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Mit einer Geschwindigkeit, die mit ihrer gewaltigen Masse kaum vereinbar schien, wirbelte sie herum und stellte sich ihren vermeintlichen Mördern. Grollhufe waren Beutetiere, aber das bedeutete nicht, dass sie keine Persönlichkeit hatten oder dass sie nicht gefährlich waren. Die Kuh, die ihnen schnaubend gegenüberstand und mit ihren gespaltenen Hufen den Schnee aufwühlte, war ebenso eine Kämpferin wie ihre Jäger – und sie hatte ganz offensichtlich vor, mehr als nur ein paar Orcs und Wölfe mit in den Tod zu nehmen.

Durotan grinste. Dies war wirklich eine würdige Beute! Es lag keine Ehre darin, ein Tier zu töten, das nicht stehen blieb und kämpfte – das war lediglich eine Notwendigkeit. Insofern war er froh über die tapfere Entscheidung des Grollhufs. Der Rest der Gruppe erkannte den Widerstand der Kuh ebenfalls, und ihre Rufe wurden nur noch fröhlicher. Das Tier schnaubte, senkte den Kopf mit den gewaltigen, scharfen Hörnern und stürmte direkt auf Garad zu.

Der Orc-Häuptling und sein Wolf bewegten sich in perfektem Einklang und brachten sich mit einem Sprung lange genug außer Gefahr, dass Garad Donnerschlag werfen konnte. Der Speer traf das mächtige Biest in die Seite, und nun bereitete sich Eis auf den Angriff vor. Während er und andere weiße Wölfe auf die Kehle des Grollhufs zuschnellten, schleuderten Garad, Durotan, Orgrim, Geyah und der Rest des Jagdtrupps ihrer Beute Speere, Pfeile und herausfordernde Rufe entgegen.

Der Kampf war ein Durcheinander von Bewegungen, eine Kakofonie aus Zischen, Grunzlauten und Kriegsschreien. Wölfe sprangen vor und wieder zurück, ihre Zähne rissen und zerfleischten, und ihre Reiter versuchten, nahe genug heranzukommen, um selbst ein paar Treffer zu landen. Wie immer füllte sich Durotans Geist mit Erinnerungen an seine erste Jagd, und er drängte sich nach vorne ins Zentrum des Kampfes. Seit er vor all den Jahren jener Blutspur durch den Schnee gefolgt war, versuchte er stets, derjenige zu sein, der den tödlichen Treffer anbrachte. Derjenige zu sein, der das Leid beendete. Dabei interessierte ihn nicht, ob andere den Streich im Kampfgetümmel sahen oder ob man ihm die Tötung des Tieres zuschrieb. Für ihn zählte nur, dass er den letzten Schlag durchführte.

Er schob sich durch die weißen Reihen der Wölfe und seiner pelzverhüllten Klanbrüder, bis der Geruch von Blut und stinkendem Fell ihn ganz schwindelig machte. Plötzlich sah er eine freie Stelle. Durotan bückte sich und schloss die Hände fest um seinen Speer, während sich seine ganze Wahrnehmung auf eine einzige Absicht richtete. Alles, was jetzt noch für ihn existierte, war der Punkt direkt hinter dem linken Vorderbein der Kuh. Die Grollhufe waren groß, und ebenso ihre Herzen.

Sein Speer fand das Ziel, und das gewaltige Tier erbebte. Helles Blut befleckte sein Fell. Durotan hatte die Kuh direkt und sauber getroffen, und obwohl sie noch ein paar Sekunden dagegen ankämpfte, brach sie schließlich doch auf dem Boden zusammen.

Lautes Geheul erschallte und ließ Durotans Ohren klingeln, während er schwer atmend lächelte. Heute Abend würde sein Klan zu essen haben.

Sie nahmen stets mehr Jäger mit, als eigentlich nötig waren, um ein Tier niederzuringen. Die Freude der Jagd lag im Spurenlesen, im Kämpfen, im Erlegen, aber man brauchte auch viele Hände, um die Beute zu zerlegen und sie für die Reise zurück ins Dorf vorzubereiten. Von Garad selbst bis zum jüngsten Mitglied der Gruppe trug jeder seinen Teil bei. Als Durotan sich kurz aufrichtete und seine Arme streckte, die nach dem Zerhacken des Kadavers bis zu den Ellbogen mit Blut beschmiert waren, fiel ihm eine Bewegung auf. Stirnrunzelnd spähte er in die Ferne.

„Vater!“, rief er. „Ein Reiter!

Alle hielten in ihrer Arbeit inne, als sie diese Worte hörten. Sorgenvolle Blicke wurden ausgetauscht, aber niemand sagte etwas. Man schickte nie Reiter hinter einer Jagdgruppe her, da sie die Beute verscheuchen könnten, ausgenommen natürlich, die Jäger waren zu lange fort und die anderen sorgten sich um ihr Wohl. Der einzige Grund, jetzt einen Reiter zu entsenden, wäre, dass Garad plötzlich im Dorf gebraucht wurde – und das wiederum bedeutete schlechte Neuigkeiten.

Garad blickte Geyah wortlos an, dann stand er auf und wartete, bis der Reiter heran war. Kurg’nal, ein älterer Orc mit schneeweißem Haar, rutschte von seinem Wolf, dann salutierte er vor dem Häuptling, indem er mit einer seiner mächtigen Hände gegen seine breite Brust schlug.

Er kam sofort zum Punkt. „Großer Häuptling – ein Orc ist gekommen. Er will unter dem Banner des Parley mit dir sprechen.“

Garad furchte die Stirn. „Parley?“ Das Wort fühlte sich seltsam an auf seiner Zunge, und Verwirrung schwang in seiner Stimme mit.

„Was ist ‚Parley‘?“ Orgrim war einer der größten Orcs im Klan, aber wenn er wollte, konnte er sich unglaublich leise bewegen. Durotan, der auf die Unterhaltung konzentriert war, hatte nicht einmal bemerkt, wie sein Freund neben ihn getreten war.

„Parley bedeutet …“ Er suchte nach den richtigen Worten. Für einen Orc waren sie sehr ungewohnt. „Der Fremde ist nur hier, um zu reden. Er kommt in Frieden.“

„Was?“ Es sah beinahe komisch aus, wie Orgrims hauerbesetzter Mund leicht offenstand. „Das muss ein Trick sein. Kein Orc will Parley.

Durotan antwortete nicht. Er sah zu, wie Geyah neben ihren Partner trat und leise zu ihm sprach. Wie Drek’Thar war auch sie eine Schamanin, aber sie hatte eine besondere Aufgabe: Sie war die Wissenshüterin. Als solche kümmerte sie sich um die Schriftrollen, die von Generation zu Generation weitergereicht wurden, und stellte sicher, dass die alten Traditionen und Rituale der Frostwölfe nicht verloren gingen. Falls jemand wusste, wie man einem Orc unter dem Banner des Parley begegnete, dann sicherlich sie.

Garad wandte sich den anderen zu, die stumm und geduldig auf eine Erklärung warteten. „Ein Orc namens Gul’dan ist gekommen, um zu reden“, verkündete er. „Er beruft sich auf das alte Ritual des Parley, was bedeutet, dass er … unser Gast ist. Wir werden ihn respekt- und ehrenvoll behandeln. Wenn er Hunger hat, werden wir ihm unser bestes Essen geben. Wenn ihm kalt ist, soll er unseren wärmsten Umhang haben. Ich werde mir anhören, was er zu sagen hat, und mich so verhalten, wie unsere Traditionen es verlangen.“

„Was, wenn er sich nicht so verhält?“, fragte ein Orc.

„Was, wenn er dem Frostwolfklan keinen Respekt entgegenbringt?“, rief ein anderer.

Garad blickte Geyah an, als sie auf die Fragen antwortete. „Dann ist er derjenige, der sich beschämt. Die Geister werden es ihm nicht vergessen, wenn er dieselben Traditionen missachtet, auf die er sich beruft. Er wäre ehrlos, nicht wir. Wir sind Frostwölfe“, erklärte sie, und die Überzeugung ließ ihre Stimme anschwellen. Ihre Worte zogen zustimmende Rufe nach sich.

Kurg’nal schien noch immer unbehaglich zumute zu sein. Er zupfte an seinem Bart und murmelte dem Häuptling etwas zu, aber Durotan und Orgrim waren nahe genug, um die gewisperten Worte zu verstehen.

„Mein Häuptling“, sagte Kurg’nal. „Da ist noch mehr.“

„Sprich“, befahl Garad.

„Dieser Gul’dan … er hat eine Sklavin dabei.“

Durotan versteifte sich vor unmittelbarer Abscheu. Er wusste, dass manche Klans andere versklavten. Gelegentlich kämpften die Orcs gegeneinander, und er selbst hatte schon an solchen Schlachten teilgenommen, als sich andere Klans zum Frostfeuergrat vorgewagt und die Beutetiere der Frostwölfe gejagt hatten. Die Frostwölfe kämpften gut und gnadenlos, und sie zögerten nicht, jemanden zu töten, falls es nötig war; sie taten es nur nie aus Zorn oder nur, weil sich die Gelegenheit dazu bot. Sie nahmen keine Gefangenen, und schon gar keine Sklaven; für sie war der Kampf vorbei, sobald eine Seite nachgab. Orgrim neben ihm schnaubte ebenfalls leise angesichts der Worte.