TERROR Schon 1792 wurden Gemäßigte, Unabhängige oder Gegner der Revolution als »Royalisten« und »Volksfeinde« von jakobinischen Politikern wie Jean-Paul Marat und Georges Danton gebrandmarkt und von aufgepeitschten Volksmassen hingerichtet. Pierre V. Vergniaud sprach unmittelbar vor seiner Hinrichtung Ende Oktober 1793 die berühmten Worte: »Die Revolution, wie Saturn, frisst ihre Kinder.« Marat wurde im Juli 1973 in der Badewanne ermordet, Danton 1974 von dem neuen jakobinischen Anführer Maximilien de Robespierre entmachtet und im April hingerichtet.
Robespierre, seit Juli 1973 Mitglied des »Wohlfahrtsausschusses« des Nationalkonvents, exekutierte die denunziatorische und radikale jakobinische Politik mit gnadenloser Härte. Er war von der Idee besessen, der »tugendhaften« Rousseauschen Volonté générale zum Durchbruch zu verhelfen. Robespierres Schreckensherrschaft war eine reine Willkürherrschaft. Jeder konnte denunziert – und geköpft – werden. Im Juli schlossen sich seine Gegner und Rivalen zusammen, Robespierre wurde verhaftet und am 28. Juli 1794 seinerseits guillotiniert. Damit war der Terror beendet. Insgesamt sind den verschiedenen Hinrichtungswellen der Französischen Revolution etwa 20000 Menschen zum Opfer gefallen.
1799
VIVE L’EMPEREUR! Wegen der Französischen Revolution befand sich Frankreich seit 1792 im Krieg mit ganz Europa. Erfolgreichster General auf französischer Seite war der Korse Napoleon Bonaparte (1769–1821), der sich auf den italienischen Schlachtfeldern gegen Österreich auszeichnete.
Die Revolution hatte binnen kürzester Frist eine neureiche Klasse von Spekulanten, Armeelieferanten, Kanonengießern und Finanziers hervorgebracht, die sich bereits wieder auf luxuriösen Bällen vergnügte und mit einigen versprengten Adligen ins Bett gingen. Die Finanziers erhielten für ihre dringend benötigten Kredite Staatsvermögen, was ihnen enorme Gewinne bescherte.
Bekanntester Repräsentant dieser Parvenü-Schicht war Napoleon. Als das jakobinische, sozialrevolutionäre Element in der französischen Politik wieder stärker hervortrat, machte sich Napoleon in einem Staatsstreich am 18. Brumaire im Jahre VIII des französischen Revolutionskalenders (9. November 1799) zum »Ersten Konsul«. Seitdem regierte er Frankreich faktisch alleine, schuf dessen straffes, zentralistisches Verwaltungssystem und mit dem Code civil das erste Bürgerliche Gesetzbuch. Am 2. Dezember 1804 krönte er sich zum Kaiser.
1805–1815
AUSTERLITZ – TRAFALGAR – LEIPZIG – WATERLOO Nach seiner Kaiserkrönung begann Napoleon mit der zügigen Eroberung Europas, die ihm auf dem gesamten Kontinent für rund zehn Jahre die Vorherrschaft brachte und dessen Landkarte umwälzte. Diese Epoche wird hauptsächlich markiert von den Namen dreier Schlachtorte: Austerlitz (1805), Trafalgar (1805) und Waterloo (1815). Austerlitz wurde als Ort der »Dreikaiserschlacht« berühmt, auch wenn nur Zar Alexander I. (Regierungszeit 1801–1825) und Napoleon selbst anwesend waren. Die Schlacht fand auf dem Territorium des mit dem Zaren verbündeten österreichischen Kaisers Franz II. statt. Preußen war nicht beteiligt, wurde aber im Jahr darauf bei Jena und Auerstedt vernichtend geschlagen. Am 26. Juni 1806 zog Napoleon durch das Brandenburger Tor in Berlin ein und war nun der Herr Europas.
Ganz Europas? Nein, ein Inselvolk im äußersten Westen leistete hartnäckigen Widerstand. Napoleon plante auch eine Invasion Englands. Nach einer Verfolgungsfahrt quer über den Atlantik in die Karibik und wieder zurück stellte eine englische Flotte unter dem Kommando von Admiral Nelson die Franzosen vor Trafalgar beim südspanischen Cádiz. Nelson starb in dieser Schlacht, aber die Engländer versenkten die französische Flotte, ohne selbst ein einziges Schiff zu verlieren. Seit Trafalgar hatte Großbritannien keinen Gegner mehr auf See. Damit begann der Aufstieg des Vereinigten Königreichs zur Weltmacht des 19. Jahrhunderts.
Über England verhängte Napoleon anschließend eine Handelsblockade, die Kontinentalsperre. Beim Marsch seiner Grande Armée (fast 700000 Mann) auf Moskau im Sommer 1812 erlitt er dann eine seiner verlustreichsten Schlachten. Als Napoleon endlich in Moskau einzog, steckten die Moskauer ihre Stadt selbst in Brand. Der Zar bot keine Verhandlungen an, der Kaiser musste den Rückzug antreten. Nur noch 18000 Franzosen überschritten im Dezember 1812 die preußische Grenze an der Memel.
Preußen schmiedete nun eine Koalition, um eine erneute Invasion Napoleons in Deutschland abzuwehren. In der dreitägigen Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 wurde er gestoppt. Die Uniformfarben des Lützowschen Freikorps Schwarz, Rot und Gold wurden später die Symbolfarben der nationalen, republikanischen und demokratischen Bewegung in Deutschland und die Nationalfarben der drei deutschen Republiken.
Nach Leipzig verlor Napoleon den Rückhalt seiner Armee, dankte 1814 ab und wurde nach Elba verbannt. Von dort kehrte er noch einmal für 100 Tage nach Frankreich zurück, und es gelang ihm noch einmal, eine Armee zusammenzustellen. Die bereits in Wien zum Kongress versammelten europäischen Großmächte beschlossen sogleich den militärischen Widerstand. Bei Waterloo griff Napoleon eine englische Armee unter Feldmarschall Wellington an, der die Stellung halten konnte, bis die Preußen unter Blücher auf dem Kampfplatz erschienen. (Wellington: »Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.«) Danach war Napoleon endgültig besiegt und wurde nach St. Helena im Südatlantik verbannt, wo er 1821 starb.
Nach der Niederlage von Jena und Auerstedt war Preußen im Frieden von Tilsit 1807 nur knapp der Liquidation durch Napoleon entgangen. Als Reaktion darauf kam es zu längst überfälligen, umfassenden Reformen.
ab 1807
STEIN-HARDENBERGISCHE REFORMEN Karl Freiherr vom Stein (1757–1831) konnte diese Reformen nur ein gutes Jahr lang leiten, dann verlangte Napoleon seinen Rücktritt. Karl August Fürst von Hardenberg (1750–1822) setzte sie aber in Steins Sinne fort. Spätestens nach dem Tod Friedrichs II. (1790) war Preußen gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch in spätabsolutistische Starre verfallen. Hier hielt sich das Ancien Régime anscheinend unbeeindruckt von den Ereignissen in Frankreich, während die Franzosen sich selbst trotz aller Turbulenzen inzwischen als souveränes Volk und mündige Staatsbürger begriffen.
Der alte preußische Ständestaat wurde nun abgeschafft. Die wichtigsten Ergebnisse der Reformen waren: die Aufhebung der Leibeigenschaft der Gutsbauern (1807), Gewerbefreiheit ohne Zunftzwang (1810), kommunale Selbstverwaltung (1808), die Gründung der heutigen Humboldt-Universität. An der damals »Berliner Universität« genannten Hochschule verwirklichte ihr Gründer Wilhelm von Humboldt sein Ideal einer universitas litterarum, nach der alle Wissenschaften sowie Forschung und Lehre unter einem Dach vereint sein sollten. Seit dem Mittelalter hatten die Professoren nur reines Bücherwissen an ihre Studenten weitergegeben. Das Kleben an überkommenen Lehrmeinungen blockierte den wissenschaftlichen Fortschritt. Die Humboldtsche Reformuniversität legte den Grundstein für Deutschlands führende Stellung in den Wissenschaften, bis in das 20. Jahrhundert hinein.
Eine Heeresreform durch den späteren General Gerhard von Scharnhorst (1755–1813) führte zur Bildung eines Volksheeres statt eines Söldnerheeres mit einer relativ kurzen, aber intensiven Ausbildungszeit für die Rekruten. Offiziere mussten sich nun für ihre Laufbahn fachlich qualifizieren, was in dem Adelsheer bisherigen Zuschnitts keineswegs selbstverständlich gewesen war.
Auch in anderen deutschen Staaten wurden Reformen durchgeführt. In Bayern schuf Graf Montgelas (1759–1838) ein modernes Beamtenrecht, stellte Protestanten und Katholiken gleich und verbesserte die Stellung der Juden. Bayern erhielt 1808 eine erste Verfassung und 1813 ein ultramodernes, von Anselm Feuerbach entworfenes Strafgesetzbuch einschließlich Abschaffung der Folter. Das Großherzogtum Baden hatte seit 1818 eine sehr liberale Verfassung, ebenso das Königreich Württemberg.