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«Wie heißt es so schön: ‹Fordere dein Glück nicht heraus›», sagte Conlin.

In diesem Augenblick tauchte der rote Pick-up wieder auf und hielt fünfzig Meter entfernt mit einem Ruck. Drei Männer sprangen heraus und kamen auf uns zugerannt, wobei sie mit tennisballgroßen Steinen nach uns warfen. Ich hatte immer angenommen, es könne nicht so schwer sein, ein paar geworfenen Steinen auszuweichen, doch leicht war es nicht. Sowohl Conlin als auch Heyd wurden getroffen. Rutigliano filmte, Mensi machte Fotos, und alle riefen wild durcheinander — «Film weiter, film weiter!» «Ruf die Polizei an!» «Wie ist die Nummer?» Mit Rücksicht auf den Laubsänger in meinem Rucksack und weil ich nicht für ein CABS-Mitglied gehalten werden wollte, folgte ich Heyd, der sich über den Hügel zurückzog. In nicht ganz sicherer Entfernung blieben wir stehen und sahen, wie zwei der Männer sich auf Mensi stürzten und versuchten, ihm Rucksack und Kamera zu entreißen. Die beiden waren braungebrannt und in den Dreißigern, und sie riefen: «Warum tut ihr das? Warum macht ihr Fotos?» Mensi schrie laut, unter dem T-Shirt zeichneten sich seine Muskeln ab, und er presste die Kamera an seinen Bauch. Die Männer knöpften ihn sich vor, warfen ihn zu Boden und fielen über ihn her; es entstand ein heftiges Handgemenge. Ich konnte Rutigliano nicht sehen, erfuhr aber später, dass man ihn ins Gesicht geschlagen, zu Boden gestoßen, gegen die Beine und in die Rippen getreten hatte. Die Männer zerschmetterten seine Videokamera auf einem Stein und schlugen Mensi damit auf den Kopf. Conlin stand in beeindruckend soldatischer Haltung mitten in dem Durcheinander, hielt zwei Handys in den Händen und versuchte, die Polizei anzurufen. Hinterher erzählte er mir, er habe den Männern zugerufen, dass er sie, sollten sie ihn auch nur anrühren, vor den Kadi zerren werde.

Heyd hatte sich weiter zurückgezogen, was, wie ich fand, sehr vernünftig war. Als ich sah, dass er sich umdrehte, erbleichte und blindlings losrannte, geriet ich ebenfalls in Panik.

Wer vor einer Gefahr flieht, läuft anders als sonst: Man achtet nicht auf seine Schritte. Ich sprang über eine Mauer, rannte durch ein Feld voller Dornbüsche, stolperte in einen Graben, prallte mit dem Kinn gegen einen Draht und fand, nun sei es genug. Ich sorgte mich um den Laubsänger in meinem Rucksack. Heyd durchquerte einen großen Garten, sagte etwas zu einem mittelalten Mann und rannte dann, mit noch immer ängstlichem Gesicht, weiter. Ich ging zum Besitzer des Gartens und versuchte, ihm die Situation zu erklären, doch er sprach nur Griechisch. Besorgt und misstrauisch zugleich holte er seine Tochter, die mir auf Englisch mitteilte, dass ich mich im Garten des Bezirkschefs von Greenpeace befand. Sie bewirtete mich mit Wasser und zwei Tellern voller Kekse, bevor sie meine Geschichte ihrem Vater erzählte, der nur ein einziges wütendes Wort äußerte. «Barbaren!», übersetzte seine Tochter.

Zurück am Mietwagen, unter regenschweren Wolken, betastete Mensi vorsichtig seine Rippen und untersuchte die Schnitte und Abschürfungen an den Armen; Kamera wie Rucksack waren ihm gestohlen worden. Conlin zeigte mir die zerstörte Videokamera, und Rutigliano, der seine Brille verloren hatte und stark hinkte, gestand mir in sachlichem Fanatismus: «Ich wollte ja, dass so was passiert — nur nicht, dass es so schlimm wird.»

Ein zweites CABS-Team war eingetroffen, die Männer liefen mit grimmigen Gesichtern herum. In ihrem Wagen befand sich ein leerer Weinkarton, in den ich, gerade als neben uns ein Polizeiwagen hielt, den Waldlaubsänger setzte, der zwar verschreckt, aber eigentlich nicht sonderlich mitgenommen wirkte. Ich hätte mich angesichts seiner Rettung noch besser gefühlt, wenn ich nicht auf meinem Handy die Nachricht eines zypriotischen Freundes gesehen hätte, der unsere Verabredung zu einem heimlichen Ambelopoulia-Essen für den nächsten Abend bestätigte. Ich versuchte mir einzureden, dass ich mich wie ein guter Journalist auf das Beobachten beschränken und selbst keinen Vogel essen würde; wie ich das allerdings anstellen sollte, war mir nicht ganz klar.

Jedes Frühjahr ziehen etwa fünf Milliarden Vögel von Afrika nach Europa und Asien, um dort zu brüten, und alljährlich werden Hunderte Millionen absichtlich von Menschen getötet, hauptsächlich entlang der Vogelzugrouten über das Mittelmeer. Mit Sonargeräten und Schleppnetzen hat man das Meer leer gefischt, und der Himmel darüber wird mit extrem effektiver Technologie — nämlich elektronischen Aufnahmen von Vogelgesang — leergefegt. Dank der Vogelschutzrichtlinie sowie anderer Schutzverordnungen hat sich die Situation einiger stark gefährdeter Vogelarten seit den 1970er Jahren leicht entspannt, doch das Treiben der Jäger im Mittelmeerraum droht diese marginale Verbesserung zunichtezumachen. Zypern hat versuchsweise die Frühjahrsjagd auf Wachteln und Turteltauben eingeführt, Malta hat im April 2009 die Frühjahrsjagd erlaubt, und im Mai desselben Jahres beschloss das italienische Parlament ein Gesetz zur Verlängerung der Jagdzeit im Herbst. Während die europäischen Regierungen sich gern als Vorreiter in Sachen Umweltschutz gebärden — jedenfalls belehren sie die USA und China hinsichtlich der CO2-Emissionen, als wären sie die reinsten Musterknaben — , sind die Populationen vieler europäischer Stand- und Zugvögel in den vergangenen zehn Jahren alarmierend geschrumpft. Man muss kein Vogelbeobachter sein, um den Ruf des Kuckucks, das Kreisen der Kiebitze über den Feldern und den Gesang der Grauammer auf den Telefondrähten zu vermissen. Die durch Lebensraumverluste und intensive Landwirtschaft bereits stark belastete Vogelwelt treibt dank Jägern und Vogelfängern in erhöhtem Tempo der Ausrottung entgegen. In der Alten Welt wird der Frühling vermutlich viel eher stumm sein als in der Neuen.

Die Republik Malta besteht aus mehreren dicht bevölkerten Kalksteininseln, deren Fläche zusammengenommen etwa so groß ist wie München, und ist das vogelfeindlichste Gebiet in ganz Europa. Zwölftausend registrierte Jäger gibt es auf Malta (sie machen etwa drei Prozent der Gesamtbevölkerung aus), und viele von ihnen betrachten es als ihr Geburtsrecht, zu jeder Jahreszeit und ohne Rücksicht auf den Schutzstatus jeden Vogel zu schießen, dessen Route ihn unglücklicherweise über diese Inselgruppe führt. Die Malteser schießen Bienenfresser, Wiedehopfe, Pirole, Sturmtaucher, Störche und Reiher. Sie stehen am Zaun des internationalen Flughafens und schießen zur Übung auf Schwalben. Sie schießen von Flachdächern und den Seitenstreifen vielbefahrener Straßen. Sie drängen sich in engen, in die Steilküsten gebauten Unterständen und mähen ganze Schwärme ziehender Falken nieder. Sie schießen gefährdete Greifvögel wie Schreiadler und Steppenweihen, für deren Schutz in weiter nördlich gelegenen Ländern Millionen von Euros ausgegeben werden. Seltene Exemplare werden ausgestopft und der Trophäensammlung hinzugefügt; nicht so seltene lässt man einfach liegen oder versteckt sie unter Steinen, damit sie den Schützen nicht verraten. Wenn italienische Vogelbeobachter einen Zugvogel sehen, dem Schwung- oder Schwanzfedern fehlen, sprechen sie von «Malteser Gefieder».

In den 1990er Jahren, als man über den Beitritt zur EU verhandelte, begann die Regierung, eine bereits bestehende Verordnung zum Schutz nicht jagdbarer Tiere auch durchzusetzen. Das erregte Aufsehen, selbst bei weit entfernt tätigen Organisationen wie der britischen Royal Society for the Protection of Birds, die zur Unterstützung der Behörden sogleich Freiwillige entsandte. «Die Situation ist nicht mehr verzweifelt, sondern nur noch übel», sagte mir einer von ihnen. Doch maltesische Jäger stehen auf dem Standpunkt, ihr Land sei viel zu klein, um europäischen Vogelpopulationen ernsthaft Schaden zuzufügen, und lehnen diese fremde Einmischung in ihre «Tradition» vehement ab. Der nationale Jagdverband Federazzjoni Kaċċaturi Nassaba Konservazzjonisti schrieb im April 2008 in seinem Rundbrief: «Der FKNK ist der Ansicht, dass die Polizeiarbeit von der maltesischen Polizei erledigt werden sollte und nicht von überheblichen Extremisten aus dem Ausland, die glauben, weil Malta in der EU ist, gehöre es ihnen.»