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„Wache?“ Er lächelte und breitete die Arme aus. „Es ist offensichtlich, dass diese Tür solide gebaut ist. Ich werde meine Kraft für die Verteidigung des Reiches aufsparen. Ich weiß, du tust nur deine Pflicht – und du machst das wirklich gut. Aber ich habe mich jetzt abgeregt. Wenn du also herkommen und diesen Käfig öffnen würdest … Ich muss den König beschützen.“

Das Lächeln tat seinem Gesicht weh, und er konnte noch immer das kupfrige Blut schmecken. Die Wache, die mit einer Streitaxt am Ende des Ganges stand, ließ sich aber nicht beeindrucken.

Sie rührte sich keinen Zentimeter.

Lothar fletschte die Zähne und schlug wieder gegen die Tür. Sie klapperte protestierend, und der Soldat zuckte zusammen. „Aufmachen!“, schrie er.

Nun trat die Wache vor, wobei sie aber sorgsam darauf achtete, einen sicheren Abstand zu dem tobenden Krieger in der Zelle zu wahren. „Hauptmann, bitte! Ich befolge nur meine …“

Lothar schleuderte seinen Krug nach dem uneinsichtigen Kerl, der kaum noch seinen Satz beenden konnte. Gerade als er „Befehle“ brummen wollte, verschwand er nämlich plötzlich in einem blauen Lichtblitz, und an seiner Stelle stand ein schrecklich verwirrt dreinblickendes Schaf. Es blökte unglücklich. Lothar, der ebenfalls schrecklich verwirrt war, blickte auf die Hand hinab, mit der er den Krug geworfen hatte. Was hatte er getan?

Die Frage beantwortete sich selbst, als Khadgar aus den Schatten auftauchte, die Schlüssel der Schafswache vom Boden aufhob und herbeieilte, um die Zelle aufzuschließen.

„Wo zum Teufel hast du gesteckt?“ Nicht gerade eine dankbare Reaktion, musste Lothar eingestehen. Aber zumindest ehrlich.

Khadgar drehte den Schlüssel, und die Tür schwang auf. Der Junge schien um Jahre gealtert zu sein.

„Bei den Kirin Tor“, antwortete er. Als er Lothars Blick zu dem Schaf folgte, fügte er hinzu: „Es funktioniert nur bei den Einfältigen.“ Er warf eine Tasche mit Lothars Schwert und Rüstung auf den Boden. „Eure Sachen, Hauptmann.“ Anschließend wandte er sich kurz an das Schaf. „Tut mir leid.“

Er blickte sich um, bis er eine erkaltete Feuerschale entdeckte. „Wir haben einen vollen Tag vor uns“, erklärte er. Während Lothar seine Rüstung anlegte, streckte der Magier seine Hand in die Schale und fischte ein Stück verbranntes Holz hervor, mit dem er einen Kreis zeichnete.

„Hoffentlich kommen wir nicht zu spät“, brummte Anduin.

Khadgar hob den Kopf. „Wir können ihnen nicht folgen. Nicht, wenn Ihr Azeroth retten wollt.“ Lothar, der bereits zur Tür gegangen war, wirbelte herum.

„Mein König braucht mich!“

„Azeroth braucht Euch dringender“, entgegnete Khadgar. „Falls Ihr Euren König retten wollt, müssen wir zuerst Medivh aufhalten.“

Nie zuvor war Lothar so hin- und hergerissen gewesen. Sein bester Freund stand kurz davor, von seinem anderen besten Freund verraten zu werden. Schon bald würde er von einem Meer machthungriger grünhäutiger Monster verschlungen werden. Im Vergleich zu diesem Bild war die Rettung von Azeroth ein schrecklich abstraktes Konzept.

Doch er wusste, was Llane von ihm erwarten würde.

Khadgar begann mit der Teleportationsbeschwörung, und weißblaue Magie formte eine inzwischen vertraute Blase. Lothar atmete tief ein und trat zu ihm in den Kreis. Der Magier erhob sich und lenkte die Magie mit seinen Händen, als würde er an den Zügeln eines Pferdes ziehen.

„Wo ist Medivh?“, wollte Anduin wissen.

Khadgar blickte ihm direkt in die Augen. „Wir haben einen Dämon zu töten.“

19

Sie war die ganze Nacht gerannt, das Kind auf ihren Rücken geschnallt, aber jetzt war selbst sie, Draka, Tochter von Kelkar, Tochter von Rhakish, erschöpft. Sie hatte es nicht gewagt anzuhalten, wohl wissend, dass Gul’dans Orcs sie verfolgten. Wäre sie nur irgendeine Orcin mit irgendeinem Kind gewesen, hätte man sie vielleicht fliehen lassen. Doch sie war die Frau eines Häuptlings – und die Mutter eines weiteren, daran zweifelte sie nicht. Gul’dan hatte die Zerstörung ihres Clans nicht aus Zorn angeordnet. Wäre es so, müsste sie sich jetzt keine Sorgen machen. Zorn brannte aus und fand schnell neue Ziele. Nein, Gul’dan hatte Angst vor den Frostwölfen, und Angst war langlebig.

Er hatte sie beinahe angefleht, seiner Horde beizutreten, und jetzt, wo Durotan erkannt hatte, wie gefährlich er wirklich war, konnte Gul’dan ihn nicht am Leben lassen. Das Schicksal ihres Gefährten war in dem Moment besiegelt gewesen, als Schwarzfaust gekommen war, um ihn fortzuführen. Selbst wenn er in diesem Augenblick noch atmete, sein Leben würde nicht mehr von langer Dauer sein. Ebenso wenig wie ihres oder das des Kindes. Orgrims Gesinnungswechsel war für sie beide zu spät gekommen. Sie wollte schluchzen, das Schicksal verfluchen, ihr Kind an sich pressen – und es an ihrer Brust halten, wenn sie starb. Draka liebte Durotan von ganzem Herzen, aber was sie für dieses kleine Leben empfand, war im Vergleich dazu wie ein Inferno neben einem Kochfeuer.

Sie würde für ihn leben. Sie würde für ihn sterben.

Draka konnte nicht weiter. Sie war zu müde, und ihre Verfolger waren nicht weit hinter ihr. Als sie einen Fluss erreichte, traf sie darum eine Entscheidung. Das Wasser spiegelte das Licht einer neuen Sonne wider, und sein helles Funkeln trieb ihr Tränen in die Augen.

„Geist des Wassers“, keuchte sie. „Ich kann meinen Sohn nicht weiter tragen. Sie werden nie aufhören, uns zu jagen. Sie werden uns finden, und sie werden uns töten, falls ich ihn bei mir behalte. Bitte, nimm dich meines Kindes an. Beschütze es.“

Draka war keine Schamanin. Die Geister sprachen nicht zu ihr so wie zu Drek’Thar, aber sie konnte das Murmeln des Wassers hören, und während sie noch auf den Fluss hinausstarrte, sprang ein Fisch aus den Fluten und verschwand wieder darin. Das Leid in ihrem Herzen ebbte abrupt ab, und sie nahm hastig den Tragekorb von ihrem Rücken. Sie watete ins Wasser, küsste die weichen, grünen Wangen, wobei sie das Salz ihrer eigenen Tränen schmeckte, und legte den Korb ins Wasser. Anschließend hüllte sie ihren Sohn fester in seine Decke, ein weißes Stück Stoff, bestickt mit dem Emblem der Frostwölfe.

Vielleicht wird sich ein Mensch daran erinnern, dass die Frostwölfe ihnen helfen wollten, dachte sie. Und daran, dass … diese Entscheidung uns alle das Leben gekostet hat. Alle bis auf dich, mein geliebter Go’el.

Ihre Augen waren nass. Wasser, das Element der Liebe. Liebe für einen Gefährten. Liebe für ein Kind. Liebe für einen Clan. Liebe für den Traum von etwas Besserem in einer Welt voller Dunkelheit, Staub und Verzweiflung.

Das Kleinkind wirkte verwirrt und streckte ihr seine winzigen grünen Arme entgegen. Sie nahm eine der kleinen Fäuste und hielt sie zwischen ihren Fingern. „Vergiss nie“, sagte sie. „Du bist der Sohn von Durotan und Draka, einer ungebrochenen Linie von Häuptlingen.“

Und dann, während ihr Herz zum tausendsten Mal innerhalb weniger Stunden brach, ließ sie den Korb los. „Wasser“, rief sie. „Beschütze mein Kind!“

Ein Brüllen ließ sie den Kopf drehen. Ein Orc vom Clan des Blutenden Auges tauchte aus dem Wald auf, aber seine Aufmerksamkeit galt nicht ihr, sondern dem Baby. Er griff nach dem Messer, das Draka am Ufer zurückgelassen hatte, und rannte hinter dem Korb her.

Doch Draka war zur Stelle.

Er hatte vielleicht den Dolch, aber das hieß nicht, dass sie unbewaffnet war. Sie stürzte sich auf den Orc, der ihr Kind töten wollte, angetrieben von Liebe und ohne jede Furcht. Ihre Fingernägel rissen ihm Fetzen aus dem Fleisch, und dann – wie einer der Wölfe, nach denen ihr Clan benannt war – riss sie den Mund weit auf und vergrub ihre Zähne in seinem Hals.

Verwirrt brach er zusammen. Es war töricht von ihm gewesen, einen unbewaffneten Frostwolf mit einem schutzlosen Frostwolf zu verwechseln. Sein verdorbenes grünes Blut sprudelte ihr in den Mund, so sauer wie Asche, und im selben Moment spürte sie einen heißkalten Schmerz; er hatte ihr den eigenen Dolch in den Bauch gerammt.