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1735/1760

EISEN UND STAHL    Die Verwendung von Steinkohle statt Holzkohle zur Eisenverhüttung und die Umwandlung von Steinkohle zu Koks gelang dem englischen Eisenwarenfabrikanten Abraham Darby (1711–1763)aus Coalbrookedale. Um 1760 entwickelte er auch den Kokshochofen für die Eisenschmelze. Diese Erfindungen machten den Kohleabbau überhaupt erst sinnvoll und lohnend. Coalbrookedale gilt als die Wiege der Industriellen Revolution schlechthin. In der Nähe entstand 1779 die erste Eisenbrücke der Welt, die Ironbridge über den Fluss Severn; sie ist heute ein Weltkulturerbe. Die Umsetzung von Watts wesentlicher Verbesserung der Nutzung der Dampfkraft in eine industriell einsetzbare Dampfmaschine gelang 1776 in der Eisenfabrik von John Wilkinson.

1884/1893

EISENBAHN UND ZEITZONEN    Der Eisenbahnbau war von Anfang an ein Stück Weltgeschichte, weil er schon in der Biedermeierzeit in allen entwickelten Industrieländern betrieben wurde, den nordamerikanischen Kontinent erschloss und durch die Einrichtung der Zeitzonen eine neue globale Zeitwahrnehmung hervorbrachte. Wegen der Beteiligung vor allem europäischer Investoren am Eisenbahnbau in Amerika, Indien, im Osmanischen Reich, China oder Brasilien war die Finanzierung ebenfalls ein grenzüberschreitendes Phänomen.

Im Bergbau wurden Transportwägelchen in den Stollen seit 1767 auf Eisenschienen geschoben oder von Pferden gezogen. Hier wurden auch die allerersten Lokomotiven eingesetzt, was George Stephenson (1781–1848), der Erfinder der Dampflok (1814), der als Kind in einer Kohlengrube arbeiten musste, vollkommen vor Augen hatte. Die erste Eisenbahnstrecke entstand in England 1825 (Stockton-Darlington; nur für Güter), in Deutschland 1835 (Nürnberg-Fürth), inzwischen auch schon zur Personenbeförderung.

Noch lange nach dem Aufkommen der Eisenbahnen gab es überall in der Welt nur Lokalzeiten. Die Notwendigkeit, »gleiche« Abfahrts- und Ankunftszeiten für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr anzugeben, führte zur Einführung der Zeitzonen. Auf der »Internationalen Meridiankonferenz« 1884 wurde eine von dem kanadischen Eisenbahningenieur Sandford Fleming vorgeschlagene Einteilung in 24 Zeitzonen rund um den Globus zu je 15 Längengraden angenommen, was jeweils etwa einer Stunde Differenz entsprach. In Deutschland wurden die Lokalzeiten 1893 abgeschafft und die Mitteleuropäische Zeit (Greenwich plus eine Stunde) für das gesamte Reichsgebiet eingeführt.

GEWERKSCHAFTEN UND SOZIALISMUS

England war das am frühesten und tiefgreifendsten industrialisierte Land, und hier bildeten sich auch die ersten Gewerkschaften. Der englische Begriff Trade Union erinnert daran, dass sich schon vor 1800 Handwerkervereinigungen bildeten. England hatte (wie das revolutionäre Frankreich) gemeinsame Interessenvertretungen lohnabhängiger Arbeiter kurz vor 1800 verboten. Mit der Aufhebung dieses Verbots 1825 begann die Gewerkschaftsbewegung. In England schlossen sich 1868 über 100 Gewerkschaften zu einem Gewerkschaftsbund (Trade Union Congress) zusammen.

ARBEITERBEWEGUNG    Der Waliser Robert Owen hatte sich aus armen Verhältnissen zum Unternehmer emporgearbeitet (1799). In seiner Spinnerei in Schottland reduzierte er die Arbeitszeit, schaffte Kinderarbeit ab, sorgte für saubere Arbeitsplätze und angemessene Wohnungen für die Arbeiter sowie für Sozialversicherungen. Damit hob er auch die Produktivität, was bis dahin von den Verfechtern einer 14-Stunden-Woche bestritten worden war. Owens Musterbetrieb wurde europaweit berühmt.

Die Revolution 1848 mit ihren Barrikadenkämpfen zog auch einen Aufschwung der Arbeiterbewegung nach sich. 1863 gründete Ferdinand Lasalle (1825–1864) in Leipzig den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein. Lasalles Ideal war es, die Löhne nicht zu erhöhen und die Arbeiter dafür am Unternehmensgewinn zu beteiligen. Die Sozialdemokraten glaubten an die Reformierbarkeit des Staates. 1869 folgte durch August Bebel und Karl Liebknecht in Eisenach die Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Lasalles Arbeiterverein und Bebels Partei wurden 1875 vereinigt (Sozialistische Arbeiterpartei) und als »Sozialisten« von Bismarck vehement bekämpft. Der Verlust der Kontrolle über die in sozialistischen oder kommunistischen Parteien organisierten Arbeitermassen war von jeher das Schreckgespenst aller monarchischen oder bürgerlich-republikanischen Regierungen. Bismarcks Sozialistengesetze verboten nicht die Partei selbst, aber jegliche politische Betätigung außerhalb des Reichstages. Die SPD ging 1892 unmittelbar aus der Sozialistischen Arbeiterpartei SADP hervor.

1848

»PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH!«    Wodurch sich der Trierer Journalist Karl Marx (1818–1883) von den meisten sozialistischen Philosophen seiner Zeit unterschied, war sein internationaler Bezug. Er wandte sich an die Proletarier aller Länder. Mit dem sozialdemokratischen Reformismus Lasalles und Bebels konnte er wenig anfangen. Reformen lassen sich ja immer nur im Rahmen eines bestehenden – nationalen – Systems umsetzen und stellen den bestehenden Staat nicht infrage. Marx hingegen dachte und agierte global. Die Erste Internationale stand wesentlich unter seinem Einfluss, und der weitere Verlauf der Geschichte hat seinen Marxismus zum Weltbegriff gemacht, sogar zu einer Art von politischer Realität. Für diesen universalen Rahmen hat Marx in seinen Werken die geistige Grundlage gelegt, denn er hat die Gesetze vom Ablauf der Weltgeschichte als einer Abfolge von Klassenkämpfen, in denen sich die Besitzlosen gegen die Besitzenden auflehnen, glasklar erkannt.

Marx wusste auch, wie eine wahre kommunistisch-sozialistische Weltordnung aussehen sollte: Enteignung des Grundeigentums, Abschaffung des Erbrechts, Verstaatlichung der Produktionsmittel und des Transportwesens, »industrielle Armeen, besonders für den Ackerbau«, unentgeltliche Schulerziehung. Am Schluss des von ihm und seinem Freund und Sponsor Friedrich Engels verfassten Kommunistischen Manifests folgt der Aufruf zum gewaltsamen Umsturz, denn »die Proletarier haben nichts zu verlieren außer ihren Ketten«.

1871

»VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE    auf zum letzen Gefecht/die Internationale erkämpft das Menschenrecht.« Das Kampflied der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung entstand 1871. Die Erste Internationale wurde aber kurz danach aufgelöst. Englische Gewerkschafter und französische Emigranten hatten sie 1864 gegründet, sie war von Marx, der in London im Exil lebte, programmatisch bestimmt. Hier flossen die verschiedenen sozialistischen Strömungen zusammen. Einer ihrer Hauptakteure war der erprobte anarchistische Revolutionär Michail Bakunin, der aus einer adligen russischen Familie stammte. Schon 1848 hatte er gemeinsam mit seinen Freunden Richard Wagner und Gottfried Semper, dem Opernhaus-Architekten, auf den Dresdner Barrikaden gestanden. Nach Gefangenschaft, Haft und einem unfreiwilligen Umweg über Sibirien kehrte Bakunin nach Europa zurück und zettelte noch allerlei revolutionäre Umtriebe an, gelangte aber zu der Ansicht, dass es mit Regimewechseln allein nicht getan sei. Bakunin lehnte jede Form von Herrschaft ab, auch die des Proletariats, die Marx forderte. Am Gegensatz dieser beiden Positionen zerbrach die Erste Internationale. Die Zweite Internationale, gegründet 1889 in Paris, war dann eher eine lockere Dachorganisation mittlerweile etablierter sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien. Sie machte den 1. Mai zum internationalen Kampftag der Arbeiterschaft.

SOZIALISTENGESETZE UND SOZIALGESETZGEBUNG    Nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. (Regierungszeit 1871–1888), die Bismarck propagandistisch, aber zu Unrecht, mit der Sozialdemokratie in Verbindung brachte, gelang es ihm 1878, im Reichstag ein Gesetz ausdrücklich »gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« durchzubringen. Seinerzeit wurde zwischen sozialistisch und sozialdemokratisch kein Unterschied gemacht. Die Sozialdemokratie wurde nicht verboten, es gab weiterhin Reichstagsabgeordnete der SPD, aber ihre Wirkungsmöglichkeiten (Verbreitung von Druckschriften, Abhalten von Versammlungen) waren künftig eingeschränkt.