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Als die Vogelschutzorganisation BirdLife Malta 2006 den Türken Tolga Temuge, der zuvor Greenpeace-Aktionen geleitet hatte, mit einer aggressiven Kampagne gegen die illegale Jagd beauftragte, fühlten sich die Jäger an die Belagerung Maltas durch die Türken im Jahr 1565 erinnert und reagierten mit unverhüllter Wut. Lino Farugia, der Generalsekretär des FKNK, wetterte gegen «den Türken» und seine «maltesischen Lakaien», Personal und Eigentum von BirdLife wurden bedroht und angegriffen. Einem Mitarbeiter wurde ins Gesicht geschossen; drei Wagen, die freiwilligen Helfern von BirdLife gehörten, wurden in Brand gesetzt; in einem Wiederaufforstungsgebiet wurden mehrere tausend junge Bäume ausgerissen, da der entstehende Wald als Konkurrenz zu dem einzigen anderen Wald der Insel gesehen wurde, in dem die Jagd auf rastende Vögel erlaubt ist. Eine vielgelesene Jagdzeitschrift erklärte im August 2008: «Man sollte die moralischen Bindungen und Werte maltesischer Familien nicht unbegrenzt strapazieren; irgendwann wird ihr südländisches Blut überkochen, und man kann nicht erwarten, dass sie in feigem Rückzug ihr Land und ihre Kultur preisgeben.»

Und doch ist, im Gegensatz zu Zypern, die öffentliche Meinung in Malta eindeutig gegen die Jagd. Neben dem Bankwesen ist Maltas Haupteinnahmequelle der Tourismus, und in den Zeitungen gibt es oft wütende Leserbriefe von Touristen, die von Jägern bedroht oder Zeugen grausiger Vogelmassaker wurden. Das maltesische Bürgertum ist keineswegs erfreut, dass die sehr begrenzte freie Natur überlaufen ist von schießwütigen Jägern, die auf öffentlichem Land «Zutritt verboten»-Schilder aufstellen. Im Gegensatz zu BirdLife Cyprus ist es BirdLife Malta gelungen, für eine Medienkampagne mit dem Slogan «Hol dir DEIN Land zurück» Prominente zu gewinnen, darunter auch den Besitzer der Hotelgruppe Radisson.

Malta hat jedoch ein Zweiparteiensystem, und weil gewöhnlich wenige tausend Stimmen die Wahlen entscheiden, können es sich weder die Labour Party noch die Nationalisten leisten, ihre jagdwütigen Wähler so vor den Kopf zu stoßen, dass sie den Urnen fernbleiben. Daher wird die Einhaltung der Jagdgesetze nur sehr lax überwacht: Man stellt so wenige Beamte wie möglich dafür ab, viele Polizisten sind mit Jägern befreundet, und auch gutwillige Polizisten reagieren auf Beschwerden oft nur langsam. Und selbst wenn Verstöße geahndet werden, verhängen maltesische Gerichte gewöhnlich Geldstrafen in Höhe von nur ein paar hundert Euro.

In diesem Jahr hat die von den Nationalisten geführte Regierung die Frühjahrsjagd auf Wachteln und Turteltauben erlaubt, was im Widerspruch steht zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom Herbst zuvor. Laut der Vogelschutzrichtlinie der EU dürfen Mitgliedstaaten «Teilaufhebungen» beantragen, die eine begrenzte Jagd auf eine geschützte Spezies erlauben, sofern ein «angemessener Grund» vorliegt, sei es das Eindämmen von Vogelschwärmen in der Nähe von Flughäfen, sei es die Subsistenzjagd traditionell orientierter ländlicher Gemeinschaften. Die maltesische Regierung hat eine solche Teilaufhebung beantragt zur Pflege der «Tradition» der Frühjahrsjagd, die normalerweise verboten ist, und der Gerichtshof stellte fest, dass Malta drei der vier vorgeschriebenen Kriterien nicht erfüllte: strikte Einhaltung der Jagdzeit, geringe Abschusszahlen sowie Parität mit anderen EU-Mitgliedern. Im Hinblick auf das vierte Kriterium — die Frage, ob es «Alternativen» gibt — präsentierte Malta Zählungen, aus denen hervorgeht, dass die Herbstjagd auf Wachteln und Turteltauben im Vergleich zur Frühjahrsjagd weniger ertragreich ist. Obgleich man weiß, dass solche Zählungen nicht sehr zuverlässig sind (der Generalsekretär des FKNK hat öffentlich zugegeben, dass die tatsächliche Jagdstrecke zehnmal höher sein könnte, als die offiziellen Zahlen besagen), vertraut die Europäische Kommission im Allgemeinen auf die von Regierungen der Mitgliedstaaten vorgelegten Zahlen. Des Weiteren argumentierte Malta, strikte Schutzmaßnahmen seien nicht erforderlich, da Wachteln und Turteltauben nicht weltweit gefährdet seien (in Asien gibt es sie noch zahlreich). Die Anwälte der Kommission versäumten es, darauf hinzuweisen, dass das Entscheidende der Status der Spezies innerhalb der EU ist, und dort gehen ihre Zahlen tatsächlich dramatisch zurück. So entschied der Gerichtshof zwar gegen Malta und die Frühjahrsjagd, räumte jedoch ein, dass eines der vier Kriterien erfüllt sei. Und in Malta erklärte die Regierung, man habe einen «Sieg» errungen, und gab Anfang April die Jagd frei.

Ich begleitete Tolga Temuge, einen Mann mit Pferdeschwanz, der gern und ausgiebig flucht, am ersten Tag der Jagdsaison bei einer frühmorgendlichen Patrouille. Wir rechneten nicht damit, auf viele Jäger zu treffen, denn der FKNK hatte, verärgert über die Vorgaben der Regierung — die Saison dauerte nicht wie sonst sechs bis acht Wochen, sondern nur sechs halbe Tage, und es wurden nur 2500 Jagdscheine ausgegeben — , zu einem Boykott aufgerufen und drohte, jeden Jäger, der einen Jagdschein beantragte, «zu benennen und der Schande preiszugeben». Als wir durch das dunkle, staubige Labyrinth des maltesischen Straßensystems fuhren, sagte Temuge: «Die Europäische Kommission hat versagt. Die europäischen Jagdverbände und BirdLife International haben in harten Verhandlungen arterhaltende Jagdbeschränkungen ausgearbeitet, und dann tritt Malta der EU bei und droht, als kleinster Mitgliedstaat, das ganze Gebäude der ausgezeichneten Vogelschutzrichtlinie zum Einsturz zu bringen. Maltas Ausscheren schafft einen Präzedenzfall für andere Mitgliedstaaten, besonders für die am Mittelmeer.»

Als es hell wurde, hielten wir auf einem mit Kalkstein gepflasterten Feldweg zwischen von Mauern eingefassten gelben Heuwiesen und lauschten auf Schüsse. Ich hörte Hundegebell, einen krähenden Hahn, das Brummen von Lastwagen und, irgendwo in der Nähe, elektronischen Wachtelgesang. An anderen Stellen der Insel patrouillierten sechs weitere Teams, die hauptsächlich aus ausländischen Freiwilligen und einigen bezahlten Sicherheitsleuten aus Malta bestanden. Die Sonne ging auf, und in der Ferne hallten Schüsse, aber es waren nicht viele; das Land schien an diesem Morgen praktisch frei von Vögeln zu sein. Wir kamen durch ein Dorf, ein paar Schüsse erklangen. «Verdammt noch mal, es ist doch nicht zu glauben!», rief Temuge. «Und das in einer geschlossenen Ortschaft, verdammt noch mal!» Wir gingen weiter durch den Irrgarten aus Mauern — das, was Malta an offener Landschaft zu bieten hat. Weitere Schüsse lockten uns zu einem kleinen Feld, auf dem zwei Männer um die dreißig mit einem Funkgerät standen. Sobald sie uns sahen, nahmen sie ihre Hacken und bearbeiteten die üppig wachsenden Reihen von Zwiebeln und Bohnen. «Sie wissen Bescheid, wenn einer von uns im Jagdgebiet ist», sagte Temuge. «Alle wissen Bescheid. Wer ein Funkgerät dabeihat, ist mit neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit ein Jäger.» Für Feldarbeit war es, wie mir schien, tatsächlich noch sehr früh, und solange wir dort standen, hörten wir keine weiteren Schüsse. Vier leuchtend gelbe männliche Pirole flogen vorüber. Sie hatten das Pech, Malta als Zwischenstation gewählt zu haben, und das Glück, dass wir dort standen. In einem niedrigen Baum entdeckte ich ein Buchfinkenweibchen. Buchfinken sind in Europa weit verbreitet, kommen in Malta wegen der allgegenwärtigen Finkenfallen jedoch so gut wie gar nicht mehr vor. Als ich Temuge den Vogel zeigte, wurde er ganz aufgeregt. «Ein Buchfink!», sagte er. «Es wäre unglaublich, wenn sich Buchfinken wieder als Brutvögel hier ansiedeln würden.» Es war, als wäre in Nordamerika jemand verwundert, ein Rotkehlchen zu sehen.