Wie unglücklich die Villa darauf war! Trotz ihrer eigenen Schamlosigkeit bekundete Georgina Entsetzen ob der losen Moral ihrer Schwäger, und sie scheute keine Mühen, grob zu ihnen zu sein. Sie lud ihre Eltern und die Anwälte ihrer Eltern ein, bei ihr einzuziehen. Sie schalt Joseph wegen seiner großzügigen Ausgaben, gleichzeitig aber nahm sie ihm sein Geld weg und steckte es ihren Eltern zu.
Es sah aus, als werde die Ehe kurz und unglücklich. Doch dann, eines Abends, warf ein übler Kerl aus einem Armenviertel einen Stein durchs Fenster von Josephs Arbeitszimmer, was Joseph schreckliche Angst einjagte. Als er zu seinen Brüdern ging, erkannte er, dass er sich durch seine Heirat mit Georgina ihre Sympathien verscherzt hatte. Sie sagten, das mit dem Stein tue ihnen leid, aber ein kaputtes Fenster sei nichts verglichen damit, was sie in all den Jahren im alten Flügel der Villa gelitten hätten.
Während Georgina zu dumm und verwöhnt war, um sich eigene Gedanken zu machen, waren ihre Eltern clevere Opportunisten. Sie hofften, Josephs momentane Furcht ausnutzen zu können, um die Kontrolle über die ganze Villa zu erlangen. Sie gingen zu Joseph und sagten: «Das ist die Logik des Krieges. Du bist das Oberhaupt der Familie, Georgina ist jetzt deine Frau, und nur ihre Eltern können das Haus verteidigen. Du musst lernen, deine nichtsnutzigen Brüder zu hassen und uns zu vertrauen.»
Die Brüder waren wütend, als sie das hörten. Sie gingen zu Joseph und sagten: «Das ist die Logik des Friedens. Deine Frau ist ein Biest und eine Hure. Solange sie in diesem Haus ist, bist du nicht unser Bruder.»
Da fasste sich der reiche kleine Bruder an den Kopf und weinte.
(Übersetzt von Eike Schönfeld)
Der Mann im grauen Flanell
Über den Roman von Sloan Wilson
Ein klassischer Schauplatz der Literatur, eine kleine Welt, so beruhigend wie das kaiserliche St. Petersburg oder das viktorianische London, ist das vorstädtische Connecticut der fünfziger Jahre. Schließt man die Augen, sieht man Herbstlaub über stille Straßen wehen, sieht man Pendler mit Filzhut, die über die Bahnsteige der New-Haven-Linie strömen, hört man die ersten abendlichen Martinigläser klirren, und dann, nach Mitternacht, hört man die hässlichen Kräche und riecht den verzweifelten oder zweiflerischen Sex.
Die Annehmlichkeiten wie auch die Frustrationen dieser kleinen Welt finden sich in Der Mann im grauen Flanell. Der Roman, Sloan Wilsons erster, erschien 1955. Er verkaufte sich extrem gut und wurde bald verfilmt, mit Gregory Peck in der Hauptrolle, doch in den Jahrzehnten seither war er nicht mehr lieferbar. Heute erinnert man sich an ihn vor allem wegen seines Titels, der zusammen mit David Riesmans Die einsame Masse und William H. Whytes Herr und Opfer der Organisation zu einem Schlagwort für den Konformismus der fünfziger Jahre wurde.
Vielleicht verurteilen Sie diesen Konformismus ja, vielleicht haben Sie eine heimliche Sehnsucht danach. Wie auch immer, Der Mann im grauen Flanell liefert Ihnen die pure Fifties-Dosis. Die Hauptfiguren, Tom und Betsy Rath, sind ein attraktives WASP-Paar, das sich in traditioneller Arbeitsteilung eingerichtet hat; Betsy bleibt zu Hause bei den drei Kindern, Tom pendelt zu einem schrecklich faden Job nach Manhattan. Die Raths fügen sich ein, aber nicht gern. Betsy schimpft auf die Ödnis ihrer Straße, sie träumt davon, ihren streberhaften Nachbarn (die ebenfalls unzufrieden sind) zu entfliehen, sie ist alles andere als eine Supermutti. Als eine ihrer Töchter eine Wand mit einem Tintenfässchen verunstaltet, haut Betsy ihr erst eine runter und legt sich dann mit ihr ins Bett; am Abend findet Tom sie «eng umschlungen», beider Gesichter mit Tinte verschmiert.
Wie Betsy wird auch Tom durch seine Schwächen sympathisch. «Der Mann im grauen Flanell» ist für ihn ein Objekt von Furcht und Verachtung, und doch sucht er, da sein Leben als Brotverdiener in vorstädtischer Häuslichkeit sich so radikal von seinem Leben als Fallschirmspringer im Zweiten Weltkrieg unterscheidet, bewusst Zuflucht in grauem Flanell. Als er sich um eine lukrative neue PR-Stelle bei der United Broadcasting Corporation bewirbt, erfährt er, dass der Vorstandsvorsitzende der Firma, Hopkins, ein nationales Komitee für psychische Gesundheit plant. Ob Tom sich für psychische Gesundheit interessiert?
«Allerdings!», sagte Tom energisch. «Für psychische Gesundheit habe ich mich schon immer interessiert!» Das klang ein wenig töricht, aber ihm fiel nichts ein, womit er es retten konnte.
Konformismus ist die Droge, mit der Tom hofft, seine eigenen Probleme mit der psychischen Gesundheit zu kurieren. Obwohl von Natur aus ehrlich, versucht er alles, um sich als Zyniker zu geben. «Mein ganzer Lebenszweck ist es, im Dienst der psychischen Gesundheit zu arbeiten», scherzt er eines Abends mit Betsy. «Ich selbst bin völlig unwichtig. Ich bin ein aufopferungsvoller Mensch.» Als Betsy ihn wegen seines Zynismus schilt und sagt, er solle nicht für Hopkins arbeiten, wenn er ihn nicht möge, antwortet Tom: «Ich mag ihn. Ich bewundere ihn. Mein Herz gehört ihm.»
Im moralischen und emotionalen Zentrum von Der Mann im grauen Flanell steht Toms mehr als vierjähriger Militärdienst. Ob er nun feindliche Soldaten umbrachte oder sich in ein verwaistes italienisches Mädchen verliebte, als Soldat empfand Tom Rath sein Leben als sehr intensiv. Seine Kriegserinnerungen bilden nun einen schmerzlichen Kontrast zu dem «angespannten und hektischen» Friedensleben, in dem, wie Betsy klagt, «nichts mehr besonders Spaß macht». Vielleicht ist Tom durch seine Kampfeinsätze traumatisiert, vielleicht sehnt er sich aber gerade nach der Atmosphäre von Aufregung und mannhaftem Tun, die ihm nach dem Krieg verlorengegangen ist. In jedem Fall zieht er Betsys Vorwürfe auf sich: «Seit du wieder da bist», sagt sie, «willst du eigentlich nicht mehr viel. Du arbeitest hart, aber im Grunde versuchst du es gar nicht richtig.»
Tom Rath steckt tatsächlich in einer Klemme des Konsumzeitalters. Bei drei Kindern, die er zu versorgen hat, wagt er sich nicht auf den Weg von Anomie, Ironie und Entropie, den Beat-Weg, den Kerouac propagierte und dem Pynchon folgte. Doch die Tretmühle des Konsumismus, das bequeme Konzept, die Waren zu begehren, die jeder andere auch begehrt, scheint kaum weniger gefährlich. Tom sieht durchaus, dass er, wenn er in die hedonistische Tretmühle steigt, tatsächlich zum Mann im grauen Flanell wird und mechanisch noch höheren Gehältern nachjagt, um sich «ein teureres Haus und einen besseren Gin» leisten zu können. Und so schwanken Stimmung und Tonfall in der ersten Hälfte des Romans, wo er sich zwischen gleichermaßen unattraktiven Alternativen windet, heftig zwischen Müdigkeit, Wut und Angeberei, zwischen Zynismus, Verzagtheit und prinzipientreuer Entschlossenheit, und Betsy, die überhaupt nicht erkennt, warum ihr Mann unglücklich ist, schwankt mit ihm mit.
Die erste Hälfte des Buchs ist die sehr viel bessere. Die Raths sind reizvoll, eben weil viele ihrer Ansichten es nicht sind. Und die Nebenfiguren vom Anfang sind, als wollten sie die Sprunghaftigkeit der Raths spiegeln, häufig komisch und faszinierend; da ist der Personalchef, der sich hinter seinem Schreibtisch flach auf den Boden legt, der Arzt auf Hausbesuch, der Kinder hasst, die kurzzeitig eingestellte Haushälterin, die die kleinen Racker der Raths auf Vordermann bringt. Die erste Hälfte des Buchs macht Spaß. Taucht man in Wilsons altmodische Gesellschaftsroman-Erzählweise ein, dann ist es wie eine Spritztour in einem Oldsmobile; man ist verblüfft über seinen Komfort, seine Geschwindigkeit und seine Fahrweise; vertraute Anblicke wirken frisch, wenn man sie durch seine kleinen Fenster sieht.