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Zunächst gab es einigen Widerstand, aber Durotan blieb beharrlich, und letztlich setzte er sich durch: Sein Volk tat, was er verlangte. Obwohl der Frühling mager gewesen war, war das Sommersonnenfest eines der üppigsten, das die Frostwölfe seit vielen Jahren begangen hatten. Das Freudenfeuer wurde bei Tagesanbruch entzündet und bis weit in die Nacht mit Holz gefüttert. Ein alter Witz unter den Orcs war, dass das Feuer so lange brannte, bis der letzte eingeschlafen war – sei es nun, weil er sich beim Tanzen erschöpft hatte, oder weil der Most so reichlich geflossen war wie der schmelzende Schnee.

An einem Punkt während all des Lachens und Trinkens, des Tanzens und Trommelns, schlich sich Durotan von den Feierlichkeiten fort, um auf die weiten Wiesen hinauszublicken, die sich westlich des Dorfes erstreckten.

„Es gibt noch immer Grün hier“, sagte Orgrim, als er neben seinen Freund trat. „Und damit meine ich nicht das Grün von Gul’dan oder seinem Sklavenmädchen.“

Durotan stieß ein überraschtes Lachen aus, und Orgrim stimmte mit ein, aber dann wurde der Orc wieder ernst. „Mein alter Freund, du hast dich während dieser letzten Monate als guter Häuptling bewiesen. Sieh dir deine Leute an. Ihre Mägen sind voll. Ihre Kinder spielen in Sicherheit. Sie müssen nicht frieren, wenn sie schlafen.“

„Das sollte das Mindeste sein, was ein Häuptling für seinen Klan tut“, meinte Durotan nur. Das Lob war ihm unbehaglich.

„Aber dieser Tage … bedeutet es mehr als früher“, fuhr Orgrim fort. „Warum steht du hier herum? Komm und tanz! Ein Häuptling braucht eine Gefährtin, und es gibt hier einige, die erfreut wären, die deine zu sein.“

Durotan lachte und blickte zurück zu den Tanzenden auf der Wiese. Ja, da waren mehrere Frauen, die seinen Blick verwegen erwiderten, und niemand konnte ihre Stärke und Schönheit verleugnen. „Dafür ist später noch Zeit. Ich … Orgrim, ich muss immer wieder an die Leute denen, die wir ins Exil geschickt haben. Ich frage mich, ob je einer von ihnen zurückkehren wird.“

Orgrim zuckte mit den Schultern. „Manche – falls sie stark genug sind. Die anderen nicht. Warum kümmert dich das? Es ist der Weg unseres Klans.“

Durotan dachte an die alten Orcs, diese einst mächtigen Krieger, die später größtenteils ignoriert wurden, sodass sie nur noch nickend um ihre Feuer saßen und auf den Tod warteten. Er hatte sie zu einem Gespräch eingeladen, um ihren Erinnerungen zu lauschen, und der Klan hatte davon profitiert. Wie hatten die Frostwölfe nur je erlauben können, dass solches Wissen verloren ging? Hätten Draka und die anderen Schwachen vielleicht auch etwas beitragen können, falls man ihnen erlaubt hätte zu bleiben? Oder hätten sie wirklich nur denen kostbare Ressourcen weggenommen, die dem Klan helfen konnten?

Er seufzte. Diese Gedanken konnte er nicht mit Orgrim teilen. Noch nicht; nicht, solange er sie selbst nicht verstand. „Es ist nicht leicht, Orgrim“, gestand er. „Häuptling zu sein. Bei Vater sah es immer so mühelos aus.“

„Er war ein großer Frostwolf“, stimmte sein Freund zu. „Ein großer Orc. Aber mach dir keine Sorgen, Durotan. Er wäre stolz auf dich.“

Das hoffte Durotan, aber wirklich sicher war er nicht. Er wusste nur eines, während er seinen Blick über die Wiese schweifen ließ: dass er sich wünschte, dort einen Frostwolf zu sehen, der aus dem Exil nach Hause zurückkehrte.

Doch natürlich sah er keinen.

Mit jedem Tag, der verging, schien Gul’dans grimmige Warnung weiter zu verblassen. Die Patrouillen wurden dennoch fortgesetzt, und im Lauf der Monde begannen einige Mitglieder der Klans, sich über diese zusätzliche Pflicht zu beschweren.

Vor allem Nokrar hielt die Wachgänge für Zeitverschwendung. „Der Tod deines Vaters ist gerächt“, sagte er zu Durotan. „Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Feinde überlebt haben. Krieger wie ich und die anderen könnten mehr bewirken, wenn du uns auf zusätzliche Jagden schicken würdest.“

Durotan legte großen Wert darauf, allen vernünftigen Vorschlägen zu lauschen, die an ihn herangetragen wurden, und obwohl Nokrars Kommentar an eine Beleidigung grenzte, musste der junge Häuptling zugeben, dass eine gewisse Wahrheit in seinen Worten steckte. Er wurde noch immer vom Tod seines Vaters verfolgt. War die tägliche Patrouille vielleicht wirklich überflüssig? Obwohl Gul’dan voller Abscheu von den Rotläufern gesprochen hatte, schien er keine allzu große Angst vor ihnen gehabt zu haben. Er war sicher gewesen, dass sie schon bald aussterben würden. Davon abgesehen, falls sich noch irgendwelche Rotläufer in der Nähe herumtrieben, könnten ebenso gut Jagdgruppen Ausschau nach ihnen halten.

„Du bist ein geschickter Jäger, Nokrar. Vielleicht ist eine tägliche Patrouille wirklich unnötig.“ Er reduzierte die Patrouillen auf eine alle fünf Tage und erhöhte im Gegenzug die Zahl der Jagden.

Obwohl der Sommer zu kurz war und die Herbsternte mager, schien der Klan guter Dinge. Auch erwies sich Nokrars Vorschlag als vorteilhaft, da mehr Jagden mehr Nahrung bedeuteten. Doch trotz alledem zwang Durotan sich, wachsam zu bleiben. Er besprach sich oft mit Drek’Thar, der ihm von den Visionen der Geister berichtete, musste aber oft Befehle geben, die diesen Visionen zu widersprechen schienen.

Durotan wollte seine Leute nicht auffordern, Nüsse und Körner für den Winter zu horten, aber schließlich hörte er auf eine alte Frau, die genau das vorschlug. Fisch und Fleisch schmeckten frisch am besten, außerdem waren sie so nährreicher und eine bessere Nahrung für Krieger. Dennoch wies er seinen Klan an, öfter zu jagen und sich das Essen einzuteilen, damit zumindest ein Teil des Fisches und Fleisches gesalzen und für die mageren Zeiten haltbar gemacht werden konnte. Für jeden Bissen, den sie jetzt aßen, so lautete seine Bitte, sollten sie drei beiseitelegen. Er musste sie nicht daran erinnern, dass niemand sagen konnte, wie lange der Winter dieses Jahr währen würde.

„Sie verstehen es nicht wirklich“, sagte Orgrim eines Abends. „Wir sind Orcs. Wir stellen uns Kampf und Gefahr in der Schlacht. Das ist es, wofür wir geschaffen sind: für den Kampf. Nicht …“ – er blickte auf das Häufchen Salz vor ihm hinab – „für so etwas.“

„Niemand singt Lok’vadnods für Orcs, die verhungern“, stimmte Durotan zu. „Aber das heißt nicht, dass sie weniger schmerzlich vermisst werden, wenn sie sterben.“

„Manchmal kann ich es nicht ausstehen, wenn du so sprichst“, brummte Orgrim. „Aber ich muss zugeben, es ist die Wahrheit.“

„Darum bin ich Häuptling und nicht du“, grinste Durotan. „Aber ich habe eine Aufgabe für dich, damit du endlich den Mund hältst. Kurg’nals Gruppe ist vorhin zurückgekehrt. Er meinte, sie hätten Spuren gefunden, nur ein paar Tage alt. Sie mussten jedoch umkehren, bevor sie der Fährte folgen konnten. Also, warum nimmst du morgen nicht ein paar ausgeruhte Krieger mit und bringst uns saftige Beute?“

„Ha! Wenn das bedeutet, dass ich eine Weile kein Fleisch einlegen muss, werden wir auf jeden Fall erfolgreich sein.“

8

Orgrim wählte persönlich die Jäger aus, die mit ihm reiten sollten und ließ sich von Kurg’nal den Weg beschreiben. „Ich wäre gern dabei,“ sagte der Orc.

„Gönn anderen auch ein bisschen Ruhm“, erwiderte Durotan. Es war aus gutem Grund Sitte, Aktivität und Rast abzuwechseln – nicht zuletzt, weil jeder Orc derjenige sein wollte, der mit erlegter Beute nach Hause zurückkehrte. Insgeheim wünschte der junge Häuptling sich aber, dass auch er seinen Freund begleiten könnte. „Orgrim braucht etwas, um seinen Stolz wiederherzustellen. Er ist ein wenig abgestumpft.“