Выбрать главу

ab 1512

OSMANISCHES WELTREICH    Das Osmanische Weltreich schuf Sultan Selim I. von 1512 bis 1520, nachdem er seinen Vater mithilfe der Janitscharen entmachtet und sämtliche Brüder und Neffen in bester osmanischer Familientradition beseitigt hatte. Dieser institutionalisierte Brudermord war bei den Osmanen üblich, um die Einheit des Reiches nicht zu gefährden. Es handelt sich um eine politische Tradition, nichts Persönliches.

Die Janitscharen hatten auf den richtigen Mann gesetzt. Nach ersten für ihn erfolgreichen Auseinandersetzungen mit den persisch-schiitischen Safawiden 1514 eroberten die Osmanen unter Selims Führung 1516/1517 Syrien und Palästina und beendeten die beinahe seit Saladins Zeiten bestehende Mamelukenherrschaft in Ägypten. Mit der anschließenden Eroberung der gesamten arabischen Halbinsel wurde Selim auch zum Schutzherrn über die heiligen Stätten in Mekka und Medina. Er nahm den Kalifen-Titel an und ließ sich das Schwert und den grünen Umhang des Propheten übergeben. Die osmanischen Sultane behielten den Titel bis zum Ende des Osmanischen Reiches 1922 und der Abschaffung des Kalifats 1924. Das Kalifat und die (Schutz-)Herrschaft über Mekka und Medina waren natürlich gleichbedeutend mit der absoluten Vorrangstellung in der islamischen Welt. Gleichzeitig mit dem Osmanischen Weltreich rund um das östliche Mittelmeer entstand das Spanische Weltreich unter Karl V. und Philipp II. auf beiden Seiten des Atlantiks. Türken und Habsburger prallten auch alsbald aufeinander: auf dem Balkan, vor Wien (1529) und im Mittelmeer (Lepanto 1571).

SULTAN II    Der türkische Sultan war, wie der arabische Kalif, weltliches und geistliches Oberhaupt zugleich. In den islamischen Reichen gab es keine ständisch-feudale Ebene erblicher Lehen oder kommunaler Freiheiten, die mit eigenen Rechten ein Gegengewicht zur Oberherrschaft der Dynastie hätten bilden können, und daher auch keine Machtzersplitterungen, die für die mittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte Europas so kennzeichnend sind. Die weltliche Macht der Sultane gründete auf Steuerstatthalterschaften, die nicht erblich waren, auf den Serail-Beamten und auf der militärischen Verfügungsgewalt über die Janitscharen. Religionsausübung, Erziehung und Rechtswesen oblagen dem islamischen Klerus, dessen Oberhaupt eben auch der Sultan war. Das Fehlen einer Adelsschicht ermöglichte eine große soziale Durchlässigkeit in der Verwaltung. Auch Untertanen aus einfachsten Verhältnissen konnten in hohe Ämter aufsteigen.

ab 1520

SÜLEIMAN DER PRÄCHTIGE    Zu seinem Glück war Süleiman I. (1520–1566) der einzige legitime Sohn Selims. Es blieb ihm daher erspart, etwaige Brüder umbringen zu müssen. Er gilt als der bedeutendste osmanische Herrscher und war derjenige mit der längsten Regierungszeit von 46 Jahren. Süleiman – Beiname »der Prächtige« – vergrößerte das Reich noch einmal, unter anderem mit der Einnahme Bagdads 1534.

Er war ein herausragender Bauherr und prägte das Stadtbild von Konstatiniyyie, wie die Stadt unter türkischer Herrschaft hieß. Die nach ihm benannte riesige Süleimanije-Camii (ab 1550) und die Rüstem-Pascha-Camii (1561) sind zwei der bedeutendsten Moscheen der Stadt. Architekt war der Janitschare Sinan (ca. 1490–1588), der »Michelangelo der Osmanen«. Sinan errichtete Hunderte von Bauwerken, davon allein über 100 große Freitagsmoscheen – natürlich nicht nur in Istanbul. In seiner langen und vielfältigen Architektenkarriere prägte Sinan den klassischen osmanischen Baustil, das Vorbild für seine großen Moscheen war die Hagia Sophia.

Süleiman der Prächtige war der Gatte jener auch im Westen bekannten Ruthenierin Roxelane. Ihr Geburtsname war Alexandra Lisowska. Bei einem Raubzug von Krimtataren wurde sie entführt, als Sklavin in den Sultansharem von Istanbul verkauft, von Süleiman freigelassen, geheiratet und zu seiner Lieblingsfrau erklärt. Sie verblieb entgegen der Haremspraxis auch nach der Geburt des Thronfolgers im Palast und beteiligte sich auch an der Politik.

1526 und 1529

TÜRKENBELAGERUNG    Gleich am Anfang seiner langen Regierungszeit besiegte Süleiman nach der Eroberung von Belgrad im gleichen Jahr 1526 die Ungarn in der Schlacht bei Mohács. Zum einen begründete sie die fast zweihundertjährige Vorherrschaft der Türken auf dem Balkan, zum anderen fiel in der Schlacht der erst zwanzigjährige ungarische König Lajos II., der natürlich noch keinen Erben hinterlassen konnte. Aufgrund eines Erbvertrages fiel die ungarische Krone an das Haus Habsburg – auch wenn die Österreicher im Moment nicht viel davon hatten, weil die Türken in der Folge den größten Teil des Landes besetzten.

Drei Jahre später, 1529, rückte Süleiman zur ersten Türkenbelagerung Wiens an und schloss die Stadt ein. Die Türken kamen bis auf Sichtweite an die Stadtmauern heran und sprengten zwei Breschen in die Mauern. In einem dramatischen Abwehrkampf gelang es den Wienern, den Türken schwere Verluste zuzufügen. Süleiman brach die Belagerung, auch wegen anhaltend schlechten Wetters, nach 19 Tagen ab. Die Auseinandersetzung mit den Türken war zweihundert Jahre lang ein Dauerthema für die österreichischen Habsburger und Türkengräuel ein Dauerthema der einschlägigen Propaganda. 1683 standen die Türken erneut vor Wien.

1571

LEPANTO    Der strahlende Sieger von Lepanto war ein attraktiver junger Mann und Sohn des alten Kaisers – und der schönen Blechschmiedstochter Barbara Blomberg aus Regensburg. Karl V. hatte Don Juan d’Austria (1547–1578) als seinen Sohn anerkannt und in Spanien erziehen lassen. Sein Halbbruder König Philipp II. von Spanien führte ihn bei Hofe ein. Don Juan wurde Offizier und führte als fünfundzwanzigjähriger Oberbefehlshaber einer spanisch-italienischen Flotte zusammen mit dem römischen Admiral Colonna und Sebastiano Venier, dem Dogen von Venedig, einen entscheidenden Seesieg gegen die Türken herbei. In der Meerenge bei Korinth wurde die türkische Flotte vor Lepanto innerhalb von drei Stunden vernichtend geschlagen. Die Türken hatten unter dem Süleiman-Nachfolger Selim II. (1524–1574) Zypern erobert und mussten gestellt werden. Der Sieg von Lepanto wurde in Europa sogleich wie eine Erlösung gefeiert. Die türkische Expansion war gestoppt, und sie galten nicht mehr als unbesiegbar.

Lepanto öffnete zwar wieder die orientalischen Handelswege. Aber auch wenn die Gewürzstraße, die Weihrauchstraße und die Seidenstraße durchaus noch florierten, verlagerte sich der Welthandel durch die portugiesische Entdeckung des Seeweges nach Indien aus dem Mittelmeer auf den Atlantik. Das Mittelmeer verlor seine Stellung als Drehscheibe des eurasischen Welthandels. Mit dem wirtschaftlichen ging der politische Bedeutungsverlust der Mittelmeerstaaten Venedig, Genua, des Königreichs Neapel und selbst Spaniens einher. Alsbald wurden neue Handelsnationen in globalem Maßstab aktiv: England und die Niederlande.

1526

MOGUL-REICH    Im Jahr der türkisch-ungarischen Schlacht bei Mohács begann in Indien eine völlig neue – und wie sich herausstellen sollte: glanzvolle – Phase seiner Geschichte. Der erste Großmogul Babur (der »Biber«) drang vom Hindukusch auf den Subkontinent vor, besiegte 1526 den letzten Sultan von Delhi und übernahm die Herrschaft – vorerst in Nordindien, im Ganges-Tal. Mogul ist die persische Version des Wortes »Mongole«, und genau das waren die turkmongolischen Mogul-Herrscher: Nachfahren Timur Lenks.