Am Ende des Felsvorsprungs stieß ich auf ein Paar Felsblöcke, die zusammen eine Art Altar bildeten. David hatte sich entschieden, die Menschen, die ihn liebten, zu verlassen und sich der Welt des Romans und seiner Leser hinzugeben, und ich war bereit, ihm dafür alles Gute zu wünschen. Ich öffnete die Schachtel und schleuderte die Asche in den Wind. Stückchen grauer Knochen landeten auf dem Hang unter mir, aber der Staub wurde vom Wind mitgerissen und verschwand, hinaus auf den Ozean, in die blaue Kuppel des Himmels. Ich wandte mich um und wanderte den Berg hinauf, zurück zum refugio, wo ich die Nacht würde verbringen müssen, weil mein Zelt außer Betrieb war. Ich war fertig mit meiner Wut, fühlte mich bloß leer, und war auch fertig mit Inseln.
Auf dem Boot zurück nach Robinsón Crusoe fuhren zwölfhundert Hummer, ein paar gehäutete Ziegen und ein alter Hummerfischer, der mir, nachdem der Anker gelichtet war, zurief, die See sei sehr rau. Yeah, stimmte ich zu, sie sei ein bisschen rau. «No poco», rief er ernst. «Mucho!» Die Crew warf sich die blutigen Ziegen zu, und mir wurde klar, dass wir, statt geradewegs zurück nach Robinsón zu fahren, fünfundvierzig Grad nach Süden kreuzten, um nicht zu kentern. Ich wankte in eine winzige, stinkende Kabine im Bug und kletterte in eine Koje, und dort — nachdem ich mich ein, zwei Stunden lang festgeklammert hatte, um nicht durch die Luft zu fliegen, und bemüht gewesen war, an etwas, irgendetwas anderes als Seekrankheit zu denken, und (wie ich später feststellte) das Anti-Seekrankheit-Pflaster abgeschwitzt hatte, das hinter meinem Ohr kleben sollte, und das Wasser immer wieder gegen den Bootsrumpf hatte spritzen und hämmern hören — kotzte ich in eine Ziploc-Tüte. Zehn Stunden später, als ich mich wieder auf Deck wagte, erwartete ich den Hafen in Sichtweite, aber der Kapitän war so viel gekreuzt, dass wir noch fünf Stunden davon entfernt waren. Zurück in die Kabine zu gehen brachte ich nicht über mich, und um Seevögel zu beobachten, war mir immer noch zu übel, also stand ich fünf Stunden lang herum und tat wenig mehr, als mir vorzustellen, wie ich meinen Rückflug, den ich, Verzögerungen einkalkulierend, erst für die kommende Woche geplant hatte, umbuchen und vorzeitig nach Hause fliegen würde.
Ich hatte vermutlich kein Heimweh mehr gehabt, seit ich das letzte Mal alleine campen gewesen war. In drei Tagen würde die Kalifornierin, mit der ich zusammenlebe, ausgehen, um sich mit unseren Freunden den Super Bowl anzusehen, und wenn ich mir vorstellte, neben ihr auf dem Sofa zu sitzen und einen Martini zu trinken und den Green-Bay-Quarterback Aaron Rodgers, der in Berkeley ein Star gewesen war, anzufeuern, verspürte ich den geradezu verzweifelten Wunsch, den Inseln zu entfliehen. Die beiden endemischen Landvogelarten auf Robinsón hatte ich schon gesehen, und die Aussicht auf eine weitere Woche dort, ohne die Chance, etwas Neues zu Gesicht zu bekommen, schien mir geisttötend langweilig — eine Übung im Entzug eben jener Geschäftigkeit, der zu entfliehen ich so entschlossen gewesen war, einer Geschäftigkeit, deren Annehmlichkeit ich jetzt erst zu schätzen wusste.
Zurück auf Robinsón, bat ich meinen Wirt, Ramón, doch zu versuchen, mir für einen der Flüge der nächsten Tage einen Platz zu besorgen. Beide Flüge waren ausgebucht, doch als ich beim Mittagessen saß, kam zufällig die Vertreterin einer der örtlichen Fluggesellschaften in die Gaststätte, und Ramón bedrängte sie, sie möge mich in einer dritten Maschine, ausschließlich Fracht, mitfliegen lassen. Die Vertreterin sagte nein. Aber wie wäre es mit dem Copilotensitz? fragte Ramón sie. Könnte er nicht auf dem Copilotensitz mitfliegen? Nein, sagte die Frau, auch auf dem Copilotensitz würden Hummerkisten gestapelt.
Und so machte ich, obwohl ich es nicht wollte oder weil ich es nicht wollte, die Erfahrung, wirklich auf einer Insel gestrandet zu sein. Ich aß zu jeder Mahlzeit das gleiche schlechte chilenische Weißbrot, den gleichen undefinierbaren Fisch ohne Soße und Würze, mittags und abends. Ich lag in meinem Zimmer und las Robinson Crusoe zu Ende. Ich beantwortete den Stapel Briefe, den ich mitgebracht hatte, mit Postkarten. Ich übte, im Stillen die s ins chilenische Spanisch einzufügen, die von den Sprechern weggelassen wurden. Ich bekam den Juan-Fernández-Kolibri, einen fabelhaft großen zimtfarbenen Kolibri, den eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten auszurotten drohen, besser zu sehen. Ich wanderte über die Berge ins Grasland, wo das jährliche Rinderbrand-Fest stattfand, und ich sah Reitern zu, die eine Dorfherde in den Pferch trieben. Die Kulisse war spektakulär — weit geschwungene Hänge, vulkanische Gipfel, weißgekröntes Meer — , aber die Hänge waren nackt und von der Erosion tief zerfurcht. Von den gut hundert Rindern waren wenigstens neunzig unterernährt, die meisten solche Gerippe, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie sich überhaupt auf den Beinen hielten. Eine Herde war traditionell eine Proteinreserve gewesen, und die Dorfbewohner freuten sich immer noch am Ritual des Einfangens und Markierens, aber sahen sie denn nicht, was für eine traurige Travestie aus ihrem Ritual geworden war?
Angesichts dreier weiterer Tage, die ich füllen musste, und meiner vom Bergabwandern mürben Knie, blieb mir nichts anderes übrig, als Samuel Richardsons ersten Roman Pamela anzufangen, den ich hauptsächlich deshalb mitgebracht hatte, weil er viel kürzer ist als Clarissa. Alles, was ich bis dahin über Pamela wusste, war, dass Henry Fielding ihn in Shamela, seinem ersten Vorstoß auf das Feld des Romanschreibens, parodiert hatte. Aber dass Shamela nur eine von vielen Veröffentlichungen in unmittelbarer Reaktion auf Pamela war und Pamela die wohl aufregendste Neuigkeit im London des Jahres 1741 abgegeben hatte, wusste ich nicht. Kaum hatte ich jedoch angefangen zu lesen, verstand ich, warum: Der Roman ist unwiderstehlich und knistert vor Sex und Klassenkonflikten und beschreibt psychologische Extreme mit einer Genauigkeit wie keiner zuvor. Pamela Andrews ist nicht alles und mehr. Sie ist einfach und eindeutig Pamela, ein schönes Dienstmädchen, deren Tugendhaftigkeit vom Sohn ihres verstorbenen Dienstherrn fintenreich und fortgesetzt bedroht wird. Ihre Geschichte wird in Briefen an ihre Eltern erzählt, und als sie herausfindet, dass diese Briefe von ihrem Möchtegern-Verführer abgefangen und gelesen werden, schreibt sie weiter welche, wissend, dass Mr. B. sie lesen wird. Pamelas Frömmigkeit und selbstinszenierte Hysterie mussten eine bestimmte Sorte Leser zur Weißglut bringen (eines der als Reaktion veröffentlichten Bücher parodierte Richardsons Untertitel «Die belohnte Tugend» als «Geheuchelte Unschuld, ertappt»), aber unter ihrer schrillen Tugendhaftigkeit und Mr. B.s wollüstigen Intrigen verbirgt sich eine bestechend erzählte Liebesgeschichte. Es war die realistische Kraft dieser Geschichte, die das Buch zu einem so bahnbrechenden Ereignis machte. Defoe hatte das Territorium des radikalen Individualismus abgesteckt, der sich noch für Romanciers wie Beckett und Wallace als fruchtbares Thema erwies, aber Richardson gewährte als Erster uneingeschränkten fiktiven Zugang zu den Herzen und Köpfen von Individuen, deren Einsamkeit von der Liebe zu einem anderen überwältigt worden war.
Genau in der Mitte von Robinson Crusoe, Robinson ist seit fünfzehn Jahren allein, entdeckt er einen einzelnen menschlichen Fußabdruck am Strand, und «the fear of man», die Menschenangst, macht ihn buchstäblich verrückt. Nachdem er zu dem Schluss gekommen ist, dass der Fußabdruck weder sein eigener noch der des Teufels ist, sondern vielmehr der eines menschenfressenden Eindringlings, macht er aus seiner Garteninsel eine Burg und kann mehrere Jahre an kaum etwas anderes denken als daran, sich zu verbergen und eingebildete Invasoren abzuwehren. Er staunt über die Ironie: