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Da ich nun schon mal im refugio war, wechselte ich meine von der Kletterei durch Tau und Nebel durchweichten Kleider und versuchte, das Innere meiner Stiefel mit dem überschüssigen Toilettenpapier, das ich gekauft hatte, zu trocknen. Ich entdeckte, dass die GPS-Einheit, das einzige Gerät, für das ich keine Ersatzbatterien dabeihatte, den ganzen Tag lang eingeschaltet gewesen war und Strom verbraucht hatte, und bekämpfte die Angst, die das in mir auslöste, indem ich mit noch mehr Klopapier-Wülsten alles Wasser und allen Schlamm vom refugio-Boden wischte. Schließlich wagte ich mich auf einen Felsvorsprung hinaus und hielt nach einem Lagerplatz jenseits der refugio-Penumbra aus Maultierkot Ausschau. Ein Bussard stieß genau über meinem Kopf herab; ein Uferwipper rief keck von einem Felsbrocken aus. Nach viel Lauferei und viel Für und Wider entschied ich mich für eine Senke, die einigermaßen Schutz vor dem Wind und keine Sicht auf das refugio bot, und dort picknickte ich Käse und Salami.

Ich war seit vier Stunden allein. Ich baute mein Zelt auf, verzurrte das Gestell an einigen Felsen, beschwerte die Heringe mit den größten Steinen, die ich tragen konnte, und kochte auf meinem kleinen Butangaskocher Kaffee. Zurück im refugio, arbeitete ich an meinem Stiefeltrocknungsprojekt, wobei ich alle paar Minuten eine Pause einlegte, um die Fliegen, die beständig hereinfanden, aus dem Fenster zu scheuchen. Offenbar konnte ich mir den Komfort des refugio so wenig abgewöhnen wie die modernen Ablenkungen, denen zu entkommen ich doch angeblich hier war. Ich holte einen weiteren Schlauchvoll Wasser und nutzte den großen Topf und den Propangasherd, um Badewasser zu erhitzen, und es war, nach meinem Bad, einfach viel angenehmer, wieder reinzugehen und mich mit dem Microfaserhandtuch abzutrocknen und mich anzuziehen, als das alles draußen in Dreck und Nebel zu tun. Und weil ich schon so kompromittiert war, machte ich weiter und trug eine der Schaumstoffmatratzen runter zum Felsvorsprung und legte sie in mein Zelt. «Aber das war’s», sagte ich laut zu mir. «Jetzt ist Schluss.»

Abgesehen vom Summen der Fliegen und dem gelegentlichen Ruf eines Uferwippers, war die Stille an meinem Lagerplatz vollkommen. Manchmal lichtete sich der Nebel ein bisschen, und ich konnte die felsigen Hänge und feuchten, farnbewachsenen Täler sehen, bevor sich der Vorhang wieder senkte. Ich holte mein Notizbuch hervor und notierte, was ich in den vergangenen sieben Stunden getan hatte: Wasser geholt, Mittag gegessen, Zelt aufgebaut, Bad genommen. Doch als ich in Erwägung zog, bekenntnishaft zu schreiben, in einer «Ich»-Stimme, stellte ich fest, dass ich mir meiner selbst dafür zu bewusst war. Offenbar hatte ich mich in den vergangenen fünfunddreißig Jahren derart daran gewöhnt, mich selbst zur Erzählung zu machen, mein Leben als Geschichte zu erleben, dass ich die Journale nur noch zur Problemlösung und zur Selbstbefragung nutzen konnte. Selbst mit fünfzehn, in Idaho, hatte ich nicht aus dem Innern meiner Verzweiflung geschrieben, sondern erst nachdem ich sie sicher überwunden hatte, und die Geschichten, die mir etwas bedeuteten, waren nun umso mehr jene, die — ausgewählt, geklärt — im Rückblick erzählt wurden.

Mein Plan für den nächsten Tag war, einen Más-Afuera-Schlüpfer zu sehen. Allein das Wissen darum, dass es den Vogel hier gab, machte die Insel für mich interessant. Wenn ich losziehe, um neue Vogelarten zu beobachten, suche ich nach einer zumeist verlorenen Authentizität, nach den Überbleibseln einer Welt, die jetzt großteils von Menschen überlaufen ist, uns aber noch immer wunderbar gleichgültig gegenübersteht; einen seltenen Vogel zu erspähen, der irgendwie an seinem Leben aus Brüten und Füttern festhält, ist eine dauerhaft transzendente Freude. Ich beschloss, im Morgengrauen aufzustehen und, wenn nötig, den ganzen Tag dafür aufzuwenden, nach Los Inocentes zu finden und zurück. Von der Aussicht auf diese nicht wenig anspruchsvolle Aufgabe ermuntert, machte ich mir eine Schüssel Chili und zog, obwohl das Tageslicht noch nicht geschwunden war, den Reißverschluss zu. Auf der sehr bequemen Matratze, in einem Schlafsack, den ich seit der Highschool besaß, und mit einer Lampe auf der Stirn, legte ich mich hin, um Robinson Crusoe zu lesen. Zum ersten Mal an diesem Tag war ich glücklich.

Einer der ersten großen Fans von Robinson Crusoe war Jean-Jacques Rousseau. Er empfahl den Roman, in Émile, als Grundlagentext für die Kindererziehung. In der feinen Tradition französischer Verhunzung hatte Rousseau nicht den vollständigen Text im Sinn, sondern nur den langen zentralen Abschnitt, in dem Robinson erzählt, wie er ein Vierteljahrhundert lang allein auf einer einsamen Insel überlebt. Wenige Leser würden bestreiten, dass dies der fesselndste Teil des Romans ist, neben dem Robinsons Abenteuer davor und danach (er wird von einem türkischen Piraten versklavt, wehrt die Angriffe riesiger Wölfe ab) routiniert und glanzlos wirken. Zum Teil liegt der Reiz der Geschichte in der Genauigkeit von Robinsons Bericht: den «drei Hüten, einer Mütze und zwei ungleichen Schuhen», die alles sind, was von seinen ertrunkenen Schiffskameraden übrig ist, dem Katalog nützlicher Dinge, die er aus dem Wrack birgt, den Schwierigkeiten der Pirsch auf die verwilderten Ziegen, die die Insel bewohnen, den Einzelheiten der Neuerfindung von Möbeln, Booten, Töpferwaren und Brot. Doch was diese abenteuerlosen Abenteuer wirklich lebendig und verblüffend spannend macht, ist der Umstand, dass der durchschnittliche Leser sie sich so gut vorstellen kann. Ich habe keine Ahnung, was ich täte, würde ich von einem Türken versklavt oder von Wölfen bedroht; sehr gut möglich, dass ich zu große Angst hätte, um zu tun, was Robinson tut. Aber von seinen praktischen Lösungen für Probleme wie Hunger und Schutzlosigkeit und Krankheit und Einsamkeit zu lesen heißt, in die Erzählung eingeladen zu werden und mir vorzustellen, was ich getan hätte, wäre ich ebenso gestrandet, und meine eigene Ausdauer und Findigkeit und Emsigkeit an der Robinsons zu messen. (Ich bin sicher, mein Vater hat das auch getan.) Bis die größere Welt in Gestalt marodierender Kannibalen über die Einsamkeit der Insel hereinbricht, gibt es nur uns beide, Robinson und seinen Leser, und es ist sehr behaglich. In einer actionreicheren Erzählung wären die Seiten, die Robinsons alltägliche Verrichtungen und Gefühle schildern, wohl etwas, was der Kritiker Franco Moretti trocken «Füllsel» genannt hat. Doch die dramatische Entfaltung dieser Art «Füllsel» war, wie Moretti feststellt, eben Defoes große Innovation; solche Geschichten des Alltäglichen wurden zum Inventar realistischer Literatur, bei Austen und Flaubert wie bei Updike und Carver.

Die Gestaltung und teilweise Durchdringung von Defoes «Füllseln» ist schon zuvor Gegenstand großer Formen der Prosaerzählung gewesen: klassischer hellenistischer Romane, die Geschichten von Schiffbrüchen und Versklavungen enthielten; spiritueller Biographien des Katholizismus und Protestantismus; Romanzen aus dem Mittelalter und der Renaissance und spanischer Pikaroromane. Defoes Roman steht außerdem in einer Tradition von Erzählungen oder Pamphleten, die auf dem Leben bekannter Persönlichkeiten basieren oder das zumindest vorgeben; in Crusoes Fall war Alexander Selkirk das Vorbild. Es ist sogar behauptet worden, dass Defoe mit dem Roman ein Stück utopistischer Propaganda bezweckt hat und die religiösen Freiheiten und das wirtschaftliche Potenzial von Englands neuweltlichen Kolonien pries. Die Heterogenität von Robinson Crusoe macht deutlich, wie problematisch, vielleicht sogar absurd es ist, vom «Aufstieg des Romans» zu reden und Defoes Werk als Erstes seiner Art zu beschreiben. Schließlich ist Don Quijote, mehr als ein Jahrhundert zuvor veröffentlicht, offenkundig ein Roman. Und warum sollte man nicht auch die Romanzen Romane nennen, wurden sie doch im 17. Jahrhundert weithin publiziert und gelesen, weshalb die meisten europäischen Sprachen bis heute nicht zwischen Romanze und Roman unterscheiden. Frühe englische Romanciers haben oft ausdrücklich betont, dass ihre Werke keine «bloßen Romanzen» seien; andererseits hatten das schon die Romanzenschreiber selbst getan. Und doch, ab dem frühen 19. Jahrhundert, als die maßgeblichen Vertreter der Form erstmals in verbindlichen Ausgaben von Walter Scott und anderen gesammelt wurden, hatten die Engländer nicht nur eine sehr genaue Vorstellung davon, was sie mit «novels» meinten, sondern exportierten auch viele von ihnen in Übersetzungen in andere Länder. Was also genau ist ein Roman, und warum tauchte das Genre auf, als es auftauchte?