Wir, die wir uns nicht so pathologisch weit draußen im Spektrum der Selbstverstrickung befanden, wir Bewohner des sichtbaren Spektrums, die wir uns zwar vorstellen konnten, wie es sich anfühlt, über Violett hinauszugehen, aber selbst nicht darüber hinaus waren, konnten sehen, dass David unrecht hatte, nicht an seine Liebenswürdigkeit zu glauben, und konnten uns den Schmerz vorstellen, den das verursachte. Wie leicht und natürlich ist die Liebe, wenn man gesund ist! Und wie grauenvoll schwierig — was für eine philosophisch ernüchternde Vorrichtung aus Selbstsucht und Selbsttäuschung die Liebe doch zu sein scheint — , wenn man es nicht ist! Und doch, eine der Lehren von Davids Werk (und, für mich, von seiner Freundschaft) ist, dass der Unterschied zwischen gesund und nicht gesund in mehr als einer Hinsicht nicht kategorial, sondern graduell ist. Auch wenn David über meine viel milderen Abhängigkeiten lachte und mir gern erzählte, dass ich nicht einmal ermessen könne, wie gemäßigt ich sei, so kann ich von diesen Abhängigkeiten und der Heimlichtuerei und dem Solipsismus und der radikalen Isolation und der rohen tierischen Gier, die sie begleiten, doch auf das Extrem der seinen schließen. Ich kann mir die kranken mentalen Bahnen vorstellen, auf denen der Selbstmord zu dem einen, das Bewusstsein auslöschenden Stoff wird, den einem niemand nehmen kann. Der Wunsch, etwas außer anderen Menschen zu haben, der Wunsch nach einem Geheimnis, der Wunsch nach einer letzten verzweifelten narzisstischen Bestätigung der Vorrangstellung des Ichs, und dann der lüsterne Selbsthass im Vorgefühl des letzten großen Treffers und der finale Abbruch des Kontakts mit einer Welt, die einem den Spaß an der selbstbezogenen Freude verweigert: Bis dahin kann ich David folgen.
Es ist, zugegeben, schwerer, die infantile Wut und die dislozierten mörderischen Impulse nachzuvollziehen, die in gewissen Umständen seines Todes sichtbar werden. Doch sogar hier kann ich eine Wallace-Zerrspiegel-Logik erkennen, eine perverse Sehnsucht nach intellektueller Aufrichtigkeit und Konsequenz. Um den Tod, zu dem er sich selbst verurteilt hatte, auch zu verdienen, musste die Vollstreckung des Urteils jemanden tief verletzen. Um ein für alle Mal zu beweisen, dass er es wahrhaft nicht verdiente, geliebt zu werden, war es nötig, die, die ihn am meisten liebten, so abscheulich wie möglich zu hintergehen, indem er sich zu Hause umbrachte und sie damit zu unmittelbaren Zeugen seiner Tat machte. Und das Gleiche galt für den Selbstmord als Karriereschritt, der von jener Sorte bewunderungheischender Berechnung war, für die er sich verachtete und derer sich bewusst zu sein er (wenn er denn glaubte, damit durchzukommen) leugnen würde, um dann (wenn man ihn darauf festnagelte) lachend oder sich windend zuzugeben, dass er, yeah, okay, zu so etwas fähig sei. Ich stelle mir vor, dass die Seite von David, die für die Kurt-Cobain-Route plädierte, mit der verführerisch vernünftigen Stimme des Satans aus der Dienstanweisung für einen Unterteufel, einem von Davids Lieblingsbüchern, darlegte, dass der Tod durch eigene Hand zugleich seinen ekelhaften Hunger nach beruflichem Fortkommen stillen und darüber hinaus die Rechtmäßigkeit des Todesurteils bestätigen würde, da der Selbstmord eine Kapitulation vor der Seite seiner selbst bedeutete, die seine bedrängte gute Seite als böse begriff.
Das soll nicht heißen, dass er seine letzten Monate und Wochen im lebhaften intellektuellen Dialog mit sich selbst verbrachte, à la Dienstanweisung oder Großinquisitor. Er war, gegen Ende, so krank, dass jeder neue aufkeimende Gedanke, den er hatte, egal zu welchem Thema, sich sogleich zur immerselben Überzeugung von der eigenen Wertlosigkeit verdrehte und ihm fortwährend Grauen und Schmerz verursachte. Und doch war einer seiner liebsten Tropen, besonders deutlich artikuliert in seiner Erzählung «In alter Vertrautheit» und in seiner Abhandlung über Georg Cantor, die unendliche Teilbarkeit eines einzelnen Augenblicks in der Zeit. Wie kontinuierlich er in seinem letzten Sommer auch litt, in den Fugen seiner identisch schmerzvollen Gedanken war immer noch jede Menge Raum, um die Idee des Selbstmords abzuwägen, durch deren Logik zu rasen und die praktischen Pläne zur Umsetzung (von denen er schließlich wenigstens vier machte) in Gang zu bringen. Wenn man beschließt, etwas sehr Schlechtes zu tun, gewinnen Absicht und Abwägung gleichzeitig und fertig ausgeformt sofort Gestalt; jeder Abhängige, der drauf und dran ist, rückfällig zu werden, kann ein Lied davon singen. Obwohl es schmerzhaft war, über den eigentlichen Selbstmord nachzudenken, wurde er — um auf noch eine Erzählung Davids anzuspielen — eine Art Geschenk an sich selbst.
Bewundernde öffentliche Darstellungen Davids, die seinen Selbstmord als Beweis dafür nehmen, dass (wie Don McLean über van Gogh gesungen hat) «this world was never meant for one as beautiful as you», setzen einen ganzheitlichen David voraus, einen wunderbaren und höchst begnadeten Menschen, der, nachdem er das Antidepressivum Nardil nach zwanzig Jahren abgesetzt hatte, in tiefe Depression versank und deshalb nicht er selbst war, als er Selbstmord beging. Ich lasse die Frage nach der Diagnose (möglicherweise war er nicht einfach depressiv) ebenso beiseite wie die Frage, wie ein so wunderbarer Mensch zu einer derart lebhaften, intimen Kenntnis der Gedanken fieser Männer gekommen ist. Doch in Anbetracht seiner Vorliebe für die Dienstanweisung und seiner Neigung, sich selbst und andere zu betrügen — eine Neigung, die seine Jahre der Erholung in Schach hielten, aber nie ganz ausmerzten — , kann ich mir eine doppeldeutigere und doppelbödigere Darstellung vorstellen, die dem Geist seines Werks näherkommt. Wie er mir selbst erzählte, hat er nie aufgehört, sich vor einer Rückkehr in die geschlossene Psychiatrie zu fürchten, in der er nach seinem ersten Selbstmordversuch gelandet war. Die Verlockung des Selbstmords, des letzten großen Treffers, mag in den Untergrund gehen, aber sie verschwindet nie ganz. Sicher, David hatte «gute» Gründe, Nardil abzusetzen — seine Furcht, dass die langfristigen Nebenwirkungen das gute Leben, das er sich aufgebaut hatte, verkürzen könnten; sein Verdacht, dass die psychischen Nebenwirkungen das Beste an seinem Leben (seine Arbeit und seine menschlichen Beziehungen) beeinträchtigen könnten — , und er hatte auch weniger «gute» Ego-Gründe: einen perfektionistischen Wunsch, weniger auf Medikamente angewiesen zu sein; eine narzisstische Aversion dagegen, sich selbst als dauerhaft psychisch krank zu begreifen. Was ich aber schwer glauben kann, ist, dass er nicht auch sehr schlechte Gründe hatte. Unter seiner wunderbaren moralischen Intelligenz und seiner liebenswerten menschlichen Schwäche flackerte das alte Bewusstsein des Süchtigen, das geheime Ich, das, nach Jahrzehnten der Unterdrückung durch Nardil, schließlich seine Chance sah, auszubrechen und seinen selbstmörderischen Willen zu kriegen.
Diese Dualität manifestierte sich in dem Jahr, nachdem er Nardil abgesetzt hatte. Er traf seltsame und scheinbar unsinnige Entscheidungen, was seine Behandlung betraf, stiftete unter seinen Seelenklempnern (die man nur dafür bedauern kann, einen so glänzend komplizierten Fall an sich gezogen zu haben) ziemlich viel Verwirrung und schuf sich am Ende ein geheimes Leben, das ganz dem Selbstmord gewidmet war. Im Verlauf dieses Jahres kämpfte der David, den ich gut kannte und maßlos liebte, tapfer gegen herzzerreißende Ausmaße von Angst und Schmerz, um sein Werk und seine Arbeit auf eine solidere Grundlage zu stellen, während der David, den ich weniger gut kannte, aber immer noch gut genug, um ihn nie gemocht und ihm immer misstraut zu haben, systematisch auf seine eigene Zerstörung sann und auf Rache an denen, die ihn liebten.