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Bei diesen Worten erhob ich mich von der Bank.

Sie ergriff wieder meine Hand und blickte mich erstaunt an.

»Was ist mit Ihnen?« fragte sie endlich.

»Hören Sie!« sagte ich sehr entschieden. »Hören Sie, Nastenka! Was ich Ihnen sagen werde, ist unsinnig, unmöglich, töricht! Ich weiß, daß es ganz unmöglich ist, und doch kann ich nicht schweigen. Bei allen Leiden, die Sie jetzt tragen, beschwöre ich Sie, es mir zu verzeihen!«

»Aber was denn? Was?« fragte sie einigemal. Sie weinte nicht mehr und starrte mich mit seltsamer Neugierde an. »Was haben Sie?«

»Es ist unmöglich, doch ich liebe Sie, Nastenka! Das ist alles, was ich sagen wollte! Nun ist es heraus!« Ich winkte mit der Hand wie einer, der gar keine Hoffnung mehr hat. »Urteilen Sie jetzt selbst, ob Sie mit mir so sprechen dürfen, wie Sie eben sprachen, und ob Sie das anhören können, was ich Ihnen gleich sagen werde...«

»Was denn? Was?« unterbrach sie mich. »Was ist denn dabei? Ich wußte ja schon längst, daß Sie mich lieben, ich glaubte aber immer, daß Sie mich nur so, einfach so... liebten... Ach mein Gott, mein Gott!«

»Anfangs liebte ich Sie auch einfach so, Nastenka; doch jetzt, jetzt... Ich stehe vor Ihnen ebenso da, wie Sie vor ihm dastanden, als Sie zu ihm mit Ihrem Bündel kamen. Und meine Lage ist noch schlimmer, denn er liebte doch damals niemanden, und Sie lieben ihn.«

»Was sagen Sie da? Nun verstehe ich Sie gar nicht mehr! Aber hören Sie, wozu, ich will sagen warum, fangen Sie jetzt damit an? Und so plötzlich... Mein Gott! Ich spreche ja Unsinn! Doch Sie...«

Nastenka wurde auf einmal ganz verwirrt. Ihre Wangen glühten, und sie schlug die Augen nieder.

»Was soll ich denn tun, Nastenka, was soll ich tun? Ich bin schuld, ich habe Ihr Vertrauen mißbraucht... Doch nein, nein! Ich bin nicht schuld, Nastenka; ich fühle es, und mein Herz sagt es mir, daß ich schuldlos bin, weil ich Sie doch nicht verletzen oder kränken will! Ich bin Ihr Freund gewesen; ich bin es auch jetzt; ich bin nicht untreu geworden. Nun kommen mir die Tränen, Nastenka. Sollen sie nur fließen, sie stören ja niemanden, sie werden trocknen, Nastenka...«

»Setzen Sie sich doch, setzen Sie sich! Ach mein Gott!«

»Nein, Nastenka! Ich werde mich nicht setzen: ich kann nicht sitzen; ich kann auch nicht mehr wiederkommen, Sie werden mich nicht mehr sehen: ich will Ihnen alles sagen und dann fortgehen. Ich will Ihnen sagen, daß Sie niemals etwas davon erfahren sollten, daß ich Sie liebe. Ich hätte mein Geheimnis in meinem Herzen bewahrt. Ich hätte nicht angefangen, Sie jetzt, in einem solchen Augenblick mit meinen egoistischen Ergüssen zu quälen. Nein, das hätte ich nicht getan! Doch ich konnte es nicht länger aushalten; und Sie haben selbst die Rede darauf gebracht, Sie sind schuld, Sie sind an allem schuld, und nicht ich! Sie können mich nicht so von sich jagen...«

»Aber nein, nein, ich jage Sie ja gar nicht fort!« sagte Nastenka. Die Arme gab sich die größte Mühe, ihre Verwirrung zu verbergen.

»Sie jagen mich nicht weg? Nein? Und ich war eben selbst im Begriff, von Ihnen fortzulaufen. Ich werde auch wirklich fortgehen; zuvor will ich aber doch alles sagen, was ich auf dem Herzen habe; denn als Sie hier sprachen, und ich nicht ruhig auf meinem Platz sitzen konnte, als Sie weinten und sich quälten, weil... (ich will es nun aussprechen, Nastenka!) weil man Sie verstoßen und Ihre Liebe zurückgewiesen hat, da fühlte ich, da merkte ich, daß mein Herz voller Liebe zu Ihnen ist! Und das Bewußtsein, Ihnen mit dieser Liebe nicht helfen zu können, brannte mir so auf dem Herzen, daß ich nicht schweigen konnte und sprechen mußte. Ich mußte sprechen, Nastenka!...«

»Ja, ja! Fahren Sie nur fort, sprechen Sie nur so zu mir!« sagte Nastenka in unerklärlicher, heftiger Bewegung. »Es kommt ihnen wohl sonderbar vor, daß ich Ihnen das sage? Ich bitte Sie aber: sprechen Sie weiter! Ich werde es später erklären, werde alles sagen!...«

»Sie haben Mitleid mit mir, Nastenka! Einfach Mitleid, liebe Freundin! Was verloren ist, ist verloren! Was gesagt ist, läßt sich nicht aus der Welt schaffen! Nicht wahr? Nun wissen Sie alles. Das ist also unser Ausgangspunkt. Es ist ja alles sehr schön, doch hören Sie weiter. Als Sie vorhin hier saßen und weinten, dachte ich mir (lassen Sie mich nur sagen, was ich dachte!) dachte ich, daß Sie... (ich weiß, daß es nicht stimmt, Nastenka!) ich dachte, daß Sie... daß Sie irgendwie, nun, auf irgendeine Weise, daß Sie ihn nicht mehr lieben. Und wenn das wirklich so wäre, – ich dachte es mir schon gestern und auch vorgestern, – so hätte ich es sicher erreicht, daß Sie mich liebgewinnen würden: Sie haben es ja gesagt, Sie selbst haben es hier gesagt, daß Sie mich schon liebgewonnen hätten. Und weiter? Das ist beinahe alles, was ich sagen wollte; es bleibt nur noch zu sagen, was geschehen würde, wenn Sie mich nun wirklich liebgewönnen; nur das bliebe noch zu sagen, und nichts mehr! Hören Sie also, meine Freundin, denn Sie sind mir noch immer eine Freundin: ich bin ein einfacher, armer und unbedeutender Mensch, das tut übrigens nichts zur Sache! (ich sage immer etwas anderes, als ich sagen will; ich bin wohl zu aufgeregt); jedenfalls würde ich Sie so lieben, Nastenka, so lieben, daß, wenn Sie auch den, den ich nicht kenne, weiter liebten, meine Liebe Ihnen doch nicht zur Last fallen würde. Sie würden nur fortwährend wissen und fühlen, daß in Ihrer Nähe ein dankbares und warmes Herz pocht, das für Sie... Ach Nastenka, Nastenka! Was haben Sie aus mir gemacht!«

»Weinen Sie nicht, ich will nicht, daß Sie weinen,« sagte Nastenka und erhob sich schnell von der Bank. »Kommen Sie, stehen Sie auf und kommen Sie mit mir... Doch weinen Sie nicht, weinen Sie nicht!« Sie wischte mir mit ihrem Taschentuch die Tränen aus den Augen. »Kommen Sie! Vielleicht werde ich Ihnen etwas sagen können... Wenn er mich auch wirklich verlassen hat, wenn er mich vergessen hat, und wenn ich ihn auch noch immer liebe (ich will Sie ja nicht betrügen!)... aber hören Sie mich an und antworten Sie mir! Wenn ich Sie liebgewonnen hätte, das heißt, ich setze nur den Fall... Ach, mein lieber Freund! Wenn ich nur daran denke, wie ich Sie verletzt und mit Ihrer Liebe Spott getrieben habe, als ich Sie dafür lobte, daß Sie sich in mich nicht verliebt hätten... Mein Gott! Wie habe ich das nicht vorausgesehen, wie konnte ich das nicht bemerken, wie dumm war ich; doch... Nun habe ich mich entschlossen! Ich will Ihnen alles sagen...«

»Hören Sie, Nastenka, wissen Sie was? Ich will von Ihnen fortgehen. Ich quäle Sie ja nur. Nun haben Sie gar Gewissensbisse und werfen sich vor, daß Sie mit mir Spott getrieben hätten; ich will aber nicht, ich will einfach nicht, daß Sie außer Ihrem Kummer... Natürlich bin ich schuld, Nastenka... Doch leben Sie wohl!«

»Hören Sie nur: können Sie warten?«

»Worauf warten?«

»Ich liebe ihn noch. Doch das wird vergehen, das muß vergehen, es kann nicht noch länger währen; es vergeht schon, ich fühle es. Wer kann wissen, vielleicht wird es noch heute ganz aufhören, denn ich hasse ihn, weil er mich verhöhnt hat, während Sie hier mit mir weinten; denn Sie würden mich nicht so verstoßen haben, wie er; denn Sie lieben mich, und er hat mich niemals geliebt; denn... auch ich liebe Sie... Ja, ich liebe Sie! Ich liebe Sie so, wie Sie mich lieben: ich habe es Ihnen ja auch früher gesagt, und Sie haben es gehört: ich liebe Sie, weil Sie besser sind als er, weil Sie edler sind, weil er...«

Die Arme war so erregt, daß sie nicht weiter sprechen konnte. Sie lehnte ihr Köpfchen an meine Schulter, dann an meine Brust und begann bitterlich zu weinen. Ich versuchte sie zu trösten, zu beruhigen, doch sie konnte nicht mehr aufhören. Sie drückte mir fortwährend die Hand und stammelte unter Tränen: »Warten Sie, warten Sie, ich höre gleich auf! Ich will Ihnen noch etwas sagen. Glauben Sie nur nicht, daß diese Tränen... Es ist nur ein Anfall von Schwäche, warten Sie, es geht gleich vorüber...« Endlich hörte sie auf, wischte sich die Tränen aus den Augen, und wir gingen weiter. Ich wollte mit ihr sprechen, doch sie bat mich immerwährend, noch etwas zu warten. Wir schwiegen beide... Endlich nahm sie sich zusammen und begann mit schwacher, bebender Stimme, aus der aber plötzlich etwas Neues klang, was sich tief in mein Herz bohrte und darin ein unsagbar schmerzhaftes und zugleich süßes Gefühl weckte: