Dass er in einer Schreibblockade steckte, als er sich entschloss, Nardil abzusetzen — dass er gelangweilt war von seinen alten Tricks und unfähig, genug Interesse für seinen neuen Roman aufzubringen, um mit ihm voranzukommen — , ist nicht unwichtig. Er hatte das Schreiben geliebt, ganz besonders im Fall von Unendlicher Spaß, und hatte, in unseren vielen Diskussionen über die Aufgaben des Romans, seiner Überzeugung sehr explizit Ausdruck verliehen, dass Literatur eine Lösung, die beste Lösung, für das Problem der existenziellen Einsamkeit sei. Literatur war sein Weg weg von der Insel, und solange es für ihn funktionierte — so lange, wie er in der Lage gewesen war, seine Liebe und Leidenschaft in die Vorbereitung seiner einsamen Depeschen zu gießen, und solange diese Depeschen als dringende und frische und ehrliche Nachrichten das Festland erreichten — , hatte er ein gewisses Maß an Glück und Hoffnung für sich selbst erreicht. Als die Hoffnung, die er in die Literatur gesetzt hatte, starb, nach Jahren des Ringens um den neuen Roman, gab es keinen anderen Ausweg als den Tod. Wenn Langeweile der Nährboden ist, in dem die Samen der Sucht keimen, und wenn Phänomenologie und Teleologie der Suizidalität die gleichen sind wie die der Sucht, dann scheint die Behauptung berechtigt, dass David an Langeweile starb. In seiner frühen Erzählung «Hier und dort» gibt der Bruder eines nach Perfektion strebenden jungen Mannes namens Bruce diesem zu bedenken, «wie langweilig ein vollkommener Mensch wäre», und Bruce erzählt uns:
Ich beuge mich Leonards umfassendem und hart erarbeitetem Wissen über Langweiler, gebe aber zu bedenken, dass ein Langweiler unvollkommen wäre, per definitionem sei es daher ausgeschlossen, dass ein vollkommener Mensch langweilig sein könne.
Das ist ein guter Witz; und doch ist die Logik irgendwie strangulatorisch. Es ist die Logik von «Alles und mehr», um noch einen von Davids Titeln aufzunehmen, und alles und mehr wollte er für seine Literatur. Das hatte schon einmal funktioniert, in Unendlicher Spaß. Doch wenn man versucht, einem Etwas, das schon alles ist, noch mehr hinzuzufügen, riskiert man, mit nichts dazustehen: selbst langweilig zu werden.
Komischerweise wird Robinson Crusoe in achtundzwanzig Jahren auf der Insel der Verzweiflung niemals langweilig. Ja, er spricht von der Fron seiner frühen Mühen, später gibt er zu, es «herzlich müde» zu sein, die Insel nach Kannibalen abzusuchen, und er beschreibt sein erstes Jahr in der Gesellschaft von Freitag als «das schönste von allen, die ich auf der Insel verbrachte». Doch das moderne Verlangen nach Stimulation fehlt völlig. (Eines der frappierenden Details im Roman dürfte sein, dass Robinson mit «drei ansehnlichen Fässchen mit Rum und Weingeist» ein Vierteljahrhundert lang auskommt; ich hätte alle drei in einem Monat getrunken, schon um damit fertig zu sein.) Auch wenn er nie aufhört, vom Entkommen zu träumen, entdeckt er doch eine «Art heimlicher Lust» in seinem absoluten Besitzrecht an der Inseclass="underline"
Ich betrachtete die Welt als etwas ganz Fernes, was mich nichts mehr anging und wovon ich nichts mehr erwartete oder wünschte. Mit einem Wort: Ich wollte weder jetzt noch in Zukunft mehr etwas mit ihr zu tun haben. So wird man später vielleicht aus der Ewigkeit auf sie zurückblicken.
Robinson kann seine Einsamkeit überleben, weil er Glück hat; er macht seinen Frieden mit den Umständen, weil er selbst gewöhnlich ist und seine Insel konkret. David, der außergewöhnlich und dessen Insel virtuell war, hatte zum Überleben schließlich nichts außer seinem eigenen interessanten Ich, und das Problem, aus sich selbst eine virtuelle Welt zu machen, ist dem Problem, sich in eine Cyberwelt zu stürzen, verwandt: Virtuelle Orte, in denen man Stimulation suchen kann, gibt es ohne Ende, aber eben diese Endlosigkeit, die permanente Stimulation ohne Befriedigung, wird zum Gefängnis. Alles und mehr zu sein ist auch der Ehrgeiz des Internets.
Die schwindelerregende Stelle, an der ich im Regen umkehrte, war kaum einen Kilometer von La Cuchara entfernt, aber der Rückweg dauerte zwei Stunden. Der horizontale Regen hatte sich in Starkregen verwandelt, und es fiel mir schwer, im Wind aufrecht zu bleiben. Das GPS-Gerät meldete unentwegt «schwache Batterie», doch da die Sicht so schlecht war, dass ich die Richtung nicht halten konnte, musste ich es trotzdem immer wieder einschalten. Selbst als es anzeigte, dass das refugio nur fünfzig Meter entfernt sei, konnte ich den Dachfirst noch nicht ausmachen.
Ich warf meinen durchnässten Rucksack ins refugio, lief runter zu meinem Zelt und fand es in einem Regenwasserbecken. Es gelang mir, die Schaumstoffmatratze herauszuzerren und ins refugio zu schaffen, und dann lief ich zurück und entpflockte das Zelt und ließ das Wasser ablaufen und raffte, bemüht, die Sachen drinnen halbwegs trocken zu halten, das ganze Ding zusammen und schleppte es durch den horizontalen Regen wieder bergauf. Das refugio war ein Katastrophengebiet aus durchnässten Kleidern und Ausrüstung. Ich verbrachte zwei Stunden mit diversen Trocknungsprojekten, gefolgt von einer Stunde, in der ich, vergebens, den Felsvorsprung nach einem entscheidenden Stück Zelt-Hardware absuchte, das ich auf meiner wilden Flucht verloren hatte. Und dann, binnen Minuten, hörte der Regen auf, und die Wolken verwehten, und mir wurde klar, dass ich die ganze Zeit an einem der dramatisch schönsten Flecken gewesen war, den ich je gesehen hatte.
Es war später Nachmittag, und der Wind blies über den irrsinnig blauen Ozean, und es war Zeit. La Cuchara schien eher in der Luft zu schweben als der Erde verhaftet zu sein. Da war ein Gefühl von Beinahe-Unendlichkeit, die Sonne entlockte den Hängen mehr Grün- und Gelbtöne, als ich dem sichtbaren Spektrum zugetraut hätte, eine blendende Beinahe-Unendlichkeit von Farben, und der Himmel wirkte so unermesslich, dass es mich nicht gewundert hätte, am östlichen Horizont das Festland zu sehen. Weiße Fetzen übrig gebliebener Wolken kamen vom Gipfel gerast, jagten an mir vorbei und verschwanden. Der Wind blies auf die See hinaus, und ich fing an zu weinen, weil ich wusste, dass es Zeit war und ich mich nicht vorbereitet hatte, es mir gelungen war zu vergessen. Ich ging ins refugio und holte die kleine Schachtel mit Davids Asche, das «Booklet» — um den Ausdruck zu verwenden, mit dem er amüsiert auf sein gar nicht kurzes Buch über mathematische Unendlichkeit verwies — , und lief mit ihm zum Felsvorsprung zurück, den Wind im Rücken.
Ich tat in jedem Augenblick lauter verschiedene Dinge. Selbst als ich weinte, suchte ich zugleich den Boden nach dem fehlenden Teil meines Zelts ab und zog meine Kamera aus der Tasche und versuchte, die himmlische Schönheit des Lichts und der Landschaft festzuhalten, und verfluchte mich dafür, weil ich doch eigentlich trauern sollte, und beruhigte mich, dass es okay sei, dass mein Versuch, den Más-Afuera-Schlüpfer zu sehen, bei meinem doch gewiss einzigen Aufenthalt auf der Insel, gescheitert war — dass es besser so sei, dass es Zeit sei, Endlichkeit und Unvollendetheit zu akzeptieren und gewisse Vögel für immer unbeobachtet zu lassen, dass die Fähigkeit, das zu akzeptieren, eben die Gabe sei, die mir gegeben worden war und meinem geliebten toten Freund nicht.