Caro kichert ebenfalls.
»Och, ich finde, es kann einem Schlimmeres passieren als eine Kundin, die ganz spontan viel Geld ausgeben will.«
»Stimmt. Ich habe allerdings auch noch nicht ganz verstanden, woher dein pl?tzlicher Sinneswandel kommt. Urspr?nglich wolltest du doch kein Brautkleid. Vor ein paar Monaten haben wir noch Witze dar?ber gemacht. Als du mich gestern Abend gefragt hast, ob ich heute mitkommen will, habe ich mich schon ein bisschen gewundert.«
»Tja, weisst du, ich stand vorletzte Woche mit Marc auf der Terrasse vom Gosslerhaus. Und da wurde mir erst so richtig bewusst, was f?r eine wahnsinnig besondere Sache das eigentlich ist. Ich meine – ich blickte in den Park und stellte mir vor, wie wir alle nach der Trauung dort mit einen Glas Sekt in der Hand stehen werden. Und ich konnte die Aufregung sp?ren, die mich Samstag garantiert am Wickel haben wird. Und dann fand ich meine Ursprungsidee mit dem normalen Abendkleid doch nicht mehr so gut. Weil es eben kein normaler Tag ist. Dann habe ich ein paar N?chte dar?ber geschlafen, und das Gef?hl war immer noch da. Deswegen habe ich dich angerufen.«
»Cool. Verstehe.«
Nee, ich verstehe es nicht. Was kann denn ein Kleid mit einem Gef?hl zu tun haben ? Wieso macht das einen so grossen Unterschied f?r Caro ? Aber vielleicht kann hier jemand nicht mitreden, der jeden Tag das Gleiche anhat, n?mlich: sein eigenes Fell.
Die Verk?uferin taucht wieder auf und schleift drei riesige S?cke hinter sich her, die sie schliesslich an die Kleiderstange neben dem grossen Spiegel h?ngt.
»So, wenn Sie mal schauen m?gen ?« Sie ?ffnet den ersten Sack und zieht etwas heraus, was wie ein gigantischer Wattebausch aussieht. »Unser Modell Prelude. Majest?tisch volumin?ser Rock in Organza, mit Wabenr?schen. Bei Ihrer schmalen Figur bestimmt sehr sch?n. Der tiefe Ausschnitt der B?ste ist drapiert.«
Nina und Caro starren das Teil an und rufen gleichzeitig»Das Baiser !«, dann fangen sie an zu lachen.
Die Verk?uferin guckt irritiert.
»Also eher nicht ?«
»Nein«, antwortet Caro, »eher nicht.«
»Aber wieso denn ?«, mischt sich Nina ein, »ich m?chte es wenigstens mal an dir sehen. Vielleicht sind wir ?berrascht, wie gut es dir steht.«
»Na gut. Wenn du meinst.«
Caro will nach dem Kleid greifen, aber die Verk?uferin h?lt l?chelnd einen Arm vor die Kleiderstange.
»Nein, nein. Das k?nnen Sie nicht einfach so anziehen. Dabei brauchen Sie Hilfe. Ich gebe Ihnen jetzt erst mal eine Korsage, einen Reifrock und passende Schuhe. Und wenn Sie das alles angezogen haben, rufen Sie mich. Dann komme ich mit dem Kleid und helfe Ihnen hinein.«
Heilige Fleischwurst ! Man kann dieses Unget?m nicht allein anziehen ? Was f?r einen Sinn macht denn bitte sch?n Kleidung, in die ein Mensch nicht allein hineinkommt ? Das wird ja immer absurder. Das Gleiche scheint sich auch Nina zu denken. Die kramt n?mlich in der grossen Schultertasche, die sie dabeihat, und zieht erst eine Flasche und dann zwei Gl?ser hervor.
»Sie gestatten, dass sich meine Freundin erst mit einem Schluck Champagner st?rkt ?«
Zu meinem Erstaunen l?chelt die ?ltere Dame und nickt.
»Aber selbstverst?ndlich ! Man kauft ja nicht jeden Tag ein Brautkleid. Warten Sie, ich hole Ihnen zwei St?hle.«
Wie nett ! Ein kleines Picknick. So etwas habe ich beim Shoppen mit Caro noch nie erlebt. Schade, dass Nina f?r mich nichts mitgenommen hat. Ich k?nnte auch ein Leckerli vertragen.
Ein Glas Champagner sp?ter verzieht sich Caro mit den Sachen, die ihr die Verk?uferin eben in die Hand gedr?ckt hat, in die Umkleidekabine. Es dauert eine ganze Weile, dann ruft sie: »Kann losgehen !«
Die Verk?uferin nimmt den Organzatraum von der Stange und verschwindet ebenfalls in der Kabine. Als die beiden wieder herauskommen, haut es mich von den Pfoten: Carolin sieht genauso aus wie das M?dchen in Luisas Lieblingsm?rchen. Carolin hat sich in Cinderella verwandelt ! Vor Schreck fange ich an zu bellen.
»Herkules gef?llt es nicht«, kommentiert Nina trocken.
Dabei stimmt das gar nicht. Es sieht schon toll aus, aber es ist eben eine v?llig fremde Frau, die auf einmal vor mir steht.
»Nun ja«, erwidert die Verk?uferin, »Ihr Dackel in allen Ehren, aber ich glaube nicht, dass wir uns allzu sehr nach seinem Geschmack richten sollten. Ich finde, das Kleid steht Ihrer Freundin ganz wunderbar.«
»Das finde ich auch. Ich bin sogar ?berrascht, wie sehr ! Wie findest du es denn selbst, Caro ?«
Carolin wendet sich vor dem Spiegel hin und her, dabei wogt der bauschige Rock um sie herum, als h?tte er ein Eigenleben.
»Es sieht toll aus, keine Frage. Allerdings finde ich es f?r eine standesamtliche Trauung mit f?nfundzwanzig Leutchen ein bisschen ?bertrieben. Ich glaube, ich h?tte lieber etwas Schlichteres. Ausserdem habe ich Angst, dass mich Marc dann gar nicht erkennt. Nicht, dass es ihm so geht wie Herkules.«
Wuff ! Was kann ich daf?r, dass Caro in diesem Kleid so ver?ndert aussieht ?
»Aber bevor ich es ausziehe, musst du ein Foto von mir machen.«
»Klar, wird erledigt.«
Nina zieht ihr Handy aus der Hosentasche und knipst. Die Verk?uferin betrachtet Carolin nachdenklich.
»Hm, schlichter, sagen Sie. Die Gr?sse war ja gut, also eine 38. Warten Sie mal, vielleicht habe ich da etwas, was Ihnen gefallen k?nnte.«
Sie verschwindet wieder. Nina schenkt Caro und sich selbst noch mal ein Glas nach.
»Feine Sache, so ein Brautkleidkauf. K?nnte man glatt h?ufiger machen.«
»Ja. Ich h?tte auch nichts dagegen, mal ein Kleid f?r dich zu kaufen, Nina.«
Caro grinst, und Nina sch?ttelt heftig den Kopf.
»Nee, um Gottes willen ! Ich glaube, vom Heiraten bin ich momentan weiter entfernt als von der Wahl zum Papst. Und das, obwohl ich evangelisch bin.«
Ich weiss zwar nicht, wer der Papst ist und wie der gew?hlt wird, aber ich w?rde Nina in diesem Punkt ohne Z?gern zustimmen. Dass die mal heiratet, scheint mir geradezu ausgeschlossen. Ich glaube, Daniel lag gar nicht so falsch mit seiner Einsch?tzung: Nina wird wahrscheinlich allein mit dem fetten Kater zusammen alt werden. Was soll sie da mit einem Brautkleid ?
»So, das ist jetzt eines meiner Lieblingsmodelle. Kurz und zweiteilig. Der untere Teil ist aus Dupionseide, gerader Ausschnitt vorne und hinten, dazu doppelte Spaghettitr?ger. Das ?berkleid ist aus Seidenorganza mit Dreiviertel?rmeln und hat einen Peter-Pan-Kragen, ebenfalls aus Dupionseide, die R?nder der ?rmel und des Kragens sind handbestickt mit Perlen und Strasssteinen.«
Caro starrt das Kleid an und trinkt ihr Glas in einem Schluck aus.
»Wow. Das muss ich sofort anprobieren. Ich glaube, das wird mir stehen.«
Eine ganze Zeit sp?ter wissen wir, dass Caro mit dieser Einsch?tzung goldrichtig lag. Nachdem ihr die Verk?uferin erst aus Kleid Nummer eins hinaus-und dann in Kleid Nummer zwei hineingeholfen hat, kommt Caro erneut aus der Kabine. Diesmal gibt es ?berhaupt keinen Grund zu bellen, denn vor uns steht eindeutig Carolin. Und sie sieht traumhaft sch?n aus, das f?llt sogar einem ignoranten Vierbeiner wie mir auf. Ihre Beine wirken in dem Kleid noch ein St?ck l?nger als normalerweise, und auch wenn lange Beine bei mir der Makel sind, der mich vom echten Dackel trennt, so sind sie meines Wissens bei Menschenfrauen h?chst willkommen. Der Stoff schmiegt sich sanft an Carolins K?rper – eng, aber nicht zu eng, sodass man ihre Formen gut sieht, aber sie nicht wie eine Wurst in der Pelle wirkt. Auch Nina ist begeistert.
»Carolin, das ist perfekt ! Das muss du unbedingt nehmen !«
Carolin dreht sich vor dem Spiegel einmal im Kreis.
»Ja, ich glaube auch, dass wir nichts Sch?neres finden werden. Genauso habe ich es mir vorgestellt. Was kostet es denn ?«
»Ach, das ist eines unserer g?nstigeren Modelle. Lassen Sie mich mal kurz schauen: Ah ja, da steht’s: 1150 Euro.«
Nina hustet und schenkt sich schnell noch ein Glas ein, Carolin hingegen zuckt nicht mal mit der Wimper.