieser stark befestigten Burg wurde ein Teil des französischen Kronschatzes verwahrt, neben den Geldern der Templer. Zumindest das war der Schatz der Templer. Philipp befand sich in einer gewissen Abhängigkeit vom Templer-Orden, der in Frankreich so etwas wie einen Staat im Staate bildete.

Die Vorwürfe gegen die Templer lauteten auf Teufelsanbetung und »Sodomie« (damals meinte man damit Homosexualität). Obwohl ein Konzil 1311 festgestellt hatte, dass die Vorwürfe der Ketzerei unhaltbar seien, hob Clemens V. den Orden auf. Guillaume de Nogaret sorgte für die erbarmungslose Verfolgung der Tempelritter. Sein bester Komplize muss Papst Clemens gewesen sein. Mit seinen letzten Worten auf dem Scheiterhaufen verfluchte Jacques de Molnay, der letzte Großmeister des Ordens, »Papst Clemens! Ritter Guillaume de Nogaret! König Philipp! … bis ins dreizehnte Glied!«

Was danach geschah: In Frankreich wurde im 13. Jahrhundert das Territorium erweitert und die Zentralmacht des Königtums gestärkt: durch den Sieger von Bouvines, Philipp II., seinen Sohn Ludwig VIII., der den »Kreuzzug« gegen die Katharer beendete, Ludwig IX., den »Friedensfürsten«, der dem Königtum einen beinahe sakralen Nimbus verlieh und den Papst-Bezwinger und Templer-Vernichter Philipp IV. Gleichzeitig vollzog sich in England im Anschluss an die Magna Charta eine andere Entwicklung des Königtums. Hier traten Vorformen des Parlaments neben den König.

1237

PARLAMENT    Erstmals im Jahr 1237 ist in England von einem parliamentum die Rede, damals eine Art Adelsversammlung aus Bischöfen und Grafen um König Heinrich III., Sohn von Johann Ohneland. Mehrmals musste er die Magna Charta bestätigen und dem Adel weitere Rechte einräumen. Einer Vereinbarung von 1258 zufolge sollten die Entscheidungen des Königs fortan von einem kleineren Kronrat gebilligt und dem parliamentum vorgelegt werden, das dreimal im Jahr tagte. Als Heinrich sich weigerte, war die Opposition gegen ihn so stark, dass es 1264 bei Lewes zu einer Schlacht kam, bei der die königliche Familie in Gefangenschaft geriet.