»Wie gut, dass wir keine teure Riesenfeier veranstalten werden. Dann brauche ich jetzt nur noch die passenden Schuhe.«
Wieder zu Hause angekommen, will ich mich sofort in die Praxis schleichen. Schliesslich vermute ich dort den Zettel mit Hedwigs Bestellung, und ich habe noch eine Mission zu erf?llen. Gl?cklicherweise hat Carolin das dringende Bed?rfnis, Marc zu k?ssen, sodass ich gar nicht schleichen muss, sondern gemeinsam mit ihr durch die T?r spazieren kann.
Marc steht vorne am Tresen bei Frau Warnke– nur gut, dass Nina das Kleid mitgenommen hat. Das darf Marc n?mlich vor der Hochzeit nicht sehen, sonst gibt es Ungl?ck. So jedenfalls hat es uns die Verk?uferin eingesch?rft, als sie das Kleid sehr kunstvoll in lange Bahnen aus Seidenpapier eingeschlagen und dann in einer grossen T?te verstaut hat.
»Na, erfolgreich geshoppt ?«, begr?sst uns Marc fr?hlich.
»Das kannst du wohl sagen. Jedenfalls bin ich nun pleite – und gl?cklich !«
»Oh, dann bin ich gespannt. Erz?hl !«
Caro sch?ttelt den Kopf.
»Nee, mein Lieber, mehr wird nicht verraten !«
Doch, mehr wird verraten ! Dazu brauche ich nur den verdammten Zettel. Wo kann der bloss sein ? Wenn Frau Warnke ihn wegschmeissen wollte, dann ist er doch wahrscheinlich im M?ll. Vielleicht im Papierkorb hinter dem Tresen, da, wo Frau Warnke sitzt ? Ich lauf dorthin und versuche, unauff?llig in den Korb hineinzulinsen. Aber leider bin ich daf?r zu klein und muss M?nnchen machen. Hopp, schon besser ! Mit den Vorderl?ufen auf dem Rand des Korbs habe ich einen ganz guten Blick. Also, wo ist das Teil ?
In diesem Moment verliere ich das Gleichgewicht, und ich kippe mit dem Papierkorb um. Der gesamte M?ll, der in ihm lag, verteilt sich ?ber mich und den Boden. Auff?lliger geht’s kaum ! Heilige Fleischwurst, was f?r ein Chaos !
»Mann, Herkules, was soll das denn ?«, schimpft Marc.
Frau Warnke seufzt, steht auf, stellt den Papierkorb wieder hin und b?ckt sich dann, um den Abfall einzusammeln. In diesem Moment entdecke ich ihn, meinen zum Ball zerkn?llten Zettel ! Noch bevor Frau Warnkes Hand ihn erreicht, schnappe ich zu. Frau Warnke st?sst einen spitzen Schrei aus, dabei habe ich sie gar nicht gezwickt. Glaube ich jedenfalls. Mit dem Zettel im Maul springe ich zur Seite und laufe auf Carolin zu. Marc rennt hinter mir her und packt mich ziemlich grob am Halsband.
»Jetzt reicht es aber, du ungezogener Hund ! Ich glaube, du musst mal wieder zum Hundetrainer ! Hat er Sie erwischt, Frau Warnke ?«
»Nein, nein, alles gut. Ich habe nur einen Schreck bekommen, als er auf einmal so auf meine Hand zuschoss. Aber er wollte wohl nur diesen Zettel. Der muss ja ganz interessant riechen, den hatte er vorhin doch schon aus Henris Wickeltasche geklaut.«
Meine G?te, wie schwer von Begriff kann man denn sein ! Der riecht gar nicht ! Nun guckt euch das Teil endlich mal an ! Marc l?sst mich wieder los, und ich setze mich fast auf Caros F?sse, um den Zettel direkt vor ihr hinzulegen. Nun beugt sie sich tats?chlich und hebt den Zettel hoch.
»Hm, was will er denn damit ? Das ist kein Feuchttuch, das ist irgendein Formular.«
Sie faltet die Knitterkugel auseinander und?berfliegt murmelnd den Text.
»Hochzeit am 15. Juni. Men?folge … Anzahl G?ste …«
Dann verstummt sie und reicht Marc den Zettel, der ihn etwas angewidert anfasst.
»Lies mal. Und dann sag mir, dass ich das alles falsch verstehe.«
Marc legt den Zettel auf den Tresen, streicht ihn noch einmal glatt und beginnt dann ebenfalls zu lesen. Als er fertig ist, sch?ttelt er den Kopf.
»Nein. Ich f?rchte, das hast du ganz richtig verstanden. Ich fasse es nicht. Das kann sie unm?glich gemacht haben ! Was geht bloss im Kopf meiner Mutter vor sich ? Die kaufe ich mir gleich !«
»Dreihundert G?ste. Pfffff.«
Carolin atmet langsam aus.
»Das passende Kleid f?r so eine Veranstaltung h?tte ich jetzt allerdings. Und was f?r ein unglaublicher Zufall, dass Herkules sich gerade diesen Zettel f?rs Ballspielen ausgesucht hat. Man k?nnte fast meinen, er wollte uns warnen.«
Zufall ? Es ist nicht sch?n, so untersch?tzt zu werden !
VIERUNDZWANZIG
Komisch. Daf?r, dass Marc mit Hedwig schimpfen wollte, ist sie noch bemerkenswert gut gelaunt, als sie mit einem kleinen K?fferchen am Vorabend der Hochzeit bei uns auftaucht. Sie wird heute bei uns ?bernachten und sich um die Kinder k?mmern, w?hrend Carolin und ich bei Nina schlafen werden und Marc mit Daniel und Georg ein Bier trinken geht. Vor der Hochzeit m?ssen Braut und Br?utigam in verschiedenen Wohnungen schlafen. Sagt jedenfalls Hedwig. Mir war das neu. Aber ich bin noch nicht so lang im Hochzeits-Business. Und Marc darf Carolin vor der Trauung auch keinesfalls im Brautkleid sehen. Sonst bringt es Ungl?ck. Das wiederum wusste ich schon von der Brautkleidverk?uferin.
Also Hedwig. Nicht schlecht gelaunt. Im Gegenteiclass="underline" Ich w?rde sagen, sie istblendend gelaunt. Das l?sst nur einen Schluss zu: Marc hat ihr noch nichts gesagt. Weder in den letzten vier Tagen noch heute. Aber warum nicht ? Finden Caro und Marc den Plan mit der grossen Hochzeit jetzt doch v?llig in Ordnung ? Freut sich Caro gar, dass nun so viele Menschen ihr tolles Kleid bewundern k?nnen ? Grrr, ich merke, dass ich anfange, mich zu ?rgern. Ich habe mir doch so viel M?he gegeben, Hedwigs Plan aufzudecken. Und nun ? Passiert nichts. Wuff, die ganze Anstrengung umsonst !
Carolin ist?brigens mindestens ebenso gut gelaunt wie Hedwig. Sie pfeift sogar vor sich hin, als sie ihren Riesenkoffer aus dem Schlafzimmer rollert. Was da wohl alles drin ist ? Das Kleid ist schon bei Nina, das kann es nicht sein.
»So, Herkules. Ich bin startklar. Dann verl?sst du jetzt zum letzten Mal als Dackel einer ledigen Frau dieses Haus. Ab morgen lebt dein Frauchen in geordneten Verh?ltnissen. Nix mehr wilde Ehe !«
Sie lacht, und ich verstehe den Witz nicht. Unsere Verh?ltnisse sind doch geordnet. Manchmal sogar zu sehr. Jedes Mal, wenn Marc findet, dass Henri, Luisa oder ich f?r Unordnung gesorgt haben, regt er sich auf und f?ngt an aufzur?umen. Von wegenwild. Ich lebe nun schon zwei Jahre hier und kann nur sagen: Rock’n’ Roll geht anders.
Missmutig trotte ich hinter Carolin her und bin auch nicht besser gelaunt, als wir kurz darauf bei Nina eintrudeln. Im Gegenteil, denn ich erkenne auf den ersten Blick, dass hier wieder einer dieser entsetzlich?denFrauenabende droht. Ich muss nur die langstieligen Sektgl?ser und die Flasche auf dem Couchtisch sehen, dann weiss ich Bescheid. Och n??? !
Der einzige Lichtblick ist Herr Beck, der nat?rlich auch da ist. Wobei ich auf den gerade nicht so gut zu sprechen bin. Bisher ist seine Cherie-Taktik n?mlich ein einziger Reinfall. Ich will gar nicht erst an morgen denken, denn auf der Feier werden sich Cherie und Biene wieder begegnen, und so wie es bisher ausschaut, wird Cherie mich ignorieren und Biene denken, dass ich an mehr als nur Freundschaft interessiert bin. Beste Voraussetzungen f?r schlechte Stimmung also. Und wer ist schuld ? Richtig. Ein Kater namens Beck.
Ich lasse mich neben die Couch sinken und warte auf das unvermeidlichePlopp, welches den Beginn jedes Frauenabends markiert. Plopp, da ist es auch schon. G?hn !
»Und, bist du aufgeregt ?«, will Nina von Caro wissen, w?hrend sie ihr das Glas mit Sekt f?llt.
»Klar bin ich das ! Hoffentlich sehe ich morgen auch wirklich gut aus.«
»Daran besteht doch wohl kein Zweifel ! Du hast nicht nur ein wundersch?nes Kleid, sondern auch Hamburgs Top-Stylistin an deiner Seite: Dr. Bogner ! Und Frau Dr. Bogner hat sich sehr gewissenhaft vorbereitet und sich Anleitungen f?r diverse Hochsteckfrisuren aus dem Internet geladen. Da kann garnichts schiefgehen. Und falls doch: Meine Friseurin hat Rufbereitschaft. Ich habe ihre Handynummer, wenn wir nicht allein klarkommen, darf ich sie anrufen.«
»Wow, du hast wirklich an alles gedacht ! Danke, Nina !«
»Ehrensache – ich bin schliesslich Trauzeugin. F?nfundzwanzig G?ste sind zwar ein paar weniger als bei William und Kate, aber du sollst trotzdem toll aussehen.«