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Sie schafften sämtliche Leichen nach draußen und warfen sie dann eine nach der anderen in die eisigen Fluten. Die Leichen trugen zusammengewürfelte Rüstungen, die zweifelsohne von den Draenei und Orcs stammten, welche sie abgeschlachtet und dann verzehrt hatten. Durotan konnte nicht umhin zu schaudern, während er beobachtete, wie die grässlichen Leichen, beschwert durch ihre Rüstungen, spurlos im Meer versanken.

Niemand hatte vorgeschlagen, den Toten ihre Sachen abzunehmen; ein Frostwolf würde eher selbst sterben, als die Kleidung eines Rotläufers zu tragen.

Diese Monster hatten ein ehrenhafteres Ende gefunden, als sie nach ihrem ehrlosen Leben verdienten. Durotan nickte zufrieden. Doch die Kadaver zu entsorgen, war der leichte Teil gewesen; jetzt stand ihm, Zarka und Kulzak die Aufgabe bevor, den Sitz der Geister zu reinigen.

Sie begannen mit dem Bereich vor der Höhle und benutzten die Körbe und anderen Behälter, die sie im äußeren Gewölbe fanden, um blutbefleckten Schnee und Sand vom Boden hochzuschaufeln und ins Wasser zu schütten. Als sie damit fertig waren, begruben sie ihren Kameraden unter reinem, sauberem Schnee. Hier sollte Delgar in Frieden ruhen, unter einem länglichen Grabhügel aus purem Weiß, in unmittelbarer Nähe der Geister.

Nun kehrten die drei ehrfürchtig in den großen eisumrandeten Raum zurück, in welchem sich der brutale Kampf fortgesetzt hatte. Durotan blickte sich einen Moment lang um und überlegte, wie sie am besten verfahren sollten.

Er zog die Brauen zusammen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Kurz war er versucht, das Gefühl zu verscheuchen; natürlich lag etwas im Argen, schließlich war dieser heilige Ort geschändet worden. Doch das war es nicht. Nein, da war noch etwas.

Die Rotläufer hatten sich hier versteckt, vielleicht, weil sie sich in gewisser Weise von den Energien der Geister nährten. Ihr Lager wirkte ordentlicher, als er es von so wahnsinnigen Kreaturen erwartet hätte. Tatsächlich sah es fast aus wie ein ganz normales Orc-Lager. Da waren Schlaffelle, Kleidung, Waffen …

… viele Waffen.

Und viele Schlaffelle.

Zu viele.

Mit einem Mal und mit der unmittelbaren Wucht eines Faustschlages erkannte Durotan, was die Rotläufer wirklich vorhatten.

26

Stufen waren in die Eisschichten und den Fels gehauen und bildeten eine schmale, gewundene Treppe. Die Flechten an den Wänden ringsum erzeugten ausreichend Helligkeit, aber vor ihnen gähnte völlige Dunkelheit. Drek’Thars Griff um Geyahs Arm war kräftig, aber vertrauensvoll. Sie wusste, dass sie ihm keine so große Hilfe war wie Palkar, der den alten Schamanen viele Jahre lang geführt hatte, aber sie war vorsichtig und geduldig, und hielt jedes Mal inne, wenn er mit seinem Stab die nächste Stufe ertastete.

Geyah konnte Drek’Thars Eifer deutlich spüren; er wollte sich den Geistern öffnen und ihnen auf jede nur erdenkliche Weise helfen. Sie selbst begriff noch immer nicht wirklich, warum diese mächtigen Wesen auf einen isolierten Orc-Klan angewiesen sein sollten. Der Gedanke war gleichzeitig erhebend … und beunruhigend.

Tiefer und tiefer stiegen sie, den gewundenen Stufen folgend, und Geyah fühlte, wie die Luft wärmer wurde. Auch glaubte sie, ein schwaches Geräusch zu hören, das nach der langen, ungebrochenen Stille seltsam laut klang.

„Wasser“, sagte Drek’Thar, dessen Ohren den Laut schneller erkannten als ihre. „Es klingt nach einer Art Quelle.“ Geyah dachte an den geschmolzenen Schnee, den sie getrunken hatten, und bei der Vorstellung an eine gluckernde Quelle wurde ihr Mund plötzlich staubtrocken. Wie kühl und rein dieses Wasser sein musste, wie herrlich es wäre, die Minerale der Erde darin zu schmecken.

Sie gingen weiter, und die Luft auf ihren Gesichtern wurde zunehmend frischer, bis sie schließlich eine Ecke umrundeten und eine gewaltige unterirdische Halle am Fuß der Stufen erreichten.

Geyah sog laut den Atem ein.

„Beschreib es mir“, verlangte Drek’Thar. Seine Stimme klang beinahe flehend. Beinahe.

Sie blinzelte. Der Raum über ihnen war von erstaunlicher Schönheit gewesen, aber im Vergleich zu dem, was hier vor ihnen lag, wirkte diese Eishöhle wie eine dunkle, schmutzige Hütte. Sie öffnete den Mund, aber obwohl sie sich alle Mühe gab, wusste sie, dass Worte diese Wunder unmöglich beschreiben könnten.

Obwohl es sich unter der Erde befand, bestand das Gewölbe nicht aus einfacher Erde oder Stein. Vielmehr schien es aus solidem Kristall herausgehauen zu sein, sofern man es so nennen konnte. Es sah noch immer aus wie Eis, in Weiß und Blau und tausend Farbtönen dazwischen, und es war glatt und kühl, wenn man es berührte. Doch obwohl es so weit von der Sonne entfernt eigentlich unmöglich war, war dieser Raum, diese … Grotte von so strahlendem Licht erfüllt, dass ihre Augen sich erst blinzelnd an die Helligkeit gewöhnen mussten.

Vor ihr erstreckte sich ein Teppich gesunden, grünen Grases, hie und da besprenkelt mit Blumen in allen nur erdenklichen Farben. In der Mitte befand sich die Quelle, die sich ihnen bereits durch ihren fröhlichen, plätschernden Gesang offenbart hatte. Geyah fragte sich, ob dies womöglich das letzte Gras und die letzten Blumen in Draenor waren. Neben der Quelle lagen Äpfel und Beeren, Birnen und Kirschen und allerlei andere Früchte. Auch sie beschrieb die Wissenshüterin Drek’Thar, obwohl es eigentlich nicht nötig war: Ihr himmlischer Duft war deutlich wahrzunehmen, und nachdem Geyahs Kehle gerade noch so trocken gewesen war, lief ihr nun schlagartig das Wasser im Mund zusammen, als sich ihr Hunger bemerkbar machte. In einer Ecke des Gewölbes loderte etwas, das wie ein einladendes Kochfeuer aussah, aber Geyah stellte fest, dass kein Rauch davon aufstieg. Auch war da kein Holz, von dem sich die Flammen nähren könnten, und doch züngelten und tanzten sie vergnügt in der Luft.

Nachdem sie das ausgesprochen hatte, atmete Drek’Thar tief ein. Er drückte ihren Arm. „Zuerst müssen wir unsere Hände und Gesichter von dem Blut reinwaschen, das wir vergossen haben. Danach können wir uns an den Früchten und dem kühlen Nass laben, das Wasser und Erde uns anbieten. Wir werden uns am Geschenk des Feuers wärmen und die süße, frische Luft atmen. All diese Dinge werden uns nähren und stärken. Und dann – müssen wir lauschen.“

Wie benommen führte Geyah Drek’Thar zur Quelle hinüber. Sie tauchte ihre Hände hinein und begann, energisch ihre Haut zu schrubben, bis alles Blut, all die Spuren der Rotläufer, davon verschwunden waren. Das Wasser nahm das alte Blut und den Schweiß und die Erde in sich auf, und einen Moment lang war die Quelle trübe und dunkel. Doch dann begann der Schmutz zu verschwinden, und das Wasser war wieder so rein, als wäre es niemals befleckt worden.

Drek’Thar nahm das Stofftuch ab, das er benutzte, um seine Augen vor der Welt zu verbergen. Geyah hatte den Schamanen bereits gekannt, als er noch im Besitz seiner Sehkraft gewesen war, aber seit dem Wolfsangriff hatte er stets darauf geachtet, dass niemand außer Palkar seine Narben sah. Nun, zum ersten Mal seit jener fürchterlichen Schlacht, konnte sie das ganze Gesicht ihres Freundes sehen, und es brach ihr das Herz. Sie konnte nicht anders, als die runzligen Narben anzustarren. Das eine Auge war völlig zerstört, das andere stierte blicklos vor sich hin, während Drek’Thar seine Hände, seine Arme und sein Gesicht wusch. Einen atemlosen, hoffnungsvollen Moment lang fragte sie sich, ob die Geister dem Schamanen wohl sein Augenlicht wiedergeben würden. Doch alles, was Geyah sah, war ein sanftes Lächeln auf seinen Zügen, als die Anspannung von ihm abfiel.

Tränen brannten in ihren Augen, während sie ihre gereinigten Hände in das Wasser tauchte und gierig davon trank. Es war kühl und süß und löschte ihren Durst bereits, während sie schluckte. Anschließend griff sie nach den Früchten, die im Gras lagen. Doch obwohl sie völlig ausgehungert war, wollte sie sie fast nicht essen, so perfekt sahen sie aus.