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Die zweite Hälfte des Buchs gehört Betsy — Toms besserer Hälfte. Obwohl ihre Beziehung aus drei Jahren Schwärmerei, gefolgt von viereinhalb Jahren Lügen in Kriegszeiten und Getrenntsein, gefolgt von weiteren neun Jahren Liebe «ohne Leidenschaft» und Familienleben «ohne ein Gefühl außer Sorge» besteht, hält Betsy zu ihrem Mann. Sie legt ein Programm zur Familienoptimierung auf. Es gelingt ihr, Tom für die Lokalpolitik zu interessieren. Sie verkauft das verhasste Haus und führt ihre Familie aus dem tristen Exil in exklusivere Gegenden. Sie entscheidet sich für ein Leben des risikoreichen Vollzeit-Unternehmertums. Am wichtigsten aber ist, dass sie Tom unablässig dazu anhält, ehrlich zu sein. Die Handlung driftet folglich ganz allmählich von «Paar mit interessanten Fehlern ringt mit Fünfziger-Jahre-Konformismus» zu «Schuldbeladener Mann lässt sich passiv von großartiger Frau helfen». Zwar gibt es auf der Welt so großartige Menschen wie Betsy, allerdings taugen sie nicht zu großartigen Romanfiguren. In einem Vorwort bedankt sich Sloan Wilson überschwänglich bei der eigenen besseren Hälfte, seiner ersten Frau Elise («Viele der Gedanken, auf denen dieses Buch gründet, stammen von ihr»), sodass man sich ein wenig fragt, ob der Roman nicht eine Art Liebesbrief von Wilson an Elise ist, eine Feier seiner Ehe mit ihr, vielleicht sogar der Versuch, die eigenen Zweifel an seiner Ehe zu zerstreuen, sich selbst zur Liebe zu überreden. Jedenfalls spielt sich im weiblichen Teil des Buches etwas Dubioses ab. Und trotz der vielen Konflikte chez les Raths lässt Wilson seine Figuren nie auch nur in die Nähe der Möglichkeit wahren Unglücks gelangen.

Eine der deutlichen impliziten Aussagen von Der Mann im grauen Flanell ist, dass die Harmonie der Gesellschaft von der Harmonie jedes einzelnen Haushalts abhängt. Der Krieg hat die Vereinigten Staaten krank gemacht, indem er zwischen Männer und Frauen einen Keil trieb; der Krieg hat Millionen Männer in fremde Länder geschickt, um zu morden, dem Tod zu begegnen und mit einheimischen Mädchen zu schlafen, während Millionen amerikanischer Ehefrauen und Verlobte stillvergnügt zu Hause warteten, ihren Glauben an ein Happy End nährten und die Last der Unwissenheit schulterten, nun können nur noch Ehrlichkeit und Offenheit das Band zwischen Männern und Frauen wieder reparieren und eine angeschlagene Gesellschaft heilen. Wie Tom sagt: «Am Zustand der Welt kann ich nichts ändern, aber mein Leben kann ich in Ordnung bringen.»

Glaubt man an Liebe und Treue, Wahrheit und Gerechtigkeit, hat man am Ende von Der Mann im grauen Flanell möglicherweise Tränen in den Augen. Aber noch während einem das Herz schmilzt, ärgert man sich möglicherweise darüber, dass man dieser Regung nachgibt. Wie Frank Capra in seinen klebrigeren Filmen möchte Wilson uns glauben machen, dass ein Mann, wenn er nur wahren Mut und Ehrlichkeit zeigt, die perfekte Stelle in Fußnähe seines Hauses angeboten bekommt, der örtliche Immobilienmakler ihn nicht betrügt, der Richter am Ort immer nur Recht spricht, der unbequeme Schurke zum Teufel gejagt wird, der Industriekapitän seine Anständigkeit und seinen Bürgersinn offenbart, die Wähler der Gemeinde sich um der Kinder willen mehr Steuern auferlegen, die ehemalige Geliebte in Übersee ihre Grenzen kennt und keinen Ärger macht und die Martini-Ehe gerettet wird.

Ob man ihm das nun abkauft oder nicht, dem Roman gelingt es jedenfalls, den Geist der Fünfziger einzufangen — den unbehaglichen Konformismus, die Flucht vor Konflikten, den politischen Quietismus, den Kult der Kleinfamilie, die Annahme von Klassenprivilegien. Die Raths sind um einiges flanellgrauer, als ihnen offenbar klar wird. Was sie von ihren «langweiligen» Nachbarn unterscheidet, sind letztlich nicht ihre Leiden oder Verschrobenheiten, sondern ihre Tugenden. Auf den ersten Seiten des Buchs spielen die Raths mit Ironie und Widerstand, aber auf den letzten sammeln sie fröhlich Reichtum an. Der lächelnde Tom Rath aus Kapitel 41 wäre für den verwirrten Tom Rath aus Kapitel 1 ein Bild der Selbstgefälligkeit, ein Objekt von Furcht und Verachtung. Derweil bestreitet Betsy Rath emphatisch die Vorstellung, die Malaise der Vorstädte könnte systemische Ursachen haben. («Heutzutage verlassen sich zu viele auf Erklärungen», denkt sie, «und nicht genug auf Mut und Tat.») Tom ist nicht verwirrt und unglücklich, weil der Krieg eine moralische Anarchie schafft oder weil das Unternehmen seines Arbeitgebers aus «Seifenopern, Werbespots und quasselndem Studiopublikum besteht». Toms Probleme sind rein persönlicher Natur, so wie Betsys Aktivismus strikt lokal und häuslich ist. Auf die tieferen existenziellen Fragen, die vier Jahre Krieg (oder vier Wochen im Büro von United Broadcasting oder vier Tage Mutterschaft in einer langweiligen Straße in Westport) aufwerfen, wird verzichtet: vielleicht ein unvermeidliches Opfer der Dekade selbst.

Der Mann im grauen Flanell ist ein Buch über die Fünfziger. Die erste Hälfte lässt sich noch immer zum Vergnügen lesen, die zweite als Ausblick auf die darauffolgenden Sechziger. Schließlich vermachten die Fünfziger den Sechzigern ihren Idealismus — und ihre Wut.

(Übersetzt von Eike Schönfeld)

Kein Ende in Sicht

Immer wieder gelesen: Was am Ende bleibt von Paula Fox

Bei der ersten Lektüre ist es ein Spannungsroman. Sophie Bentwood, eine vierzigjährige Frau aus Brooklyn, wird von einer streunenden Katze gebissen, der sie ein Schälchen Milch hingestellt hat, und fragt sich während der nächsten drei Tage, was dieser Biss ihr bringen wird: Injektionen in den Bauch? Tod durch Tollwut? Gar nichts? Was die Geschichte vorantreibt, ist Sophies Angst, die sie in kalten Schweiß ausbrechen lässt. Wie in konventionelleren Spannungsromanen geht es um Leben und Tod und das Schicksal der freien Welt. In den späten sechziger Jahren, als das zivilisatorische Gefüge der Hauptstadt dieser freien Welt unter dem Ansturm von Müll, Erbrochenem, Exkrementen, Vandalismus, Betrug und Klassenhass zu zerbröckeln scheint, sind Sophie und ihr Mann Otto Pioniere der Gentrifizierung. Ottos langjähriger Freund und Sozius Charlie Russel verlässt die gemeinsame Anwaltskanzlei und attackiert ihn heftig wegen seines Konservativismus. «Ich wollte, es könnte mir jemand sagen, wie ich leben kann», sagt Otto. Sophie dagegen schwankt zwischen schrecklicher Angst und einer eigenartigen Enttäuschung angesichts der Möglichkeit, dass sie vielleicht gar nicht infiziert ist. Sie ängstigt sich vor einem Schmerz, von dem sie nicht sicher ist, ob sie ihn nicht verdient hat. Sie klammert sich an eine Welt voller Privilegien, obgleich diese Welt sie erstickt.

Das liest man und genießt Seite für Seite Paula Fox’ Prosa. Ihre Sätze sind kleine Wunder an Verdichtung und Besonderheit, jeder Satz ein winziger Roman. Dies ist der Augenblick, in dem die Katze zubeißt:

Sie lächelte und fragte sich, ob die Katze schon einmal die freundliche Berührung eines Menschen verspürt hatte, und wenn ja, wie oft, und sie lächelte immer noch, als die Katze sich auf die Hinterbeine stellte, und sogar noch, als sie mit ausgefahrenen Krallen auf sie einhieb, und sie lächelte weiter bis zu der Sekunde, als die Katze ihre Zähne in den Rücken ihrer linken Hand grub und sich so an ihr Fleisch hängte, dass sie beinahe nach vorne fiel, fassungslos und entsetzt, doch sie war sich der Anwesenheit Ottos bewusst genug, um den Schrei zu unterdrücken, der in ihrer Kehle aufstieg, als sie ihre Hand mit einem Ruck aus diesem mit Widerhaken besetzten Kreis zurückzog.

Indem sie sich einen dramatischen Augenblick als eine Abfolge von Bewegungen vorstellt — indem sie einfach genau hinsieht — , schafft Paula Fox hier Raum für jede Facette von Sophies Komplexität: ihre Liberalität, ihre Selbsttäuschung, ihre Verletzlichkeit und vor allem ihr Bewusstsein, verheiratet zu sein. Was am Ende bleibt ist der seltene Fall eines Romans, der beiden Seiten einer Ehe gerecht wird, sowohl der Liebe als auch dem Hass, sowohl der Frau als auch dem Mann. Otto ist ein Mann, der seine Frau liebt. Sophie ist eine Frau, die an einem Montagmorgen um sechs einen Whiskey hinunterstürzt und den Abfluss der Küchenspüle reinigt, wobei sie «laute, kindische Geräusche des Ekels» von sich gibt. Otto ist gemein genug zu sagen: «Viel Glück, Kumpel», als Charlie aus der gemeinsamen Kanzlei austritt; Sophie ist gemein genug, ihn später zu fragen, warum er das gesagt hat; Otto ist entsetzt, als sie ihn das fragt; Sophie ist entsetzt, dass sie ihn entsetzt hat.