KANONENBOOTPOLITIK – DIE ÖFFNUNG JAPANS Diese Art der Durchsetzung staatlicher Interessen mit kleinen, schwer bewaffneten Kriegsschiffen war schon zu Anfang des Jahrhunderts aufgekommen. Ein besonders eklatanter Fall war die von den Amerikanern erzwungene Öffnung des hermetisch abgeriegelten Japan 1853/1854 durch amerikanische Schiffe, die dort das Ende des Shogunats der Tokugawa einläutete. Ab 1868 reformierte und modernisierte sich Japan dann sehr schnell in der Meiji-Zeit nach westlichem Vorbild.
Auch in der Gegenwart wird mit dem Aufkreuzen von Flugzeugträgern mindestens als Drohgebärde nach wie vor Kanonenbootpolitik praktiziert.
1851
WELTAUSSTELLUNG – WELTHAUPTSTADT Die erste Weltausstellung 1851 war eine Idee des Prinzgemahls Albert der englischen Königin Victoria. 1851 war Britannien auf dem Gipfel seiner internationalen Geltung Gastgeber der Welt für alles, was als innovativ und fortschrittlich galt. Den mit Abstand wichtigsten Beitrag lieferte Großbritannien selbst mit dem Bau des dafür eigens im Hyde Park errichteten Ausstellungsgebäudes, dem Kristallpalast von Joseph Paxton (1803–1865). Noch nie hatte man ein derart riesiges Gebäude (Grundfläche 93000 Quadratmeter) nur aus Gusseisenteilen und Glasscheiben zusammengesetzt. Das revolutionäre Modulverfahren war nur durch die entwickelte Eisenfertigungsindustrie jener Zeit überhaupt erst möglich. Der Kristallpalast ist der Vorläufer der modernen Stahl-Glas-Hochhausarchitektur. Nach der Weltausstellung begannen in London übrigens die Planungen für den U-Bahn-Bau. Die erste Linie wurde 1863 eröffnet.
1857/1877
KAISERIN VON INDIEN Die wahren Herren in Indien waren mittlerweile die Abgesandten der Britischen Ostindien-Kompanie. Sie organisierten eine Art Zivilverwaltung, erhielten zur Unterstützung Truppen aus dem Mutterland und verfügten über Truppenkontingente aus einheimischen Indern.
Diese Sepoy meuterten 1857 gegen ihre britischen Offiziere. Der Aufstand war Ausdruck einer schon länger bestehenden Unzufriedenheit mit der De-facto-Kolonialherrschaft der Briten. Er wurde von den Briten innerhalb eines halben Jahres mit brutaler Gewalt niedergeschlagen. Sie scheuten vor keiner Art von Kriegsverbrechen zurück und richteten gefangene »Rebellen« hin, indem sie sie vor Kanonen banden, die dann abgefeuert wurden und die Leiber zerrissen. Der letzte Großmogul wurde abgesetzt und in die Verbannung geschickt, die Ostindien-Kompanie per Gesetz aufgelöst und Indien gleichzeitig in eine Kronkolonie umgewandelt. Königin Victoria nahm 1877 den vakant gewordenen Titel des Kaisers von Indien an.
Das indische Kolonialreich umfasste damals den gesamten Subkontinent, also die heutigen Staaten Indien, Pakistan, Bangladesh und Myanmar (Birma), und es erschien den Europäern märchenhaft reich. Indien galt als das Juwel in der britischen Krone und Victorias Erhebung zur Kaiserin (Empress) markiert den Beginn des Zeitalters des Imperialismus.
Was danach geschah: Alle europäischen Mächte, auch Russland, die USA und Japan strebten nun in einem regelrechten Wettlauf danach, noch nicht beherrschte Territorien auf dem Globus zu besetzen. Dies betraf einige Teile Asiens, vor allem aber das bisher weitgehend unbekannte Afrika. Auch die verbissenen Wettläufe zu Nord- und Südpol gehören in diesen Zusammenhang. Die globalen Hauptkonkurrenten aber waren Großbritannien und Frankreich auf dem dunklen Erdteil.
1872
DR. LIVINGSTONE, I PRESUME? Nach eigener Darstellung erreichte den amerikanischen Journalisten und Kriegsberichterstatter für den New York Herald Henry M. Stanley (1841–1904) am 16. Oktober 1869 ein Telegramm seines Zeitungsverlegers mit der Aufforderung: »Finden Sie Livingstone!« Das spurlose Verschwinden des schottischen Missionars im Herzen Afrikas war eine Cause célèbre in Europa und Amerika. Viele hielten den Forscher, der als erster Innerafrika von Westen nach Osten durchquerte, für tot. Stanley organisierte einen Tross von arabischen Führern und fast 200 afrikanischen Proviant-Trägern. Am 10. November 1871 fand er Livingstone tatsächlich einigermaßen wohlbehalten in einem kleinen Ort am Tanganjikasee. Nach einem dreimonatigen entbehrungsreichen Marsch durch unwegsamstes Gelände in das schwärzeste Afrika, wo es in Tausenden von Kilometern Umkreis nicht einen Weißen gab, begrüßte Stanley den Doktor, als ob er sich einem entfernten Bekannten in einem New Yorker Club vorstellte: – »Sie müssen Dr. Livingstone sein!«
1859–1869
SUESKANAL Das strategisch bedeutendste Bauwerk aller Zeiten, der 190 Kilometer lange Sueskanal, wurde von etwa anderthalb Millionen Menschen unter ungeheuren Anstrengungen und Opfern gebaut. Der Wegfall der zeitraubenden Umfahrung Afrikas im Schiffsverkehr zwischen Europa und Fernost bedeutete für die damaligen Dampfschiffe eine Ersparnis von etwa einem Monat. Der Großteil des erforderlichen Kapitals war von einer britisch-französisch-österreichisch-ägyptischen Aktiengesellschaft aufgebracht worden, der Compagnie de Sues. Organisator des Jahrhundertprojektes war der französische Ingenieur Ferdinand de Lesseps (1805–1894), vormals französischer Konsul in Kairo und Alexandria. Die pompösen Eröffnungsfeierlichkeiten in Anwesenheit von Kaiser Napoleon III. fanden im November 1869 statt.
Zur Sicherung des Seeweges nach Indien und weil Ägypten wegen der anfangs geringen Einnahmen aus dem Kanal kurz vor dem Staatsbankrott stand, erwarb Großbritannien die ägyptischen Anteile an der Compagnie de Sues und besetzte 1882 das Land. Spätestens damit war Britannien uneingeschränkte globale Seemacht.
RUSSLAND Seit Peter dem Großen expandierte Russland und wurde eine Kolonialmacht, allerdings zu Lande. Katharina die Große hatte vor allem die russische Süderweiterung auf Kosten des immer schwächer werdenden Osmanischen Reiches vorangetrieben und das Schwarze Meer erreicht (1774). Zar Alexander I. konnte eine kleine Norderweiterung verzeichnen (Finnland 1809) und war als »Befreier Europas« von Napoleon einer der bedeutendsten Herrscher auf dem Wiener Kongress. Sein Nachfolger, sein Bruder Nikolaus I. erwarb im Krieg gegen Persien Armenien und die Seeherrschaft im Kaspischen Meer. 1828/1829 nahm er den Türken die Ostküste des Schwarzen Meeres ab (Georgien), sicherte sich freie Fahrt auf der Donau, im Schwarzen Meer und im Mittelmeer. Auch er hatte die gegen die türkische Oberherrschaft erfolgreiche griechische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt. Seitdem es 1683 vor Wien zurückgeschlagen worden war, befand sich das Osmanische Reich wirklich nur noch in der Defensive. Vom nunmehr russischen Nordufer des Schwarzen Meeres ist es nicht weit bis zum Bosporus am Südufer.
1853
DER KRANKE MANN AM BOSPORUS 1852 sagte Zar Nikolaus I. in einem Gespräch mit dem britischen Botschafter: »Wir haben einen kranken Mann auf den Armen. Es wäre ein Unglück, wenn er uns eines Tages entfallen sollte.« Eigentlich gedachte Nikolaus diese Schwäche zu nützen und das Osmanische Reich zu zerschlagen. Er wusste allerdings, dass dies nur mit dem Einverständnis Großbritanniens möglich war. Großbritannien wollte kein Machtvakuum in dem immer noch großen Gebiet des Osmanenreiches, aber es wollte auch nicht Russland dort sehen.
KRIMKRIEG Nikolaus provozierte im Jahr darauf den türkischen Sultan Abdülhamid I. mit politischen Forderungen dermaßen, dass das Osmanische Reich Russland den Krieg erklärte. Russland stand aber im Krimkrieg allein gegen das Osmanische Reich, das von Großbritannien, Frankreich und Österreich unterstützt wurde, die weitere russische Expansionen Richtung Mittelmeer aufhalten wollten. Mangels Eisenbahnen in den Süden konnten die Russen den Nachschub nicht schnell und effizient genug organisieren. Der Krimkrieg war verlustreich und wirkte wie ein Vorspiel zum Ersten Weltkrieg, weil auch hier die meisten europäischen Mächte involviert waren und weil hier erstmals die Soldaten in eingegrabenen Stellungen kämpften. In den englischen Lazaretten half Florence Nightingale, die »Dame mit der Lampe«.