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Seine Gedanken kehrten zurück zu dem Tag während seiner Kindheit, als man ihm gesagt hatte, er solle losgehen und Holz für das Kochfeuer sammeln. Er hatte sich laut beschwert, weil er lieber mit Orgrim den Schwertkampf üben wollte, und Drek’Thar hatte ihn gescholten: „Es ist leichtsinnig und gefährlich, Bäume zu beschneiden, wenn wir kein Holz für große Hütten brauchen“, so die Worte des Schamanen. „Der Geist der Erde mag das nicht. Er gibt uns genug Zweige für unsere Zwecke, und ihre Nadeln sind trocken und fangen schnell Feuer. Nur faule, kleine Orcs würden jammern wie Wolfswelpen, bloß, weil sie ein paar Schritte mehr machen müssen, um den Geist zu ehren.“

Als Sohn des Häuptlings hatte es Durotan natürlich nicht gefallen, ein fauler, kleiner Orc genannt zu werden, der jammerte wie ein Wolfswelpe, also war er losgegangen und hatte getan, was von ihm verlangt worden war. Später, als Erwachsener, hatte er Drek’Thar gefragt, ob er damals die Wahrheit gesagt hätte.

Ein Lachen war über die Lippen des Schamanen gekommen. „Es stimmt, dass es leichtsinnig und gefährlich ist, einen Baum zu beschneiden“, hatte er gesagt. „Vor allem, wenn man ihn zu nahe bei unserem Dorf fällt und so Fremde auf unsere Anwesenheit aufmerksam macht. Aber … ja. Ich glaube, es ist respektlos. Du etwa nicht?“

Durotan hatte ihm zugestimmt, dann aber nachgeschoben: „Decken sich die Regeln des Geistes immer mit dem, was der Häuptling will?“

Drek’Thars breiter Mund hatte sich zu einem Lächeln verzerrt. „Nur manchmal.“

Jetzt, da er neben Orgrim dahinritt, kam Durotan ein Gedanke. Bäume beschneiden …

„Gul’dan meinte, wenn die Orcs im Süden Bäume fällen, riecht es … falsch.“

„Und, wer redet jetzt über Gul’dan?“, spöttelte sein Freund.

„Im Ernst … Was, glaubst du, bedeutet das? Und der Blutapfel … Er hat uns gezeigt, dass die Kerne fort waren.“

Orgrim zuckte mit seinen breiten Schultern und deutete auf ein Wäldchen vor ihnen. Durotan sah die dunklen Skelette abgebrochener Äste, die auf einem Kissen aus vertrockneten, braunen Nadeln lagen. „Wer weiß? Vielleicht haben die Bäume im Süden entschieden, dass sie nicht länger gefällt werden wollen. Und was den Apfel angeht: Ich habe schon ein paar gegessen, die keine Kerne hatten.“

„Aber woher hätte er es wissen können?“, beharrte Durotan. „Hätte er den Apfel aufgeschnitten, und da wären Kerne gewesen, hätte man ihn lachend aus dem Dorf gejagt. Nein, er wusste, dass der Apfel keine Kerne hat.“

„Vielleicht hat er die Frucht vorher schon aufgeschnitten.“ Orgrim sprang von Beißer und öffnete die leere Seitentasche, um sie mit Holz zu füllen. Beißer begann, sich im Kreis zu drehen, weil er dem Orc das Gesicht ablecken wollte, und Orgrim war gezwungen, der Bewegung zu folgen. Er lachte leise. „Beißer, hör auf! Wir müssen dich beladen.“

Auch Durotan lachte. „Als Tänzer bist du nicht gerade …“ Die Worte erstarben auf seinen Lippen. „Orgrim.“

Der andere Orc war sofort alarmiert, als er die Veränderung in Durotans Stimme hörte, und folgte seinem Blick. Einige Schritte entfernt, fast verborgen zwischen dem graugrünen Nadelkleid der Zweige, prangte ein heller Fleck in der Borke eines Baumes. Jemand hatte einen Ast abgeschlagen.

Die beiden hatten zusammen gejagt, seit sie laufen konnten; sie hatten imaginäre Beute und Spielzeuge aus Leder gejagt. Sie verstanden einander auf eine Weise, die keiner Worte bedurfte. Jetzt wartete Orgrim angespannt und wortlos darauf, dass der Sohn seines Häuptlings ihm sagte, was zu tun sei.

Sieh stets genau hin, hatte Durotans Vater ihn gelehrt. Der Ast war nicht abgebrochen oder abgedreht, sondern abgehackt worden. Das bedeutete, wer immer dahintersteckte, hatte Waffen. Und da noch immer bernsteinfarbenes Harz aus dem Schnitt blutete, konnte es noch nicht allzu lange her sein. Der Schnee unter dem verletzten Baum war aufgewühlt.

Einen Moment lang stand Durotan reglos da und lauschte, aber alles, was er hörte, war das leise Seufzen des kalten Windes und das Rascheln der Kiefernnadeln, das darauf antwortete. Der unverwechselbare Geruch von Fell füllte seine Nase, als er tief einatmete. Und da war noch etwas, ein angenehmes moschusartiges Aroma – nicht etwa der seltsam blumenartige Duft von Draenei, sondern der Geruch anderer Orcs.

Überlagert wurden diese beiden bekannten Gerüche von einem dritten, der deutlich hervorstach: dem metallischen Gestank von Blut.

Er drehte sich zu Scharfzahn um und legte eine Hand auf die Schnauze des Wolfes. Gehorsam und ebenso leise wie sein Meister legte sich das Tier in den Schnee. Er würde sich nicht bewegen oder heulen, es sei denn, sie würden angegriffen oder Durotan rief nach ihm.

Beißer war nicht weniger gut abgerichtet als Scharfzahn und gehorchte Orgrim folgsam, als dieser Durotans Geste nachahmte. Beide Wölfe beobachteten aus intelligenten, goldenen Augen, wie ihre Meister vorsichtig weitergingen. Dabei machten die Orcs einen Bogen um größere Schneehaufen, da diese Äste verbergen könnten, die unter ihren Schritten zerbrechen und ihre Gegenwart verraten würden.

Die einzigen Waffen, die sie dabei hatten, waren ihre Beile, die Zähne ihrer Wölfe und ihre eigenen Hände – mehr als ausreichend, um einer gewöhnlichen Bedrohung Herr zu werden. Dennoch wünschte sich Durotan, er würde jetzt eine Streitaxt oder einen Speer halten.

Sie bewegten sich auf die verletzten Bäume zu. Durotan berührte eine der harzweinenden Wunden, dann deutete er auf den niedergetrampelten Schnee. Die Eindringlinge hatten nicht einmal versucht, unauffällig vorzugehen. Nein, diesen Orcs war egal gewesen, ob irgendjemand ihre Spuren entdeckte. Durotan bückte sich, um sich die Abdrücke genauer anzusehen, und Orgrim tat ein paar Schritte entfernt dasselbe. Nach einer kurzen, aber gründlichen Untersuchung hielt Durotan vier Finger in die Höhe.

Sein Freund schüttelte den Kopf und deutete eine andere Zahl an. Er brauchte beide Hände dafür.

Sieben.

Durotan schnitt eine Grimasse. Er und Orgrim waren auf dem Höhepunkt ihrer Körperkraft, gesund, schnell und stark. Hätten sie es mit zwei, drei oder vier anderen Orcs zu tun gehabt, wäre er nicht weiter besorgt gewesen, auch, wenn sie nur ihre Beile hatten. Doch sieben …

Orgrim blickte ihn an und deutete tiefer in das Wäldchen hinein. Er war noch immer genauso kampflustig, wie er es bei seiner Geburt gewesen war, und wollte die Eindringlinge so schnell wie möglich stellen, aber Durotan schüttelte langsam den Kopf. Sein Freund zog daraufhin die Brauen zusammen und verlangte wortlos nach einer Erklärung.

Es würde sicher ein schönes Lok’vadnod abgegeben, und Durotan wäre geehrt, falls seine Taten nach tapferem Tod in Liedern besungen würden, aber er und Orgrim waren zu nahe beim Dorf. Er hob die Arme, so, als würde er ein kleines Kind wiegen, und Orgrim nickte widerwillig.

Sie kehrten zu ihren Wölfen zurück, die noch immer still im Schnee lagen. Durotan musste sich zurückhalten, um nicht sofort aufzusteigen. Stattdessen vergrub er eine Hand im weichen, dichten Fell an Scharfzahns Kehle. Das Tier erhob sich mit langsam wedelndem Schwanz und ging mehrere Schritte neben Durotan her, bis das Wäldchen hinter ihnen zurückblieb, und mit ihm die Gefahren, die es bergen mochte. Erst, als er sicher war, dass niemand sie gehört hatte und sie nicht verfolgt wurden, sprang er auf Scharfzahns Rücken und drängte den Wolf, zum Dorf zurückzurennen, so schnell seine mächtigen Beine ihn tragen konnten.

Durotan ging direkt zur Häuptlingshütte und stieß die Tür auf, ohne sein Kommen anzukündigen. „Vater, da sind Fremde, die …“

Die Worte erstarben auf seinen Lippen.

Die Hütte des Häuptlings war, den Gesetzen des Klans entsprechend, die größte ihm Dorf. Eine Wand wurde von einem Banner bedeckt, und in einer Ecke standen Garads Rüstung und Waffen, während in einer anderen ordentlich gestapelte Kochutensilien und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs lagen. Eine dritte Ecke beherbergte normalerweise die zusammengerollten Schlaffelle, damit sie der Familie tagsüber nicht im Weg herumlagen.