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Er versuchte, etwaige Fehler, die er womöglich gemacht haben könnte, zu beheben. „Sobald sich das Portal öffnet, werden wir als Erstes diese Stadt einnehmen.“ Er sah die Gestalt unverwandt an. „Und dann benennen wir sie … nach Euch.“

11

Lothar hatte geglaubt, auf alles gefasst zu sein, das ihn erwarten mochte. Doch er hatte sich getäuscht. Als er jetzt neben Garona und den anderen stand, die auf das entsetzliche Panorama hinabblickten, das sich unter ihnen ausbreitete, war Lothar ebenso fassungslos wie angewidert. Krieg war niemals eine saubere Angelegenheit. Krieg war niemals so, wie man ihn sich vorstellte, wenn man eine von Llanes Karten studierte, selbst wenn die Strategie klug und der Sieg gewiss waren. Aber das hier …

Zelte übersäten die Landschaft, Hunderte, nur unterbrochen von Wachtürmen und größeren Bauwerken. Außerdem waren da Käfige. Nicht so viele zwar, wie er anfangs befürchtet hatte, doch immer noch genug, dass Lothar die Hände vor Zorn zu Fäusten ballte. Die Käfige waren voller Menschen: Männer, Frauen, sogar Kinder. Hierher hatte man sie also verschleppt – man hatte sie eingefangen und fortgeschafft wie Vieh, während ihre Häuser niederbrannten.

Und weiter hinten gewaltige, gemeißelte Gesteinsbrocken, die von den körperlich starken Orcs herumgeschleppt wurden und in einem bestimmten Muster angeordnet worden waren, mit einer flachen, ebenen Basis, wie das Fundament eines Gebäudes – oder etwas noch viel Schlimmeres.

„Das Große Tor“, sagte Garona und wies auf die Steine.

„Wozu brauchen sie so viele Gefangene?“, fragte Lothar. Die Brise fing sich in Garonas schwarzem Haar und spielte damit. Während sie sprach, wich ihr Blick nicht von dem grässlichen Bild, und ihre Worte sorgten dafür, dass Lothar das Herz schwer wurde.

„Sie sind wie Holz fürs Feuer“, erklärte sie. „Die grüne Magie nimmt Leben, um das Tor zu öffnen.“

Unwillkürlich schweifte Lothars Blick zu der Szene unter ihnen zurück. „Wie viele Orcs wollen sie denn noch herholen?“

Ihre Antwort war einfach und eindeutig. „Alle, die es gibt.“ Sie wies mit einer Geste auf das Lager. „Das hier … Das ist bloß der Kriegstrupp. Sobald das Portal erst einmal offen ist, bringt Gul’dan die Horde her.“

Und mit einem Mal begriff Lothar, dass das, was er unterbewusst die ganze Zeit über gefürchtet hatte, aber nicht hatte wahrhaben wollen, schreckliche Gewissheit war. Diese Hunderte von Zelten waren im Grunde bloß der Anfang …

Eine ganze Horde sollte noch folgen.

„Schaff die beiden zurück nach Sturmwind“, schnappte er, an Karos gewandt, bereits auf dem Weg zu seinem Pferd. „Varis und ich reiten voraus.“

Garona blickte Lothar und Varis nach, die im Galopp davonritten. Gedanken umwölkten ihren Verstand. Tat sie wirklich das Richtige? Warum empfand sie den Orcs gegenüber überhaupt irgendeinen Rest an Loyalität? Sie hatten ihre Mutter ermordet, und Gul’dans Wille allein hatte sie selbst vor dem Feuer bewahrt. Er hatte sie Lesen und Schreiben gelehrt und ihr befohlen, Studien zu betreiben und andere Sprachen zu lernen. Trotzdem war sie immer eine Sklavin gewesen. Stets in Fesseln, stets verspottet oder angespuckt.

Auch wenn einige wenige nicht so zu ihr gewesen waren. Jedes Mal, wenn sie voller Hass auf ihr sogenanntes „Volk“ war, das sie schlecht behandelte, dachte sie an Durotan, der den Seinen eine Stimme der Vernunft war, und an sein Weib Draka, die ihr mit Güte und Fürsorge begegnet war. Andere Orcs mochten kränkliche Kinder unmittelbar nach der Geburt ertränken, doch die Frostwölfe gaben ihren schwächeren Mitgliedern zumindest eine Chance, sich in den Augen des Clans als würdig zu erweisen. Draka selbst war dafür das beste Beispiel, und am Ende hatte sie es zur Gefährtin des Häuptlings gebracht.

Als Durotan sie befreit und ihr die Hand entgegengestreckt hatte, hatte Garona gezögert. Denn sie wusste, dass Gul’dan sie einfach wieder für sich beansprucht hätte, wenn sie mit ihm zurückgekehrt wäre. Und in jenem Moment hatte Garona zum ersten Mal wahre Freiheit gekostet und für sich entschieden, dass sie lieber sterben würde, als sie wieder aufzugeben.

Sie dachte an Königin Taria, die sie sogar noch freundlicher behandelt hatte als Draka. Natürlich: Taria wollte etwas von ihr. Das war Garona vollkommen klar. Sie wollte ihr Volk retten. Genau wie die Orcs – die dies jedoch taten, indem sie alle umbrachten, die keine Orcs waren. Zuerst die Draenei, jetzt die Menschen. Sie dachte an Khadgar; noch ein Welpe und so begierig, doch mit einer Macht gesegnet, die sie respektierte, ohne sie wirklich zu verstehen.

Und … sie dachte an Lothar. Er hatte sie vor dem tobenden Frostwolf gerettet. Zwar war er ihr gegenüber nicht so überfreundlich gewesen wie Taria, doch Garona hatte Verständnis für sein Misstrauen. Sie wusste genug über die Dunkelheit, um zu erkennen, wenn sie jemanden berührt hatte, und Anduin Lothar wandelte fraglos mit den Schatten. Sie hatte den Schmerz in seinen Augen gesehen, als er in der vergangenen Schlacht einige seiner Männer verloren hatte, und sein Entsetzen beim Gedanken an die unschuldigen Bauern, die von den Orcs gefangen gehalten wurden, ihre Leben nichts weiter als Nährstoff für noch mehr Orc-Zerstörung. Er war … gut, entschied sie.

Und er hatte Sinn für Humor. Sie erinnerte sich an den Begriff, den Lothar für Khadgar verwendet hatte: „Bücherwurm“. Lächelnd drehte Garona sich um, um den jungen Magier anzusehen …

Ein Orc stand im Schatten der Baumäste. Er hatte sich Khadgar unter einen Arm geklemmt, und seine massige Hand lag über dem Mund des Jungen. Der junge Magier starrte Garona mit großen, verängstigten Augen an. Ein paar Schritte entfernt lag Karos, bewusstlos, aber am Leben.

„Durotan!“, keuchte Garona.

Der Orc grunzte bestätigend. „Im Norden ist ein schwarzer Felsen, der den Himmel berührt. Dort treffe ich mich mit ihrem Anführer.“

Ein Splitter der Furcht durchfuhr sie. „Um ihn zum Kampf zu fordern?“ Sie war überrascht darüber, wie sehr sie nicht wollte, dass Llane starb – oder Durotan, was das betraf.

Der Orc schüttelte den Kopf. „Ich habe gesehen, dass du die Kleinzähne zu unserem Lager geführt hast“, sagte er und trat näher, ohne Khadgar loszulassen, doch zumindest hielt er ihn mit Bedacht in seinem Griff. „Jetzt haben sie gesehen, was wir bauen, doch allein du weißt, was Gul’dan für mein Volk geplant hat.“ Seine Augen bohrten sich in ihre, und als er weitersprach, klang es, als würden die Worte ihn innerlich zerreißen. „Du hast uns gewarnt, Garona. Du hast uns gesagt, dass er dunkel und gefährlich ist. Letzten Endes kam ich allein aus dem einen, einzigen Grund hierher in diese Welt, weil es tatsächlich keine andere Wahl gab.“

Garona wusste, das er recht hatte. Wäre es nur um ihn selbst gegangen, hätte sich Durotan womöglich für den Tod entschieden, doch diesen Luxus hatte er nicht. Er war ein Häuptling, und das bedeutete, dass er so gut für seinen Clan sorgen musste, wie er eben konnte.

„Diese Magie ist der Tod“, sagte er. „Für alle Dinge. Sie muss aufgehalten werden.“

Dann hatte er es also gesehen. Er wusste Bescheid. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke, ehe Durotan nickte. „Sag es ihm. Der schwarze Felsen. Wenn die Sonne am höchsten steht.“

„Das tue ich“, versprach Garona.

Durotan nickte von Neuem, ohne dass ihm bewusst zu sein schien, dass er soeben alles auf den Kopf gestellt hatte, was Garona von ihrem Leben erwarten zu können glaubte. Wenn Gul’dan fiel …

Sie preschte vor. „Häuptling! Wenn ich zurückkomme, würdest du mich dann in deinen Clan aufnehmen?“

Durotans Blick schweifte zu ihrer Kehle, zu ihren Händen. Zu einer Kehle und Händen, die frei von Ketten waren. „Hier bist du sicherer. Bei ihnen.“