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Grukag hatte jenen Zweikampf gewonnen. Durotan erinnerte sich noch daran, wie sein Herz gegen seine Brust gepocht hatte, wie sein Blut durch die Adern gepumpt worden war. Nie zuvor hatte er sich so lebendig gefühlt. Wenn er selbst kämpfte, hatte er keine Zeit nachzudenken, aber jemand anderen beim Kampf zu beobachten, das war eine völlig andere Erfahrung.

Doch als es vorbei war, als Grukag einen Siegesschrei der Frostwölfe angestimmt hatte, während er im blutgetränkten Schnee stand, da hatte Durotan nicht nur seine Euphorie geteilt, sondern auch eine andere, seltsame Emotion verspürt. Erst später war ihm klargeworden, dass es sich dabei um Trauer gehandelt hatte. Der andere Orc war stark und stolz gewesen, aber letztlich war der Stolz größer gewesen als die Stärke, und die Donnerfürsten kehrten mit einem Krieger weniger nach Hause zurück, der Nahrung beschaffen könnte. Nun herrschte eine eisige Kälte zwischen den Klans; Durotan hatte nicht einmal Gelegenheit gehabt, sich von Kovogor zu verabschieden.

Doch es schien, als würde es heute kein Mak’gora geben: Gul’dan seufzte lediglich und schüttelte den Kopf.

„Du glaubst es vielleicht nicht, Garad, Sohn von Durkosh, aber es bekümmert mich, dass ich weiß, was geschehen wird. Die Frostwölfe sind stolz und ehrenvoll, aber nicht einmal ihr habt eine Chance gegen das, was euch bevorsteht. Euer Volk wird entdecken, dass Stolz und Ehre nichts wert sind, wenn es nichts zu essen oder kein trinkbares Wasser oder keine atembare Luft gibt.“

Er griff in die Falten seiner Robe – und zog ein Messer hervor.

Angesichts dieses Betrugs drang wütendes Gebrüll aus den Kehlen der versammelten Orcs.

Halt!

Geyahs Stimme duldete keinen Widerspruch, als sie vorsprang und Gul’dan vor jedem abschirmte, der ihn angreifen mochte. Der Hexenmeister war schlau genug, mitten in der Bewegung zu verharren.

Was macht sie da?, wunderte sich Durotan. Sein Körper schrie danach, sich auf den grünen Orc zu stürzen, aber er hielt sich zurück, ebenso wie die anderen es taten.

Geyahs Blick streifte über die Menge. „Gul’dan kam unter dem Banner des Parley hierher“, rief sie. „Was er tut, gehört zum Ritual. Wir werden ihn gewähren lassen … was immer wir auch von ihm halten.“

Ihre Lippen kräuselten sich, dann machte sie einen Schritt zurück, damit Gul’dan seine Bewegung zu Ende führen und die gefährlich aussehende Klinge zücken konnte. Garad war augenscheinlich auf diesen Moment vorbereitet gewesen, und nun sah er zu, wie der Hexenmeister den Kopf neigte und seinen Arm ausstreckte, die Klinge auf der offenen Handfläche balancierend.

„Ich biete dir, der du mein Leben in der Hand hältst, den Test der Klinge an“, sagte Gul’dan. „Sie ist so scharf wie ein Wolfszahn, und ich werde mich ihrer Entscheidung beugen.“

Durotan beobachtete gebannt, wie sich die großen Finger seines Vaters um das Messer schlossen – Finger, die einst einen Talbuk erwürgt hatten, nachdem ihm das Tier bei seinem Ansturm den Speer aus der Hand geschlagen hatte. Der Feuerschein glänzte auf der langen Klinge. Garad hielt sie hoch, damit alle sie sehen konnten, anschließend zog er sie über die Innenseite seines Unterarms. Rötlich schwarzes Blut quoll hinter der Messerspitze aus seiner Haut, und der Häuptling ließ es auf den Boden tropfen.

„Du kamst mit einer scharfen Klinge hierher, einer Klinge, die mir das Leben hätte nehmen können, aber du hast sie nicht benutzt“, sagte er. „Das ist wahres Parley. Ich akzeptiere diese Klinge als Bestätigung deiner Absichten, und ich habe mein Blut vergossen, um zu zeigen, dass du diesen Ort sicher verlassen kannst.“

Seine Stimme hallte laut und klar durch die kalte Nacht, schwer vom Gewicht seiner Worte. Einen Moment ließ er diese Worte noch in der Luft hängen.

„Jetzt verschwinde.“

Erneut spannte Durotan die Muskeln, ebenso wie Orgrim neben ihm. Dass Garad mit so offener Verachtung reagierte, zeigte seinem Sohn, wie tief Gul’dans Angebot den Häuptling der Frostwölfe beleidigt hatte. Gewiss würde der Hexenmeister gegen diese Unhöflichkeit protestieren.

Doch auch jetzt nickte der grüne Orc nur akzeptierend. Er stemmte seinen grässlichen Stab fest gegen den Boden und erhob sich, wobei seine widernatürlich glühenden Augen einen Moment lang die stumme, feindselige Menge der Frostwölfe musterte. Anschließend trat er vor und zog an der Kette, welche zum Halsband des weiblichen Orc-Dings führte. Sie erhob sich mit geschmeidiger Anmut, und als sie an Durotan vorbeiging, begegnete sie ungeniert seinem Blick.

Ihre Augen waren wild und wunderschön.

Was bist du … und was bist du für Gul’dan? Vermutlich würde er niemals die Antwort darauf erfahren.

Die Frostwölfe machten dem Hexenmeister Platz – nicht aus Respekt, wie Durotan erkannte, sondern vielmehr, weil sie keinerlei körperlichen Kontakt mit ihm haben wollten, so, als könnte es schädlich sein, jemanden wie ihn zu berühren, der auf der Seite des Todes stand.

„Tja“, sagte Orgrim mit einem Schnauben, als das Paar zu seinen wartenden Wölfen ging. „Und wir hatten ein langweiliges Festessen zur Feier der Jagd erwartet.“

„Ich glaube, meine Mutter hätte liebend gern ihn anstelle des Grollhufs gebraten“, murmelte Durotan. Er blickte dem grünen Orc und seiner Sklavin nach, bis die Dunkelheit sie verschluckte, dann wandte er sich zu Drek’Thar um. Seine Haut prickelte.

Der blinde Schamane stand so reglos, als wäre er aus Stein, sein Kopf auf die Seite gelegt, wie um auf etwas zu lauschen. Die Aufmerksamkeit der anderen war noch immer auf die davonreitenden Fremden gerichtet, und Durotan war sicher, dass er als Einziger die Tränen sah, die den Stoff über Drek’Thars blicklosen Augen benetzten.

4

»Drei ganze Sonnen sind seit dem Parley vergangen, und trotzdem scheint niemand über etwas anderes reden zu können«, beklagte sich Orgrim, während er grimmig und mit langem Gesicht auf Beißers Rücken saß.

„Und du scheinst keine Ausnahme zu sein“, stellte Durotan fest. Orgrim blickte mürrisch drein und verstummte, aber er wirkte auch ein klein wenig verlegen. Die beiden waren eine Wegstunde vom Dorf entfernt auf der Suche nach Feuerholz – nicht die schlimmste Aufgabe, die man haben konnte. Natürlich war es nicht so aufregend wie die Jagd, dafür aber notwendig. Feuerholz hielt den Klan im Winter am Leben, und es dauerte eine Weile, bis es richtig gealtert und getrocknet war.

Doch Orgrim hatte recht. Garad hatte offensichtlich viel über den Besuch nachgedacht. Er war am Morgen darauf nicht aus seiner Hütte gekommen, nur Geyah. Als sie im Vorbeigehen Durotans neugierigen Blick bemerkt hatte, hatte seine Mutter gesagt: „Gul’dans Worte haben deinen Vater beunruhigt. Er hat mich gebeten, Drek’Thar zu holen. Wir wollen gemeinsam besprechen, wie der Besuch des grünen Fremden die Geister beeinflussen wird, und wie wir unsere Traditionen am besten einsetzen sollten.“

Für eine Frage, die nur aus einer hochgezogenen Augenbraue bestanden hatte, war das eine sehr ausführliche Antwort gewesen, und Durotan hatte sich sofort alarmiert gefühlt. „Ich werde ebenfalls zu dem Treffen kommen“, hatte er erklärt. Geyah hatte den Kopf geschüttelt, wobei ihre mit Knochen und Federn verflochtenen Haare hin und her gewirbelt waren.

„Nein. Es gibt andere Pflichten, um die du dich kümmern musst.“

„Ich dachte, Vater wäre nicht an Gul’dans Vorschlag interessiert“, hatte Durotan gesagt. „Und jetzt sagst du mir, dass es eine Besprechung gibt. Als Sohn und Erbe sollte ich dabei sein.“

Erneut hatte sie abgewinkt. „Es ist nur eine Unterhaltung, mehr nicht. Falls nötig, werden wir dich dazuholen, mein Sohn. Und wie gesagt, du hast andere Pflichten.“

Feuerholz sammeln. Zugegeben, ein Häuptling musste bereit sein, jede Aufgabe zu übernehmen, die auch irgendein anderes Mitglied des Klans erfüllen würde. Die Frostwölfe glaubten, dass jeder eine Stimme hatte und wertvoll war. Aber trotzdem … Irgendetwas ging hier vor sich. Durotan wurde ausgeschlossen, und das gefiel ihm nicht.