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„Sie haben uns gerettet!“, rief Nizka aus. „Als die … bösen Orcs uns angegriffen haben, sagte Papa, wir sollen wegrennen. Also sind wir weggerannt. Und kurz danach haben uns auch schon die Draenei gefunden!“ Sie blickte Durotan zögerlich an. „Ich wollte auch vor ihnen weglaufen, aber Papa hat immer gesagt, dass die Orcs nichts Böses tun. Außerdem wurden wir verfolgt …“

Ihre Stimme verhallte, und ihr Gesicht verzerrte sich bei der Erinnerung an jene schrecklichen Ereignisse. Durotan war froh, dass ihr zumindest das Schlimmste erspart geblieben war: Sie hatte nicht mitansehen müssen, wie ihr geliebter Vater sterbend im Schnee lag und ausgeweidet wurde wie ein Talbuk.

Er rief Grukag zu sich und flüsterte ihm zu: „Nimm die Kinder. Gibt ihnen etwas Sternenblumensud, damit sie heute Nacht tief schlafen können. Sag ihnen nur, dass Nokrar und Gurlak gefallen sind, aber nicht, wie sie ihr Ende gefunden haben.“ Shaksa würden sie die Wahrheit erklären müssen; das Mädchen war bald alt genug, um in der Schlacht zu kämpfen und hatte es verdient, die Wahrheit zu hören. Die beiden kleineren Kinder hingegen brauchten keine weiteren Schrecken, die sie in ihren Träumen heimsuchten.

„Sagt euren Rettern gute Nacht und bedankt euch noch einmal bei ihnen, dann geht mit Grukag“, sagte Durotan. Der Jüngste, Kelgur, streckte sich vom Arm seiner Mutter aus einer der Draenei-Frauen entgegen und schloss die Arme um ihren langen, schlanken Hals. Das Gesicht der Draenei leuchtete vor herzlicher Zuneigung, und Durotan konnte nur staunend den Kopf schütteln. Wirklich alles in dieser Welt, so schien es, hatte sich verändert, sei es nun zum Schlechteren … oder, wie zumindest in diesem Fall, zum Guten.

Der männliche Draenei hatte Draka erkannt und rief ihren Namen mit rollender, musikalischer Betonung. Sie ging zu ihm, nahm seine ausgestreckten Hände und sprach ein paar stockende Worte in seiner Sprache. Er reagierte mit weitausholenden Gesten, deutete hoch zum Himmel, tat so, als würde er rennen. Draka lauschte ihm aufmerksam, und nachdem die Kinder den Kreis um das Feuer verlassen hatten, richtete sie sich an die Orcs.

„Deskaal sagt, er sah die …“ Vermutlich wollte sie „Abtrünnige“ sagen, aber nach allem, was geschehen war, brachte sie es ebenso wenig übers Herz wie Durotan, schlecht über sie zu reden. „Er sah Nokrar und die anderen letzte Nacht. Sie wussten, dass Rotläufer in der Gegend waren, und sie waren besorgt wegen der Detishi … der Kinder. Also folgten sie ihnen, und als die Kleinen fortrannten, kamen sie ihnen zu Hilfe.“

Detishi“ wiederholte Deskaal, wobei er die Hand auf sein Herz legte. Durotan erinnerte sich daran, was Draka vor ein paar Monaten, während ihrer Flucht vom Frostfeuergrat, gesagt hatte: Das ist etwas, was wir Frostwölfe mit den Draenei gemein haben. Sie lieben ihre Kinder und würden für sie sterben.

Oder ihr Leben für ein anderes Kind riskieren, fügte er in Gedanken hinzu. Hätte er dasselbe für einen jungen Draenei getan? Er kannte die Antwort, und die Scham brannte in seinen Wangen.

Detishi“, sagte er und imitierte die Geste des Wesens. „Kinder.“

„Kinnn-derr“, sprach Deskaal ihm mit einem Nicken nach. Er wirkte traurig, als er etwas hinzufügte und kopfschüttelnd auf die geretteten Orcs deutete.

„Sie bedauern, dass sie die anderen nicht retten konnten, aber sie waren nur zu dritt, und sie konnten die Leben der Kleinen nicht gefährden.“

„Sag ihnen, dass wir das verstehen und dass wir ihnen dankbar sind.“

Draka zog die Braue hoch. „Ich werde es versuchen.“ Sie schien Erfolg zu haben, denn ihre Besucher wirkten erfreut und bedachten sie und Durotan mit einem herzlichen Lächeln. Die Draenei waren nie die Feinde der Orcs gewesen, andererseits aber auch nie wirklich ihre Freunde. Doch zumindest im Moment war das unwichtig.

„Setzt euch“, forderte er sie auf, während er selbst Platz nahm. Zögerlich folgten sie seinem Beispiel. „Teilt unser Feuer und unser Essen zum Dank für unsere Detishi.

Aus den Augenwinkeln sah er Geyah, die am Rand des Feuerscheins auf einem Stein kauerte, die Arme vor der Brust verschränkt. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war so hart wie Granit.

Niemand durfte das Lager mehr alleine verlassen, und die Zahl der Patrouillen wurde verdoppelt. Die zusätzliche Spannung manifestierte sich in Streit, in Schlägereien und – da mehr Orcs für die Patrouillen gebraucht wurden – auch in weniger Jagden. Das wiederum bedeutete, dass es weniger zu essen gab, doch nach den grausigen Ereignissen jenes Tages protestierte niemand dagegen.

Der Frühling wandelte sich praktisch über Nacht von kalt und grau zu hell und glühend heiß. Die Ebene rings um die Zuflucht bot nicht genug Grün, um noch als Wiese bezeichnet zu werden; nur hie und da sprießen noch verstreute Büschel aus dem Boden, und sie wurden schon bald von der Sonne verdorrt. Der See blieb auch weiterhin unbenutzbar, und die erdrückende Hitze, die so weit im Norden mehr als ungewöhnlich war, trocknete ihn weiter und weiter aus. Als der Wasserspiegel sank, wurden noch mehr verweste Leichen sichtbar – gnädigerweise handelte es sich nur um Tiere –, die die Luft mit ihrem Gestank verpesteten.

Zum Glück spie die Quelle, die unter dem Felsen verborgen gewesen war, auch weiterhin Wasser, wenngleich es nun schlammiger war als noch im Winter. Größeres Wild wurde nirgends mehr gesehen, aber die kleineren Tiere lieferten genug Fleisch, um den Klan zu ernähren. Zumindest fürs Erste. Einmal scherzte Durotan, dass Draka der einzige Orc im Lager wäre, dessen Bauch größer würde anstatt zu schrumpfen. Ungerührt hatte sie erwidert, dass das Kind in ihrem Leib ihm eines Tages hoffentlich eine Kopfnuss für diese Bemerkung verpassen würde, denn falls nicht, würde sie es selbst tun müssen. Sie hatten beide gelacht, dann hatte Durotan sie zu sich herangezogen, und zumindest für eine kurze Zeit hatten sie in den Armen des anderen die Welt und ihre Probleme vergessen können.

Niemand sprach mehr davon, den Klan zu verlassen oder die Autorität des Häuptlings herauszufordern, aber auch, wenn keine unzufriedenen Worte an seine Ohren drangen, wusste Durotan, dass seine Leute litten. Er suchte Drek’Thar auf und bat ihn, mit den Geistern in Kontakt zu treten und sie um Rat zu ersuchen. „Wir haben nur eine Wasserquelle und nur eine Nahrungsquelle“, sagte er. „Falls wir sie verlieren, wird der Klan sterben. Wir haben keine Früchte, keine Körner oder Samen. Wir brauchen Hilfe, Drek’Thar!“

Der alte Orc verlor nur selten die Geduld, doch jetzt fuhr er aus seiner Haut. „Die Geister sind keine Wölfe, die kommen, wenn man sie ruft, Sohn von Garad!“, schnappte er. „Sie sind die Essenz der Elemente, und wir sollten uns glücklich schätzen, dass sie überhaupt zu uns kommen! Ich bin ein Schamane. Meine Aufgabe ist es, ihnen zu lauschen, wenn sie erscheinen, und ihre Botschaften dann an dich, meinen Häuptling, weiterzuleiten. Was du mit diesen Informationen anstellst – oder was du tust, wenn die Geister vollkommen stumm bleiben –, das ist deine Aufgabe, nicht meine.“

Es stimmte, und Durotans Gesicht glühte, als ihm diese Worte so unverblümt entgegengeschleudert wurden. Doch er hatte alle Optionen ausgeschöpft. Also rief er seine Berater zu sich und schilderte ihnen den Ernst der Lage, ohne irgendetwas zu beschönigen. Orgrim blickte verdrießlich drein und zeichnete mit einem Zweig Umrisse auf den Boden; Geyah saß reglos da, die Hände in ihrem Schoß gefaltet, und ließ ihren Sohn ungestört aussprechen, wie es sein Recht war. Drek’Thar wirkte erschöpft, und obwohl er sich gesetzt hatte, stützte er sich schwer auf seinen Stab; Draka schließlich saß in wortloser Unterstützung neben ihrem Gefährten, eine Hand auf ihren anschwellenden Bauch gelegt.