JF: Ja, hat sie.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Dafür sollten Sie viel Zeit einplanen. Und was noch?
JF: Na ja, also, ehrlich gesagt hatte ich gehofft, sie und ich könnten ein eher persönliches Gespräch führen. Gemeinsam zurückblicken. Sie hat in all den Jahren viel für mich bedeutet. Vieles symbolisiert. Vieles beschleunigt.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Klar! Natürlich! Für uns alle! Und «persönlich» ist toll — verstehen Sie mich da nicht falsch. Aus nächster Nähe und «persönlich», das ist toll. Es geht bei ihr ja nicht nur um Macht und Geld, sondern auch um Zuhausesein, Familie und Romantik. Machen Sie das, auf jeden Fall, meinen Segen haben Sie. Sehen Sie nur zu, dass Sie gewisse Jahrzehnte meiden. Sagen wir, die Spanne von 65 bis 85, so ungefähr. An was denken Sie denn so aus der Zeit davor?
JF: An kaum etwas. Eigentlich nur an ein paar Bettelarmband-Anhänger. Sie wissen schon — der große Ball, der an Silvester pünktlich um Mitternacht am Times Square runtergelassen wurde, was im Mittelwesten schon um elf im Fernsehen kam. Und die Niagarafälle, die zu meinem großen Erstaunen jeden Abend abgestellt wurden. Und die Freiheitsstatue, von der man uns erzählte, sie sei aus Pennys gemacht, die französische Schulkinder gespendet hätten. Und das Empire State Building. Der Song «Fifteen Miles on the Erie Canal». Das war’s auch schon.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): «Das war’s auch schon?» Das war’s auch schon? Sie haben gerade fünf amerikanische Mega-Ikonen allererster Sahne genannt! Fünf! Nicht so übel, würde ich sagen! Gibt es irgendeinen Staat, der auch nur annähernd so viel vorzuweisen hat?
JF: Kalifornien?
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Abgesehen von Kalifornien?
JF: Aber das war doch alles nur Kitsch. Es hat mir nichts bedeutet. Viel besser habe ich New York durch Harriet — Spionage aller Art … kennengelernt, ein Kinderbuch. Die erste Figur aus der Literatur, in die ich mich verliebte, war ein Mädchen aus Manhattan. Und ich liebte sie nicht nur — ich wollte sie sein. Mein ganzes schönes Vorstadtleben wollte ich aufgeben, an die Upper East Side ziehen und Harriet M. Welsch sein, mit ihrem Notizbuch und ihrer Taschenlampe und ihren lockeren Eltern. Und noch heftiger verliebte ich mich, ein paar Jahre später, in ihre Freundin Beth Ellen aus dem Fortsetzungsband. Auch von der Upper East Side. Sie verbrachte jeden Sommer in Montauk. War reich, dünn, blond. Und so wunderschön unglücklich. Ich dachte, ich könnte Beth Ellen glücklich machen. Ich dachte, ich wäre der eine Mensch auf der Welt, der sie verstand und sie glücklich machen könnte, wenn ich nur jemals aus St. Louis wegkäme.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): So. Das klingt alles ein kleines bisschen, hm … bizarr. Ich meine den Minderjährigkeitsaspekt daran. Selbstverständlich ist New York sehr stolz auf die lange Tradition der Vielfalt und Toleranz — da fällt mir ein, Sekunde mal eben, ich habe eine Idee. (Wählt.) Jeremy? Ja, ich bin’s, Rick. Hören Sie, haben Sie eine Minute Zeit für einen Besucher? Ja, unser «Schriftsteller», genau, genau, macht eine Art Reiseführer. Wir sind gerade dabei, ihm ein paar Aspekte zu liefern, und — oh. Oh, fabelhaft, das war mir nicht klar. Toleranz und Vielfalt? Phantastisch! Ich bringe ihn gleich rüber. (Legt auf.) Unser Historiker hat was für Sie. Hat Ihnen ein ganzes Paket zusammengestellt. Hier tobt ein solcher Wahnsinn, dass die rechte Hand nicht mehr weiß, was die linke tut.
JF: Das ist sehr freundlich. Aber ich bin nicht sicher, ob ich so ein Paket brauche.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Glauben Sie mir, das da werden Sie haben wollen. Jeremy, hö hö, macht’s ganz ausgezeichnet. Und — ohne Ihre Illusionen zerstören zu wollen — wenn Sie erst Ihr Buch schreiben, wird es Ihnen vielleicht noch gute Dienste leisten. Für den Fall, dass das Interview nicht ganz hergibt, was Sie sich erhoffen. Sind wir uns übrigens über die Grundregeln einig? Würden Sie die noch mal wiederholen?
JF: Die interessanten Jahrzehnte umschiffen?
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Ja. Gut. Und auch Ihre Schwäche für die kleinen Mädchen.
JF: Aber ich war damals selbst noch ein Kind!
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Ich warne Sie ja nur, denn sie wird dafür nicht empfänglich sein. Aber Ihre Leidenschaft für sie und ihre aufregenden neuen Projekte? Ja! Absolut! Hingegen Ihre Leidenschaft für fiktive vorpubertäre Upper-East-Side-Küken in den rauen Sechzigern? Eher nicht. Bitte folgen Sie mir, hier entlang.
JF: Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, wann ich sie endlich selbst sprechen kann?
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Jeremy? Ich möchte Sie mit unserem «Schriftsteller» bekannt machen. Interessanterweise aus Manhattan.
Historiker von New York (State): Toleranz … Vielfalt … Und zentrale Lage. Sind die drei Kennworte der Vorrangstellung des Bundesstaates New York.
Persönlicher Bevollmächtigter von New York (State): Ich lasse Sie beide dann mal allein, damit Sie ein wenig plaudern können.
Historiker von New York (State): Toleranz … Vielfalt … Zentrale Lage.
JF: Hallo! Nett, Sie kennenzulernen.
Historiker von New York (State): Im Norden: das puritanische Neuengland. Im Süden: die großen Plantagenkolonien mit ihrer Besitz-Sklaverei. Dazwischen: ein großartiger Tiefseehafen und ein System hervorragend schiffbarer Wasserwege, dazu noch Land, das mit einer Fülle natürlicher Ressourcen gesegnet und von den merkantilen, für ihre Toleranz bekannten Holländern besiedelt war. Sie gehörten zu den ersten Nationen, die offen die Verbindung zwischen Unternehmertum und persönlicher Freiheit ausgesprochen haben — zwischen materiellem Gewinn und Erkenntnisgewinn; und Neu-Niederland war ihr geistiges Kind. Die Niederländische Ostindien-Kompanie hatte Glaubensverfolgung ausdrücklich verboten — eine Einschränkung, gegen die der autokratische Gouverneur Peter Stuyvesant häufig tobte und eiferte. Die ersten Juden erreichten New York 1654, sie hatten sich Quäker-Immigranten aus England und puritanischen Abtrünnigen aus Massachusetts angeschlossen, darunter Anne Hutchinson und ihre Familie. Stuyvesant wurde von seiner Kompanie dafür gerügt, dass er die Juden und Quäker schikanierte. Bei seiner Verteidigung beschwerte er sich, Neu-Niederland sei, Zitat, «mit den Abfällen aller möglichen Nationalitäten bevölkert». Zum Glück für uns alle ist die wunderbare Enkelin Neu-Niederlands, unsere geliebte «Empire State», bis auf den heutigen Tag auf diese Art bevölkert. Sie ist die liebenswürdige und einzig vorstellbare Gastgeberin der Vereinten Nationen, die leidenschaftliche Verfechterin gleicher Rechte für Schwule, Lesben und Transsexuelle, die Schöpfkelle des Schmelztiegels, die Wiege des amerikanischen Feminismus. In einem einzigen Schulbezirk in Elmhurst, Queens, werden fast einhundertundfünfzig Sprachen gesprochen. Und doch sprechen alle die eine gleiche, universelle Sprache d–
JF: Des Geldes?
Historiker von New York (State): Der Toleranz. Aber natürlich auch des Geldes, ja. Das geht Hand in Hand. New Yorks gewaltiges Vermögen ist ein Beleg für diese Aussage.