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„Ihr habt einen Gefangenen gemacht“, sagte Khadgar.

„Genau wie du“, entgegnete Lothar. „Hast du das Monster ganz allein geschnappt?“

„Ja.“

Einen Moment lang wirkte Lothar beeindruckt, doch dann wandelte sich seine Miene, als er Khadgars Geisel musterte. „Scheinst den Kleinsten der Meute erwischt zu haben.“

Khadgar seufzte.

8

Der junge Mensch war Garona wie leichte Beute vorgekommen. Ihr war nicht klar gewesen, dass er die Magie beherrschte, und das auch noch so fachkundig. Dieser Fehler war sie teuer zu stehen gekommen. Jetzt holperte sie in einem verschlossenen Wagen dahin; ihr gegenüber kauerte ein blutender, angeschlagener Orc-Krieger in Ketten und starrte sie finster an. In der Enge ihres Gefängnisses fragte sie sich, ob es vielleicht besser gewesen wäre, wenn sie mit Durotan gegangen wäre? Womöglich wäre er bereit gewesen, sie vor Gul’dan zu verstecken. Aber nein – dafür war er zu ehrenhaft. Er hätte sich dazu verpflichtet gefühlt, Gul’dan von ihr zu erzählen. Und mehr als nach allem anderen, verlangte es Garona danach, einen möglichst großen Abstand zwischen sich und den Hexenmeister zu bringen. Was auch immer die Menschen ihr antun würden, konnte nicht schlimmer sein.

Über das Rumpeln der Räder und das Hufgeklapper der Reittiere hinweg rief ihnen einer der Menschen – der Mann, der die laute Waffe benutzt hatte – etwas zu.

„Du da! Was bist du?“

Der Orc gegenüber von Garona sah ihn an und wandte Garona dann den Rücken zu.

Auch sie schwieg. Der Mensch, der auf dem Rücken seines Tieres neben ihnen herritt und sie durch die Gitterstäbe des Karrens ansah, fuhr fort.

„Warum überfallt ihr unsere Lande?“

Einen Moment lang saß Garona da und dachte nach. Wägte ihre Möglichkeiten ab. Dann sagte sie in der Zunge der Menschen: „Er versteht nicht, was du sagst.“

Der Mensch wandte sich ihr zu, wachsam wie ein Raubtier. Seine Augen waren … blau, sein Haar und sein Bart blass, mehr wie Sand denn wie Erde. „Du sprichst unsere Sprache!“

Ein scharfes Klirren ertönte, als sich der blutige Orc mit einem Satz auf Garona stürzen wollte und von seinen Ketten zurückgerissen wurde. „Sag noch ein Wort in ihrer Sprache, Sklavin, und ich trage deine Zunge um den Hals“, grollte der Orc.

„Was hat er gesagt?“, wollte der Mensch wissen.

„Es gefällt ihm nicht, dass ich mit dir rede“, sagte Garona.

Der Frostwolf war jetzt außer sich vor Zorn und zerrte von Neuem wütend an seinen Ketten; die Adern an seinem Hals standen vor wie Seile. „Ich warne dich nicht noch einmal“, knurrte er, ehe er auch schon wieder mit einem wütenden Brüllen vorsprang und sich mühte, Garona zu fassen zu bekommen. Das Metall ächzte protestierend. Garona atmete hastig ein, und ihre Augen weiteten sich. Auch der Mensch sah, was vorging.

„Sag ihm, er soll aufhören …“, begann er.

„Sag du’s ihm doch“, gab Garona scharf zurück.

Ein letzter Vorstoß, und diesmal brachen die Ketten aus dem Holz, in dem sie verankert waren. Der Frostwolf langte nach ihrer Kehle, den Mund zu einem zornigen Schrei aufgerissen. Garona wich zurück, so weit sie konnte, doch das würde nicht genügen …

Dann röchelte der Orc mit einem Mal und erstarrte. Braunes Blut sickerte ihm aus Kehle und Mund, um über die helle Klinge zu rinnen, die jetzt zur Hälfte in ihm steckte. Das Licht in seinen Augen erlosch, und als der Mensch sein Schwert herauszog, sackte der Frostwolf so tot nach vorn, wie man nur sein konnte.

Garona starrte ihren Retter beeindruckt an. Irgendwie war er sowohl flink als auch stark genug gewesen, um von seinem Reittier zu springen und den Frostwolf durch die Gitterstäbe hindurch gerade noch rechtzeitig zu erschlagen. Jetzt sah er sie erneut mit diesen seltsamen blauen Augen an.

„Gern geschehen“, sagte er.

„Hast du einen Namen?“, fragte Llane die fremdartige Gefangene.

Lady Taria stand zusammen mit Lothar, Khadgar, Callan und einigen der Leibwächter ihres Gemahls im Thronsaal, wenn auch ein wenig abseits. Sie konnte nicht anders, als die Gefangene anzustarren, die Lothar und Khadgar hergeschafft hatten. Sie wirkte so menschlich … zumindest, wenn man davon absah, dass sie kein Mensch war. Sie war von menschlicher Form und Größe und wäre sogar recht hübsch gewesen, wären da nicht die kleinen Stoßzähne gewesen, die aus ihrem Unterkiefer ragten.

Sie blutete hier und da aus kleineren Wunden und hatte dort, wo die Handschellen scheuerten, hässliche, eitrige Schürfmale auf ihrer grünen Haut. Das bisschen, was sie an Kleidung trug, war schmutzig und zerrissen. Ihr dickes schwarzes Haar war verfilzt, ihr abgemagerter Leib mit Dreck beschmiert. Und dennoch stand sie da, als wäre sie hier die Königin und nicht Taria. Ihr Rückgrat war durchgedrückt, ihr Verhalten ruhig. Diese Frau mochte vielleicht in Ketten liegen, doch sie war weder gezähmt noch gebrochen.

„Du verstehst unsere Sprache“, sagte Llane, wie um sie daran zu erinnern, dass sie dies inzwischen wussten. „Also noch einmaclass="underline" Hast du einen Namen?“ Er stieg die Stufen von seinem Thron hinab. Die Gefangene trat kühn auf ihn zu. Einer der Wachleute setzte sich in Bewegung, die Hand auf dem Knauf seines Schwertes, doch Llane bedeutete ihm mit einer Geste, zu bleiben, wo er war. Die grüne Frau strich über die Tunika des Königs, ließ ihre Finger über die Löwenkopffibeln gleiten und ging dann weiter nach oben, zum mächtigen Thron von Sturmwind.

„Garona“, sagte Lothar. Er saß auf der obersten Stufe, und seine Blicke folgten der Frau, als sie an ihm vorbeischritt. „Sie nennt sich Garona.“

„Garona“, wiederholte Llane und wandte sich an sie direkt, als sie sich vorbeugte, um den lebensgroßen, goldenen Löwen am Fuß des Throns zu berühren. „Was für eine Art von Geschöpf bist du?“

Garona antwortete nicht; stattdessen schnüffelte sie an dem goldenen Tier. Ihre dunkelbraunen Augen studierten den Saal und alle darin. Neugierig? Ängstlich? Abschätzend? Taria vermochte es nicht zu sagen.

„Sie wirkt eher wie eine von uns und nicht wie diese … Bestien, gegen die wir gekämpft haben“, sagte einer der Soldaten.

Seine Worte ließen Garona bei ihrer Erkundung des Saals innehalten. „Orc“, sagte sie.

Llane runzelte die Stirn. „Orc? Ist es das, was du bist? Oder meinst du damit das Monster in dem Käfig?“ Als Garona nichts darauf erwiderte, musterte er sie eingehend von oben bis unten. Einige hätten dies für eine Einschüchterungstaktik gehalten oder vielleicht für eine Geste der Verachtung. Taria hingegen wusste genau, was dies war. Als Llanes Vater getötet worden war und er den Thron bestiegen hatte, hatte ihr Gemahl geschworen, alles zu lernen, was es zu lernen gab, nicht bloß über das Königreich, über das er herrschen würde, sondern ebenso über die Welt, in der es lag. Das, was jetzt vor ihm stand, war etwas vollkommen Neues. Er war davon fasziniert, und Taria wusste nur zu gut, wie sehr es ihn schmerzte, die Anwendung von Gewalt gegen Geschöpfe zu erlauben, die in seinen Augen so erstaunlich und bemerkenswert waren. Ihr fiel auf, dass der junge Magier ebenfalls von enthusiastischer Neugierde erfüllt zu sein schien, so, als hätte er alle Mühe, die Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, nicht laut auszusprechen. Vielleicht war dies aber auch einfach dem Umstand geschuldet, dass er ein junger Mann und das Wesen vor ihnen von fremdartiger Schönheit war.

„Ich kenne jede Rasse in den Sieben Königreichen, doch von einem Orc habe ich noch nie etwas gehört.“ Llane wies in Richtung der Decke. Hoch über ihren Köpfen war eine detaillierte Karte von Azeroth aufgemalt, mitsamt all seinen Inseln und Kontinenten, mit allen Reichen und Ozeanen. Mit allem, was über ihre Welt bekannt war. Allerdings gab es Flecken, die bislang noch unerforscht waren, große Flächen offener, unergründeter Geheimnisse. „Zeig mir, wo du herstammst, Garona.“

Die Orcin legte ihren Kopf in den Nacken und studierte die Karte. Sie runzelte die Stirn und schüttelte dann den Kopf.