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JF: Da schwirrt einem ja der Kopf.

Geologe von New York (State): Der Kosmopolitanismus von New York City gründet, geologisch gesprochen, ebenfalls tief. Immerhin empfangen wir seit über einer halben Milliarde Jahren ausländische Gäste. Erwähnenswert hier vor allem der afrikanische Kontinent, der vor ungefähr dreihundert Millionen Jahren herüberkam, Amerika rammte, lange genug blieb, um die Allegheny Mountains aufzufalten, und wieder gen Osten abzog. Sehen Sie sich mal eine geologische Karte von New York an, sie erinnert stark an eine Karte der ethnischen Verteilung. Die felsige Geologie des Nordens ist fast uniform weiß — große Kalkablagerungen aus der Zeit, als New York ein flaches subtropisches Meer war. Aber weiter zum Hudson und zum Manhattan-Ausläufer hin werden die Felsformationen unglaublich heterogen, zerklüftet und fragmentiert. Man findet dort Überreste von allem möglichen Kram, der den Kontinent tektonisch gerammt hat, plus anderen Kram von diversen auf Grabenbrüche folgenden magmatischen Eruptionen, plus weiteren Kram, der von den Gletschern dorthin geschoben wurde. Im Süden sieht der Staat wie ein Schmelztiegel aus, in dem mal ordentlich umgerührt werden müsste. Und warum? Weil New York eben tatsächlich schon immer sehr zentral lag. Es liegt am äußersten südöstlichen Zipfel des ursprünglichen nordamerikanischen Schilds und am höchsten Punkt des appalachischen Faltengürtels und am westlichen Rand all des verwachsenen Vulkaninsel-Mistkrams von Neuengland, der dem Kontinent angefügt wurde, und in einer nordwestlichen Ecke unseres sich ständig ausbreitenden Atlantiks. Die Tatsache, dass New York eine Verbindung zwischen all diesen Dingen darstellt, erklärt zum Teil, warum dieser Bundesstaat zum offensten, gastlichsten Staat an der ganzen Küste geworden ist, mit seinen bequemen Routen rauf nach Kanada und rüber in den Mittelwesten. Denn in New York tobt seit Hunderten von Millionen Jahren ganz buchstäblich das Leben.

JF: Komisch, wenn ich Ihnen so zuhöre, kommt mir das alles so viel weniger historisch vor als meine eigenen frühen Zwanziger. Dreihundert Millionen Jahre sind nichts im Vergleich dazu, wie lange mein letztes Collegejahr her ist. Und selbst die Collegezeit scheint relativ nah im Vergleich zu den Jahren direkt danach. Den Jahren, als ich verheiratet war. Apropos gemarterte, tiefgründige Geologie.

Geologe von New York (State): Ich nehme nicht an, dass Sie Ihre lebhafte Cousine geheiratet haben?

JF: Nein, nein, nein. Aber eine New Yorkerin. So wie ich es mir immer erträumt hatte. Ihre Familie väterlicherseits lebte seit dem 17. Jahrhundert in Orange County. Und ihre Mutter hieß Harriet. Und sie hatte zwei magere jüngere Schwestern, die mich sehr an die Mädchen auf der Rückbank von Marthas Limousine erinnerten. Und sie war wunderschön unglücklich.

Geologe von New York (State): Unglücklich war noch nie meine Vorstellung von wunderschön.

JF: Meine aus irgendeinem Grund schon. Vor dreihundert Millionen Jahren. Als wir mit dem College fertig waren, bezogen wir als Allererstes eine Wohnung an der West 110th Street, zur Untermiete und auf Zeit. Bis zum Ende des Sommers hatte ich mich derart in die Stadt verliebt, dass der Heiratsantrag, den ich meiner Freundin machte, sich fast von selbst ergab. Ein Jahr später heirateten wir tatsächlich, auf einem Berghang in Orange County, nicht weit von dort, wo der Palisades Parkway endet. Spät am Tag stiegen wir in unseren Chevy Nova, um nach Boston zurückzufahren, und überquerten den Hudson auf der Bear-Mountain-Brücke. Ich erzählte dem Mautbeamten, wir hätten gerade geheiratet, und er winkte uns durch. Ich kann, ohne zu übertreiben, sagen, dass wir damals glücklich waren und auch in den folgenden fünf Jahren — glücklich, in Boston zu sein, glücklich, New York zu besuchen, glücklich, uns aus der Ferne danach zu sehnen. Erst als wir beschlossen, dauerhaft dort zu leben, begannen unsere Probleme.

Pressesprecherin von New York (State) (von weit her): Hal? Hallo? Hal?

Geologe von New York (State): Oh — entschuldigen Sie. Janelle! Falsche Richtung! Hier sind wir! Janelle! Sie findet mich nie … Janelle!

Pressesprecherin von New York (State): Ach, das ist schrecklich, schrecklich! Jon, schon seit fünf Minuten hat sie Zeit für Sie, und ich irre und irre hier in diesem Labyrinth herum. Ich weiß, dass ich Ihnen eine halbe Stunde zugesagt hatte, aber ich fürchte, Sie werden sich nun wohl mit fünfzehn Minuten zufriedengeben müssen. Und, tut mir leid, aber wenn Sie sich hier hinten bei Hal verstecken, dann sind Sie auch ein bisschen selbst dran schuld. Ehrlich, Hal, Sie müssten hier mal eine Fluchtwegbeleuchtung installieren lassen oder so was.

Geologe von New York (State): Ich bin schon froh, dass ich überhaupt irgendwelche Mittel bekomme.

JF: War nett, mit Ihnen zu reden.

Pressesprecherin von New York (State): Kommen Sie, na kommen Sie schon. Wir müssen uns beeilen! Ich hätte Brotkrumen hinter mir ausstreuen sollen … Man könnte sich hier hinlegen und sterben, und es würde möglicherweise keiner merken. Sie mag es überhaupt nicht, wenn man sie auch nur fünf Sekunden warten lässt! Und Sie wissen, wem sie die Schuld geben wird, nicht wahr?

JF: Mir?

Pressesprecherin von New York (State): Nein! Mir! Mir! Oh, da sind wir ja, wir kommen-kommen-kommen-kommen schon, hier, gehen Sie nur rein, sie erwartet Sie — los — und vergessen Sie nicht, sie nach den Bildern zu fragen –

JF: Hallo!

New York (State): Hallo. Kommen Sie herein.

JF: Es tut mir furchtbar leid, dass ich Sie habe warten lassen.

New York (State): Mir auch. Es verkürzt die ohnehin begrenzte Zeit, die uns zur Verfügung steht.

JF: Ich bin seit halb neun hier, und in der letzten halben Stunde –

New York (State): Mhm.

JF: Wie auch immer, ich freue mich sehr. Sie sehen fabelhaft aus. Sehr, hm, gut beieinander.

New York (State): Danke.

JF: Es ist so lange her, dass wir miteinander allein waren, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

New York (State): Wir waren mal miteinander allein?

JF: Sie erinnern sich nicht?

New York (State): Vielleicht schon. Vielleicht können Sie es mir ins Gedächtnis rufen. Oder auch nicht. Manche Männer hinterlassen einen stärkeren Eindruck als andere. Die billigen Rendezvous vergesse ich meistens. War es ein billiges Rendezvous?