restlichen Auswirkungen ihres Besuchs masse ich mir kein Urteil an.
»Und als Zeichen meiner Umsicht und meines guten Willens habe ich meine Mutter bereits davon abgebracht, morgen schon zum Fr?hst?ck hier aufzuschlagen. Sie wollte helfen, ich habe ihr gesagt, dass das nicht n?tig ist.«
»Gut so!«
»Wann kommen deine Eltern eigentlich?«, will Marc von Carolin wissen.
»Die haben sich schon f?r das Krippenspiel angek?ndigt. Wenn Luisa die Maria spielt, wollen sie nat?rlich dabei sein.«
Marc l?chelt.
»Die stolzen Quasi-Grosseltern! Das freut mich. ?berhaupt finde ich deine Eltern ziemlich nett.«
»Na, Hauptsache, mein Vater f?ngt nicht wieder mit den bedeutendsten F?llen seiner Strafverteidigerkarriere an.«
»Och, warum nicht? Meine Mutter w?rde an seinen Lippen h?ngen. Die liest ja auch Kriminalromane, und bei deinem Vater klingt alles mindestens so dramatisch.«
Carolin nickt.
»Ja, das liegt daran, dass es sich bei seinen Erz?hlungen in der Regel auch um reine Fiktion handelt. Oder zumindest um starke ?bertreibung. Wie dem auch sei – ich glaube, sie kommen um drei. Ich habe ihnen gesagt, dass die Kirche ziemlich voll sein wird und man keinen Fehler macht, eine halbe Stunde vor Spielbeginn da zu sein. Wenn sie eingetrudelt sind, solltet ihr alle um halb vier schon r?bergehen.«
»Wieso ihr? Kommst du nicht mit?«
»Doch. Aber als gute Patchworkmutti bin ich nat?rlich schon eine Stunde vorher zur letzten Kost?manprobe dabei.
Ich muss mich um die Heiligen Drei K?nige k?mmern, Balthasar hat sich beide Arme gebrochen und braucht eine besondere Konstruktion, um die Myrrhe trotzdem m?glichst elegant ?berreichen zu k?nnen.«
Krippe? K?nige? Myrrhe? Was wird denn hier gespielt? Und apropos gespielt: Luisa spielt die Maria? H??
»Beide Arme? Gottogott. Na ja, und macht trotzdem noch mit, das nenne ich Einsatz! Ich hoffe nur, dass wir alle um f?nf wieder zu Hause sind, denn um halb sechs kommt der Weihnachtsmann.«
»Sch?n, dass das doch noch klappt.«
»Jepp! Ich habe noch den perfekten Kandidaten gefunden. Er ist motiviert bis in die Haarspitzen, ich habe heute Vormittag mit ihm telefoniert. Das Goldene Buch hat er auch dabei, Knecht Ruprecht hat allerdings keine Zeit, ich werde also bei der Geschenk?bergabe assistieren m?ssen.«
»Wer ist es denn?«
»Der echte Weihnachtsmann nat?rlich! Mehr wird nicht verraten.«
Carolin lehnt sich gegen Marc und seufzt.
»Ach, es ist zwar ein tierischer Stress und sehr aufregend, aber irgendwie freue ich mich doch auf morgen!«
In dieser Nacht kann ich kaum schlafen. Unruhig w?lze ich mich in meinem K?rbchen hin und her, stehe auf, laufe zum Flur, horche nach draussen, laufe wieder zur?ck und versuche doch noch mal, die Augen zu schliessen. Aber das will mir einfach nicht gelingen, zu vieles geht mir durch meinen kleinen Dackelkopf. Etwa die Frage, ob es den Weihnachtsmann nicht etwa doch gibt. Immerhin war sich Beck da so sicher. Und Marc hat nun auch wieder behauptet, dass der echte Weihnachtsmann kommt. War das nur ein Spass? Oder die Sache
mit Maria und dem K?nig. Was hat das alles zu bedeuten? Warum war Weihnachten in den letzten Jahren verglichen damit so komplett unspektakul?r? Und was ist das ?berhaupt f?r eine omin?se Krankheit, an der Carolin leidet? Immerhin weiss sie jetzt schon, wann sie wieder gesund sein wird. Seltsam, seltsam. W?hrend ich noch hin und her ?berlege, h?re ich tapsige Schritte auf dem Gang. Luisa! Sie ist offenbar auch noch wach.
Schnell h?pfe ich wieder aus meinem K?rbchen, sause raus aus der K?che und ab in den Flur. Tats?chlich, da steht Luisa. Als sie mich sieht, kommt sie und kniet sich neben mich.
»Na, Herkules? Kannst du auch nicht schlafen?«
Ich lecke ihr die H?nde ab.
»Weihnachten ist immer so aufregend, nicht? Das sp?rst du bestimmt auch. Aber du wirst sehen, es ist auch richtig sch?n, ich freue mich schon so. Ich hoffe nur, dass ich meinen Text morgen nicht vergesse. Ich darf n?mlich die Maria sein, weisst du? Eine grosse Ehre!«
Ich w?nschte mal wieder, ich k?nnte sprechen. Die FrageWer zum Kuckuck ist die Maria? l?sst sich einfach nicht in ein Schwanzwedeln verpacken. Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren. Jaul!
»Hast du Hunger?«
Nein. Ausnahmsweise mal nicht.
»M?chtest du ein St?ck Wurst?«
Na ja. Vielleicht nicht Hunger. Ein bisschen Appetit allerdings schon. Und jetzt wedle ich doch mit dem Schwanz.
»Ah, sehr gut, Herkules. Wir beide verstehen uns auch ohne Worte!«
Sie hat Recht: Das Gespr?ch zwischen Mensch und Tier wird manchmal einfach ?berbewertet, es geht auch prima
ohne. Luisa begleitet mich zur?ck in die K?che und holt mir das versprochene St?ck Wurst aus dem K?hlschrank. Dann geht sie zur?ck in ihr Bett und ich in mein K?rbchen.
Als Marc fr?hmorgens in die K?che stolpert, um einen Kaffee zu kochen, habe ich anscheinend doch noch ganz gut geschlafen, jedenfalls f?hle ich mich einigermassen fit. Entschlossen, diesem offenbar wichtigen Tag die Stirn zu bieten. Und Vorsicht, Tag! Es ist die Stirn eines Jagdhundes!
Marc g?hnt und wuschelt sich selbst durch die Haare.
»Morgen, Herkules! Bereit f?r die grosse Sause?«
Ich wedele mit dem Schwanz.
»Ah, sehr gut. Weisst du, manchmal w?rde ich gerne mit dir tauschen. Einfach mal ein Haustier sein. Sich um nichts k?mmern m?ssen. Und von dem ganzen Stress so rein gar nichts mitbekommen. Sich also gar keinen Kopf machen. Na ja.«
Bitte? Der spinnt wohl! Wenn der w?sste, um was ich mir hier alles Gedanken mache.Einfach mal Haustier sein und sich um nichts k?mmern – wenn ich das schon h?re! Der macht sich offensichtlich ?berhaupt keine Vorstellung, wie oft ich ihn schon aus seinem eigenen Schlamassel gerettet habe. Wenn ich allein daran denke, wie er sich damals erst mit Nina verabredet hat, die daraufhin sp?ter sauer auf Caro war. Also, wenn ich da nicht entschieden und energisch eingegriffen h?tte, dann w?ren Marc und Caro heute mit Sicherheit kein Paar. Oder die Geschichte mit seiner Exfrau. Ich sehe uns noch im Caf? Violetta sitzen, und sie versucht, sich an ihn ranzumachen. Nur gut, dass ich dabei war und …
Es klingelt an der T?r. Nanu? Das ist ja ungew?hnlich. Wenn es morgens noch dunkel ist, kommen hier eigentlich nie andere Menschen vorbei. Auch Marc scheint sich zu wundern.
Jedenfalls guckt er kurz zu mir runter, zuckt dann mit den Schultern und verschwindet Richtung Wohnungst?r. Ich renne nat?rlich hinterher. Vielleicht ist es ja der Weihnachtsmann!
Marc?ffnet die T?r – und erstarrt.
»Mutter! Was machst du denn schon hier?«
Tats?chlich. Vor der T?r steht Hedwig Wagner.
SECHS
Die Stimmung in der K?che entspricht der momentanen Jahreszeit: sehr frostig. Wortlos stellt Marc eine Tasse auf den Tisch, an dem seine Mutter jetzt sitzt.
»Danke f?r den Kaffee, mein Junge. Wo ist eigentlich Carolin?«
»Carolin schl?ft noch. Sie f?hlt sich nicht so gut.«
»F?hlt sich nicht. Aha.« Hedwig Wagner macht eine kurze Pause und atmet schwer. »Nur gut, dass ich gekommen bin.« Das klingt irgendwie missbilligend, ganz so, wie auch der alte von Eschersbach geklungen h?tte, wenn er jemand des M?-ssiggangs ?berf?hrt h?tte, aber nat?rlich weiss Hedwig noch nichts von Caros Krankheit.
Marc seufzt und nimmt einen Schluck von dem Kaffee, den er sich selbst eingegossen hat, dann starrt er an die K?chendecke. Was es da wohl Interessantes zu sehen gibt? Bevor ich es selbst ergr?nden kann – was bei meinem kurzen Hals naturgem?ss nicht ganz einfach ist –, schaut Marc schon wieder zu Oma Wagner hin?ber. Der Anblick scheint ihn nicht wirklich zu erfreuen, er riecht gestresst.
»Wirklich, Mutter! Ich hatte dich extra gebeten, sp?ter zu kommen. Ich meine – ehrlich! Es ist erst acht Uhr morgens, was soll das?«
»Was das soll? Schau doch bloss mal, wie es hier ?berall aussieht, Junge! Ich denke, ihr erwartet in ein paar Stunden G?ste. Von wegen, ihr braucht keine Hilfe! Ich