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Durotan verzichtete darauf, Grom zu sagen, was die Frostwölfe über den Kriegshymnenclan dachten. Dann wären Begriffe wie impulsiv, laut, wild und verrückt gefallen. Bis zu einem gewissen Grad zugegebenermaßen mit Bewunderung, jedoch nicht in jeder Hinsicht. Stattdessen sagte er: „Wie es scheint, ist es Gul’dan wahrhaftig gelungen, alle Clans zu vereinen.“

Grom nickte. „Ihr wart der letzte, der sich uns anschloss“, entgegnete er. „Eigentlich gab es wohl noch einen weiteren, aber der existiert nicht mehr. Jedenfalls sagt Gul’dan das.“

Die Frostwölfe rutschten unbehaglich hin und her. Durotan fragte sich, ob Grom von den Rotläufern sprach? Falls dieser Clan tatsächlich bis auf den letzten Mann vernichtet war, war das eine gute Sache und kein Grund zur Trauer.

„Wir“, sagte Grom mit einigem Stolz, „gehörten zu den ersten. Als Gul’dan zu uns kam und erklärte, er kenne einen Weg, um in ein anderes Land zu ziehen, in ein Land, reich an Wild und sauberem Wasser und Feinden, die sich zu bekämpfen lohnt, willigten wir unverzüglich ein, ihm zu folgen.“ Er lachte. „Was kann sich ein Orc mehr wünschen?“

„Orgrim, mein Stellvertreter, und ich haben uns nach unserer Ankunft mit Schwarzfaust getroffen“, sagte Durotan. „Er berichtete mir von seinem Plan, zuerst mit einer Schar Krieger in dieses Land vorzustoßen. Wir sprachen zwar über Waffen und jene, die sie führen, doch ich bin sehr gespannt, mehr über Gul’dans Vorbereitungen zu erfahren.“

Grom nahm noch einen Bissen und aß den Rest des Fleisches. Den Spieß warf er ins Feuer. „Gul’dan hat eine Möglichkeit gefunden, in dieses andere Land vorzudringen“, erklärte Grom. „Ein uraltes Artefakt, das lange in der Erde verborgen lag. Seine Magie hat ihn zu jenem Ort geführt, und als wir dort anlangten, begannen wir zu graben. Mittlerweile haben wir es gänzlich freigelegt, und morgen werden wir es nutzen.“

Durotans Augenbrauen glitten in die Höhe. „Ein Loch im Boden?“

„Du wirst es noch früh genug mit eigenen Augen sehen“, sagte Grom.

Doch je mehr Durotan über diese Pläne erfuhr, desto weniger gefielen sie ihm. „Klingt nach einem Grab.“

„Nein“, versicherte Grom ihm. „Wenn überhaupt, ist dies die Wiedergeburt unseres Volkes. Es ist der Weg in eine neue Welt!“

„Glaubst du das wirklich?“, fragte Orgrim. Er klang weniger skeptisch denn hoffnungsvoll.

Grom musterte Orgrim einen Moment lang. Dann hob er einen kräftigen Arm und beugte sich vor, um ihn näher ans Feuer zu halten. Im Schein der Flammen sah Durotan nun das, was die Schatten zuvor verschleiert hatten. Wie bei vielen, die er und Orgrim bei Übungskämpfen gesehen hatten, wies Grom Höllschreis Haut einen deutlichen Grünton auf. Und als er sprach, waren seine Worte an Orgrim gerichtet statt an Durotan.

„Ich glaube an Gul’dan. Ich glaube an den Zauber. Seine Todesmagie hat mich stark gemacht.“ Er spannte seinen Arm an, und sein Bizeps türmte sich auf, groß wie eine Melone. „Du wirst schon sehen. Du wirst die Kraft von fünf Männern haben.“

„Schwarzfaust schien auch so stark genug zu sein“, sagte Durotan unverblümt.

Groms helle Augen schossen zum Häuptling der Frostwölfe hinüber. „Wie kann man stark genug sein, wenn man immer noch stärker werden kann?“ Seine Lippen zogen sich bei einem Grinsen von seinen Stoßzähnen zurück, das gleichermaßen unheilvoll wie grausam wirkte, und Durotan konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob „noch stärker“ jemals „stark genug“ sein würde, um den Kriegshymnenclan zufriedenzustellen?

Als Durotan sich schließlich in sein Zelt zurückzog, lag Draka auf ihrem Lager und schlief auf den Fellen, die sie aus dem Norden mitgebracht hatten.

Bald würde sie stattdessen auf einem Haufen dicker, warmer Grollhuffelle ruhen, und ihre Hütte wäre die des Häuptlings gewesen – ein robustes, stabiles Konstrukt aus Holz und Stein. Dann hätte sie jede Menge gutes, gesundes Essen gehabt, um den Körper zu nähren, der nicht bloß ihren Kriegergeist, sondern auch das kleine Leben barg, das jetzt ihren Bauch wölbte, den einzigen weichen Teil ihrer kräftigen, zähen Gestalt. Im Moment jedoch war alles, was ihr Fleisch von den harten Felsen trennte, Hasenfell, und der Clan hatte viele Wegstunden ohne irgendwelche Nahrung hinter sich gebracht.

Geyah hatte darauf bestanden, dass Durotan und Draka vom Frostfeuergrat mitnahmen, was immer sie konnten, damit es sie an das Vermächtnis ihres Clans erinnerte. Dementsprechend barg diese provisorische Zuflucht, die zumindest ein bisschen solider war als die meisten anderen Zelte, das Frostwolf-Wappen und zahlreiche dekorative Schutzzauber, die vom Schamanen hergestellt und gesegnet worden waren, um ihre Fähigkeiten im Kampf zu steigern und Gefahren abzuwehren. Drinnen lag eine Vielzahl von Waffen in unmittelbarer Reichweite: Speere, Äxte, Hämmer, Streitkolben, Pfeile und Bögen, Schwerter. Und natürlich Donnerschlag. Durotan löste Spalter von seinem Gürtel und verstaute die Klinge neben den Fellen, während er sich setzte und seine Gefährtin betrachtete.

Eine Woge der Zuneigung erfasste ihn, während er ihr starkes, schönes Gesicht betrachtete, das lange schwarze Haar und die Wölbung ihres Bauches. Sie lag auf der Seite und atmete ruhig und gleichmäßig. Doch obwohl ihre Lider geschlossen waren, streckte sie eine Hand nach ihm aus.

„Ich kann deine Augen auf mir spüren.“ Drakas Stimme war tief und kehlig, warm vor Zärtlichkeit und Belustigung.

„Ich dachte, du schläfst.“

„Das habe ich.“ Sie drehte ihren geschwollenen Leib, um auf dem Rücken zu liegen, und suchte erfolglos nach einer bequemeren Position. Die Hand ihres Gemahls glitt zu ihrem Bauch, den seine mächtigen Finger und die Handfläche fast zur Gänze bedeckten, während er schweigend Zwiesprache mit seinem Kind hielt. „Es träumt von einer Jagd im Schnee.“

Durotan schloss die Augen und seufzte. Es war beinah schmerzhaft, sich an den scharfen, vertrauten Biss des Winters zu erinnern, an die Kälte, die ihre Körper herausforderte, während sie Beute angriffen, die entschlossen ums Überleben kämpfte. Die Rufe, der Geruch von frischem Blut, der Geschmack von nahrhaftem Fleisch … Das waren gute Jahre. Durotan streckte sich neben ihr auf den Fellen aus und erinnerte sich an die erste Nacht, nachdem Draka aus dem Exil heimgekehrt war. Er hatte sie gedrängt, ihm Geschichten von ihren Reisen zu erzählen, und sie lagen Seite an Seite da, genauso, wie sie es jetzt taten, auf dem Rücken, jedoch ohne sich zu berühren. Sie hatten zu den Sternen aufgeschaut und zugesehen, wie der Rauch in den Nachthimmel emporstieg.

Und er war damit zufrieden gewesen.

„Ich habe über einen Namen nachgedacht“, sagte Draka.

Durotan grunzte. Er ärgerte sich über seine eigenen nostalgischen Anwandlungen. Während Drakas Traum eben das war – ein wahrer, aufrichtiger Traum und keine wehmütige, quälende Erinnerung –, war die Zeit, nach der er sich zurücksehnte, längst vergangen und würde auch niemals wieder zurückkehren.

Er nahm ihre Hand, während er sie neckte: „Na, dann behalte ihn für dich, Weib. Ich werde den Namen auswählen, wenn ich ihm begegne … oder ihr.“

„Ach ja?“ In ihrer Stimme lag Belustigung. „Und wie will der große Durotan seinem Sohn einen Namen geben, wenn ich nicht mit ihm reise?“

„Ein Sohn?“ Er richtete sich ruckartig auf einen Ellbogen auf und sah sie mit leicht geöffnetem Mund an. Bislang war es ihm stets gleichgültig gewesen, ob sie nun einen Sohn oder eine Tochter bekamen. Das Geschlecht war ihm weniger wichtig, als sicherzustellen, dass das Baby gesund zur Welt kam. Frostwolf-Frauen waren brutale Kriegerinnen – Draka war dafür das perfekte Beispiel. Gleichwohl, die Tradition sah vor, dass das Amt des Häuptlings nur an einen männlichen Nachfahren vererbt wurde. Er sah sie blinzelnd an. „Hast du jetzt auch schon Visionen, so wie Drek’Thar?“