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„Und das bereitet dir Sorge“, sagte er stattdessen.

„Er ist ein großer Krieger“, erklärte sie. Ihre Wangen färbten sich fast unmerklich eine Spur dunkler. „Er verteidigt sein Volk nach besten Kräften.“

Ah, dachte Medivh. Anduin. Ja, das machte Sinn. Er erforschte einen Moment lang seine Gefühle und fällte dann eine Entscheidung. „Ein guter Gefährte für eine Orcin“, sagte er bedächtig.

Garona runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. „Ich bin keine Orcin. Und ein Mensch bin ich auch nicht. Ich bin verflucht. Ich bin Garona.“

Der Selbsthass und die Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme schmerzten ihn. Er musterte sie einen langen Moment und traf dann eine Entscheidung.

„Als ich noch jünger war“, begann Medivh, ohne sich seine Worte genau zurechtzulegen; stattdessen sprach er aus, was ihm gerade in den Sinn kam, „fühlte ich mich meinesgleichen nicht zugehörig.“ Ein Teil der Kirin Tor und zugleich auch nicht – eher wie ihr Projekt, wie ihr Haustier. Isoliert von seiner Blutsfamilie, hatte er sich darum in der Gesellschaft zweier sorgloser Gefährten eine eigene „Familie“ gesucht. Und die Nachwirkungen ihrer Abenteuer …

„Auf der Suche nach Weisheit bin ich weit gereist. Ich wollte eine Verbindung zu all den Seelen spüren, die zu beschützen mir auferlegt worden war.“ Garona lauschte gespannt, mit ihrem ganzen Körper und großen Augen; ihre Nasenflügel bebten, wenn sie atmete. Orc-Konzentration, dachte er, und ein bittersüßer Schmerz, wie er ihn seit Jahren nicht gefühlt hatte, packte sein Herz.

„Auf meinen Reisen begegnete ich starken und edlen Menschen, darunter auch einer Frau, die mich so annahm, wie ich war. Die mich liebte.“

Ein Teil von ihm wollte nicht in seinem Bericht fortfahren. Dies war seine Bürde, seine größte Freude und sein größtes Geheimnis – seins und nur seins. Und andererseits auch wieder nicht. Weil es das nicht sein konnte … nicht sein sollte. Er hielt kurz inne, bevor er schließlich weitersprach und ihrem Blick ruhig mit dem seinen begegnete.

„Das war kein Leben, das das Schicksal für mich vorgesehen hatte, doch es hat mich etwas gelehrt: Wenn das, was man am meisten braucht, Liebe ist“, sagte er sanft und mit vor Eindringlichkeit zittriger Stimme, „muss man bereit sein, bis ans Ende der Welt zu reisen, um sie zu finden. Und sogar darüber hinaus.“

Garona schaute für einen Moment nach unten. In ihrem sonst so verschlossenen Antlitz fochten die unterschiedlichsten Gefühle miteinander. „Du hast deine Gefährtin verlassen?“

„Geh zu Lothar“, sagte er scharf. Er wandte den Blick ab. Selbst jetzt konnte er dies nicht teilen, nicht einmal mit ihr. Es gab so vieles, das er ihr erzählen wollte, doch jetzt war nicht die rechte Zeit dafür. Vielleicht nachher. Falls es ein Nachher gab.

„Ich muss hierbleiben und auf dich aufpassen.“ Ehre. Loyalität. Dinge, die er so sehr geliebt hatte an …

Medivh drückte ihr die Schulter. „Das ist Moroes’ Aufgabe“, sagte er.

Medivh war noch immer geschwächt, aber zumindest stark genug, um das zu tun, was er jetzt tun musste. Er erhob sich von der Liegestatt, um seine Hände geschickt und mühelos durch die Luft schwirren zu lassen und einen Kreis für sie heraufzubeschwören. Für ihn war es kein großes Rätsel, wo Lothar sich in diesem Moment aufhalten mochte. Natürlich stammte ein Teil von Medivhs Energie von den Heilkräften des magischen Beckens. Teilweise war es jedoch auch sein eigenes Werk. Das Werk seiner Entscheidungen. So, wie er jetzt entschied, nach so vielen Fehlern und Katastrophen und zerstörten Leben, die er auf dem Gewissen hatte, endlich wieder etwas Gutes zu tun. Etwas, das richtig war. Etwas, das wahrhaftig und jener würdig war, die er vor so langer Zeit geliebt hatte; die er geliebt und verloren, aber niemals vergessen hatte, nicht für einen Tag, nicht für eine Stunde, nicht für einen einzigen Moment.

Für das, was er hier tat, würde er teuer bezahlen. Doch das war schon in Ordnung. Einige Dinge waren jeden Preis wert.

Das ist für dich, meine Liebste.

Garona verfolgte gebannt, wie der Kreis schimmernd zum Leben erwachte, wie er pulsierte und blaues Licht abstrahlte. Medivh streckte den Arm aus und sammelte ein kleines bisschen magischer Energie in seiner Hand, um eine kleine, vollkommene Blume zu erschaffen. Die Blume war exquisit und wunderschön, Licht, das zu etwas Greifbarem geworden war; die Farbtöne wandelten sich wie ein Bernstein in einem blauen Feuer. Garona hatte ihn schon zuvor seine Magie wirken sehen – gefährliche Magie, dazu bestimmt, Schaden anzurichten. Dies hier jedoch galt der Heilung. Der Hoffnung. Sie verstand das, genau wie er gewusst hatte, dass sie es tun würde, und ihre Augen waren groß und sanft vor Staunen.

„Tritt in den Kreis“, wies er sie an. Garona schaute erst ihn und dann den Kreis an, und dann kam sie seiner Aufforderung langsam und fasziniert nach, mit vorsichtigeren Bewegungen, als er sie jemals zuvor bei einem Orc gesehen hatte.

„Dies“, sagte Medivh mit vor Emotionen rauer Stimme, während er ihr die leuchtende Blume hinhielt, „ist mein Geschenk für dich.“ Er gestattete sich, diesen Moment zu genießen, ohne ihr den geringsten Hinweis darauf zu geben, wie teuer ihn dies zu stehen kommen würde. Sie nahm die Blume entgegen; ihre grünen Finger schlossen sich unendlich sanft um die magische Blume, um zuerst sie und dann ihn anzusehen.

Frieden erfüllte ihn, und er trat zurück. Das weiße Leuchten des Kreises breitete sich nach oben hin aus, wurde zu einer Sphäre, umschloss Garona sicher wie ein Kokon. Das weiße Glühen nahm zu, so weit, dass seine Helligkeit beinahe blendend grell wurde, ehe das Licht verschwand – zusammen mit Garona.

Medivh brach zusammen.

Der Löwe von Azeroth hatte getrunken.

Er lag ausgestreckt auf dem Schanktisch der „Höhle des Löwen“, umgeben von leeren Flaschen. Ein gleichermaßen leerer Krug baumelte von seinen Fingern. Seine Augen waren geschlossen, und Garona fragte sich, ob er überhaupt bei Bewusstsein war?

Sie trat einen Schritt vor, bemüht, sich leise zu bewegen, doch Lothar hörte sie dennoch und schlug die Augen auf. Er sah sie nicht an, sondern hielt seinen Blick zur Decke gerichtet. Garona war sich nicht sicher, ob es richtig gewesen war herzukommen. Vielleicht hatte Medivh sich geirrt. Vielleicht war es reine Torheit, zu denken, dass sich ein Mensch für eine Orcin interessieren könnte, insbesondere für eine, die er nur allzu leicht für die brutale Ermordung seines einzigen Kindes verantwortlich machen könnte.

Dann dachte sie an die Worte des Wächters. Sie war hier. Sie würde sagen, was ihr auf dem Herzen lag. Dann wusste sie wenigstens, dass sie es versucht hatte.

„Es tut mir leid.“

Er antwortete nicht, und Garona war schon beinahe so weit, sich umzudrehen und zu gehen, als er schließlich doch noch das Wort ergriff.

„Callans Mutter starb bei seiner Geburt. Ich habe ihm die Schuld dafür gegeben. Jahrelang. Dir werde ich nichts dergleichen vorwerfen.“

Seine Stimme klang weniger lallend, als Garona erwartet hatte, und er mühte sich offenkundig um einen plauderhaften, entspannten Ton. Ihr jedoch, die sie so viel Schmerz geschmeckt hatte, entgingen die scharfen, verbitterten Noten darin keineswegs.

Bei seinen Worten weiteten sich ihre Augen. So lange hatte Lothar eine solche Bürde mit sich herumgetragen … Sie trat vor. Er setzte sich auf, rutschte von der Theke und wich im selben Maße zurück, wie sie näher kam. Sie blieb stehen. Er sah fast genauso mitgenommen aus wie Medivh: blass, abgesehen von den Stellen, wo der Alkohol seine Wangen rötete. Seine Augen waren geschwollen und blutunterlaufen, und er zitterte. Mit einem Mal wirbelte er herum und schleuderte den Krug gegen die Wand, wo er mit einem melodischen Klirren zersprang.