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Doch Kurg’nal war noch nicht fertig. „Und …“ Er schüttelte den Kopf, als könnte er selbst nicht glauben, was er gleich sagen würde, dann setzte er noch einmal von vorne an. „Mein Häuptling … sowohl die Sklavin als auch ihr Meister … sind grün!“

2

Garad bat Durotan und Orgrim, ihn und Geyah zurück zum Frostfeuergrat zu begleiten. Den Rest der Gruppe – einen männlichen Orc auf dem Zenit seiner Kraft, Nokrar, und seine wildäugige Gefährtin, Kagra, sowie einen breitbrüstigen Orc namens Grukag – wies er an, zurückzubleiben und Fleisch und Haut für den Rückweg zum Dorf fertigzumachen.

Durotan hatte viele brennende Fragen, aber er hütete sich davor, sie auszusprechen. Davon abgesehen könnte ihm vermutlich nicht einmal Garad Antworten liefern. Das Konzept des „Parley“ war zweifelsohne etwas, wovon der Häuptling während seiner Jugend gehört hatte, womit er sich aber seit vielen Jahren nicht mehr beschäftigt hatte.

In angespanntem Schweigen ritten sie auf ihr Dorf zu. Einst, so stand es in den Schriftrollen, waren die Frostwölfe Nomaden gewesen, die dem Wild über ganz Draenor folgten, wohin immer die Tiere auch zogen. Ihre Behausungen konnten schnell abgebaut, zu Bündeln zusammengeschnürt und auf die Rücken ihrer Wölfe gepackt werden. Doch selbst, falls es wirklich stimmte, hatte sich das alles schon vor langer Zeit geändert.

Der Klan hatte sich am Frostfeuergrat niedergelassen, mit dem schutzspendenden Altvaterberg im Süden, den Göttern an ihrem Sitz im Norden und Wiesen im Osten und Westen, die sich den Wäldern entgegenstreckten. Wie die meisten Orcs markierten die Frostwölfe die Grenzen ihres Territoriums mit Flaggen – ein weißer Wolfskopf auf blauem Grund –, und sie bauten stabile Hütten aus Stein, Schlamm und Holz. In der Vergangenheit hatten die meisten Familien auf sich selbst aufgepasst und nur in seltenen Fällen, wenn Hungersnot oder Gefahr drohten, den Klan zusammengerufen.

Doch jetzt – und eigentlich schon seit einigen Jahren – waren viele der weiter abseits gelegenen Hütten nur noch leere Skelette, deren Holz man ausschlachtete, während ihre Bewohner Familie um Familie näher ans Zentrum der Siedlung heranzogen. Nahrung, Rituale und Arbeit wurden geteilt – und nun auch die Neugier.

Kleinere Kochfeuer brannten überall im Dorf, wo sie gebraucht wurden, aber es gab auch eine große Grube in der Mitte, wo stets ein Feuer loderte. Im Winter bot es bitter nötige Wärme, und auch im Sommer wurde dort bei Versammlungen, Geschichtenerzählungen und Mahlzeiten ein kleineres Feuer entzündet. Ein Ehrenplatz war für Garad reserviert – ein Fels, aus dem man vor langer Zeit seinen Stuhl gehauen hatte.

Jeder Frostwolf kannte die Geschichte des Steinernen Sitzes. Sie reichte zurück bis in die Zeit, als der Klan angeblich noch nomadisch gelebt hatte. Ein Häuptling hatte seinen Stamm zum Frostfeuergrat geführt und sich so mit diesem Ort verbunden gefühlt, dass er nicht wieder fortgehen wollte. Der Klan war nervös geworden. Was würde aus ihnen werden, wenn sie ihrer Beute nicht folgten?

Der Häuptling wollte seine Leute nicht zwingen, gegen ihren Willen zu bleiben, also bat er den Schamanen um eine Audienz bei den Geistern. Er pilgerte so weit nach Norden, wie es nur nach Norden ging, bis zum Rand der Welt. Dort, am Sitz der Geister, in einer heiligen Höhle tief im Herzen der Erde, saß er drei Tage und Nächte allein in der Dunkelheit, ohne Nahrung oder Wasser.

Schließlich wurde ihm eine Vision zuteil, die ihm Folgendes verriet: Falls er so stur wäre, nicht weiterzuziehen, würden die Geister seine Sturheit zu einer Tugend machen. „Du bist so unbeweglich wie Stein“, sagten sie ihm. „Du bist den weiten Weg gekommen, um den Sitz der Geister zu finden. Jetzt geh zurück zu deinem Volk und sieh, was wir dir gegeben haben.“

Bei seiner Rückkehr entdeckte der Häuptling, dass ein Fels ins Zentrum des Frostwolflagers gerollt war. Er erklärte, dass dies für alle Zeit der Steinerne Sitz sein sollte, die Belohnung für seine Prüfung am Sitz der Geister. Der Fels sollte als Stuhl des Frostwolfhäuptlings dienen, bis er zu Staub zerbröckelte.

Die Abenddämmerung war über das Land gefallen, als Durotan und die anderen das Dorf erreichten. Ein Feuer brannte in der Grube, und rings um seine Flammen hatten sich sämtliche Mitglieder des Frostwolfklans versammelt. Die Menge teilte sich, sobald Garad, Geyah, Durotan und Orgrim näher kamen.

Durotan starrte auf den Steinernen Sitz.

Der Orc, der im Zeichen des Parley gekommen war, saß dort.

Im flackernden, orangefarbenen Licht sah Durotan, dass der Fremde tatsächlich moosfarbene Haut hatte, ebenso wie die Frau, die neben ihm kniete, mit einem schweren Metallreif um ihren schlanken Hals.

Der männliche Orc war gebeugt, was vielleicht am Alter lag, das auch seinen Bart grau gefärbt hatte. Sein Umhang und seine Kleidung ließen ihn dick erscheinen, wobei der Umhang mit den Dornen eines Tieres besetzt war. Im schwachen Licht konnte Durotan nicht sehen, wie sie an dem Stoff befestigt waren, dafür erkannte er mit entsetzter Faszination, dass winzige Schädel auf zweien dieser Stacheln aufgespießt waren. Waren das einst die Köpfe neugeborener Draenei gewesen … oder, mochten die Geister ihm beistehen, die Köpfe von Orc-Säuglingen? Doch sie wirkten falsch, deformiert. Vermutlich gehörten sie einer Kreatur, von der Durotan noch nicht einmal gehört hatte.

Jedenfalls hoffte er das inständig.

Der Neuankömmling stützte sich auf einen Stab, der ebenso mit Knochen und Schädeln verziert war wie sein Umhang. Symbole waren hineingeritzt, und dieselben Zeichen fanden sich auch am Rand seiner Kapuze. In den Schatten darunter funkelten die Augen des Fremden – doch nicht vom widergespiegelten Feuerschein, sondern in ihrem eigenen grünen Glühen.

Die Frau bot einen optisch weniger interessanten, dafür aber vielleicht noch rätselhafteren Anblick. Sie sah aus wie ein Orc, aber ihr Blut war offensichtlich befleckt. Wie genau, das vermochte Durotan nicht zu sagen, aber der Gedanke erfüllte ihn mit Abscheu. Sie war halb Orc und halb … irgendetwas anderes. Etwas Schwächeres. Geyah und die anderen Frauen waren nicht so muskelbepackt und stämmig wie männliche Orcs, aber an ihrer Kraft bestand kein Zweifel. Die Sklavin hingegen wirkte auf ihn so dünn wie ein Zweig. Doch als er ihr in die Augen sah, hielt sie seinem Blick ruhig stand.

„Nicht sehr unterwürfig, diese Sklavin, oder?“, sagte Orgrim so leise, dass nur Durotan es hörte.

Er schüttelte den Kopf. „Nicht mit diesem Feuer in ihren Augen.“

„Hat sie einen Namen?“

„Jemand meinte, Gul’dan hätte sie … ‚Garona‘ genannt.“

Orgrim zog bei dem Wort die Augenbrauen hoch. „Ihr Name lautet ‚Verflucht‘? Was für ein … Ding … ist sie? Und warum sind sie und ihr Meister …“ Er schüttelte den Kopf, so irritiert, dass es beinahe komisch aussah. „Was stimmt nicht mit ihrer Haut?“

„Ich weiß es nicht, und ich werde nicht danach fragen“, erwiderte Durotan, obwohl auch er fast vor Neugier platzte. „Meine Mutter würde es für respektlos halten, und ich möchte sie nicht wütend machen.“

„Ebenso wenig wie sonst jemand im Klan. Was vermutlich der einzige Grund ist, warum er noch lebt, obwohl er seinen grünen Hintern auf dem Steinernen Sitz platziert hat“, sagte Orgrim. „Man legt sich nicht mit der Wissenshüterin an. Aber sie sieht nicht glücklich aus, dass dieser – dieser Mischling das Recht zu sprechen hat.“

Durotan sah zu seiner Mutter hinüber, die gerade damit beschäftigt war, mehrere helle Perlen in ihr Haar zu flechten. Offensichtlich gehörten sie zum Parley-Ritual, und Geyah hatte es eilig, die Vorbereitungen abzuschließen. Der Blick, mit dem sie den Neuankömmling dabei bedachte, hätte mühelos den Stein zerschmettern können, auf dem er saß.