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»So, ihr Lieben, zu Tisch!«, scheucht uns Oma Hedwig schliesslich ins Esszimmer. »Die Gans ist fast fertig, und ich m?chte euch schon mal den ersten Gang servieren.«

»Das ist ja toll, wie du uns umsorgst«, lobt sie Klaus Neumann.

»Ja«, pflichtet ihm Marc bei, »Mutter hat heute Vormittag extra noch f?r die Vorspeise eingekauft, ich war zeitlich ein bisschen knapp.« Den Teil der Geschichte, dass er Hedwig auch mal kurz aus der Wohnung haben wollte, damit sich die Wogen gl?tten, verschweigt er nat?rlich. F?r menschliche Harmonie, so viel habe ich mittlerweile gelernt, ist eben nicht nur wichtig, was man sagt, sondern ebenso wichtig, was mannicht sagt. Wenn nicht noch wichtiger.

»Setzt euch doch schon, ich bringe die Teller gleich rein«, dirigiert Hedwig jeden an seinen Platz. Ich hoffe, dass sie auch f?r mich eine Kleinigkeit besorgt hat, und lege mich erwartungsfroh neben den Tisch.

Hedwig verschwindet in der K?che, um kurz darauf mit sehr vielen Tellern auf dem Arm wieder herauszukommen, die sie Marc, Caro, Klaus und Elke direkt vor die Nase stellt. Ich kann zwar nicht sehen, was sich darauf befindet, aber eines sagt mir meine Nase deutlich: Es ist keine Rindfleischsuppe. Es ist FISCH. Brrrr. Davon will ich doch nichts.

Neben mir rumpelt es, dann f?llt ein Stuhl um. Erschrocken springe ich zur Seite. Was ist denn hier los? Carolin ist wie der Blitz von ihrem Platz hochgesprungen und rennt aus dem Zimmer, die anderen schauen ihr erstaunt hinterher. Hedwig r?uspert sich.

»Marc, was ist mit deiner Frau los? Will sie mich unbedingt kr?nken?«

»?h, sie mag keinen Fisch. Ich hatte dich doch gebeten, eine Markkl?sschen-Suppe zu besorgen.«

»Aber das ist Balik-Lachs mit Kaviar. Das haben wir immer an Weihnachten gegessen, als dein Vater noch lebte.« Hedwig klingt schwer getroffen. »Ich dachte, ihr freut euch. Ich dachte,du freust dich.« Sie f?ngt an zu schluchzen. »Weisst du, das h?tte Carolin mir jetzt auch anders sagen k?nnen. Ich gebe

mir solche M?he – und sie ist so gemein zu mir. So gemein!« Jetzt weint Hedwig richtig.

Klaus und Elke schweigen betreten. Los, Marc! Tu was! Caro ist nicht gemein, sie ist krank! Du musst es den anderen jetzt erkl?ren. Und offen gestanden will ich auch endlich wissen, woran mein Frauchen leidet.

»Mutter, das war nicht b?se gemeint. Wirklich nicht. Aber Carolin vertr?gt keinen Fisch. Ihr wird davon sofort schlecht.«

Elke Neumann mischt sich ein.

»Du meine G?te, seit wann vertr?gt sie denn keinen Fisch mehr? Ist sie etwa krank? Eine Allergie?«

Marc sch?ttelt den Kopf.

»Nein, sie ist nicht krank.«

Wuff? Ist sie nicht? Gott sei Dank! Mir fallen ganze Wagenladungen Steine von meinem kleinen Dackelherzen. Aber … was hat sie dann?

»Carolin ist schwanger. Wir bekommen ein Baby. Wir wollten es euch eigentlich nach dem Essen sagen.«

Ach so. Sie ist schwanger. Sie ist schwanger? Wir bekommen ein Baby? Heilige Fleischwurst! WIR BEKOMMEN EIN BABY!!!

ACHT

Schmetterlinge sind wirklich eine anspruchsvolle Beute, weil sehr,sehr schwer zu fangen. Herr Beck tut nat?rlich wieder so, als sei es keine grosse Sache, die Freunde einfach aus der Luft zu fischen. Aber damit ?rgert er mich nicht. Der nicht! Schliesslich hat er schon deutlich mehr Fr?hlingsmonate erlebt als ich und hatte entsprechend mehr Zeit zum ?ben. Der flatternde Kollege, auf den ich es abgesehen habe, scheint das auch zu wissen. Jedenfalls macht er einen sehr grossen Bogen um Herrn Beck, der neben mir im Garten liegt, und umschwirrt stattdessenmeine Nase. Dreimal habe ich schon nach ihm geschnappt, dreimal dabei nur Luft geschluckt. Langsam f?ngt es an, in meinem Bauch zu blubbern.

»Was machst du da eigentlich?«, erkundigt sich Beck nur scheinbar mitf?hlend. Will mich offenbar provozieren. Aber der ?rgert mich nicht.Der nicht.

»Wonach sieht’s denn aus?«, gebe ich betont gelassen zur?ck.

»Tja, das weiss ich eben nicht, deswegen frage ich ja.«Der nicht!

»Ich fange einen Schmetterling.«

»Ach. Aha. Und – hattest du mit deiner Methode schon mal Erfolg?« Beck kann so verdammt herablassend klingen. Aber noch maclass="underline" Der ?rgert mich nicht! Ich bleibe cool, ich bleibe gelassen, ich bleibe ruhig. Der bringt mich nicht aus

der Fassung! Anstelle einer Antwort drehe ich mich auf den R?cken und lasse mir die milde Fr?hlingssonne auf den Bauch scheinen. Herrlich!

»Ich habe ?brigens Cherie gesehen. Ich glaube, sie ist wieder zur?ck.«

Was? Mit einem Ruck drehe ich mich um und springe auf. Okay – er hat es geschafft! Schon allein die Erw?hnung dieses Namens bringt mich tats?chlich aus der Fassung, von cool und gelassen kann nicht mehr die Rede sein.

»Oh, ich dachte schon, du schl?fst.« T?usche ich mich, oder klingt Herr Beck geh?ssig? Aber egal – wenn das stimmt, was er sagt, will ich unbedingt Details erfahren. Also ignoriere ich seinen Unterton und frage nach.

»Bist du sicher?«

»Ja. Ganz sicher. Sie kam die Strasse entlangspaziert, als ich gerade im Vorgarten sass.«

»Und es war wirklich Cherie?«

»Herrgott, ja. Ich bin ja nicht blind!«

»Na ja. Aber ein Adlerauge auch nicht gerade.«

»Zum Schmetterlingsfangen reicht’s noch.«

Autsch. Vielleicht spare ich mir weitere Spitzfindigkeiten und beschr?nke mich auf das wichtigste Thema ?berhaupt.

»Also, Cherie kam die Strasse lang. Und weiter?«

»Wasund weiter?«

»Na, was ist dann passiert?«

»Was soll denn da passiert sein? Nix. Sie gr?sste mich kurz, und dann war sie schon wieder weg.«

»Und ist dir irgendetwas Besonderes aufgefallen?«

»Nee. Eine zugegebenermassen recht h?bsche Retriever-Dame spaziert mitsamt Frauchen an unserem Haus vorbei. Ein allt?glicher Vorgang. Was soll mir da gross auffallen? Sei froh, dass ich alter, nicht mit Adleraugen gesegneter Kater

?berhaupt gemerkt habe, dass es sich bei der H?ndin um Cherie gehandelt hat.«

Das ist nun wieder typisch Herr Beck. Meine grosse Liebe, die unter mysteri?sen Umst?nden aus meinem Leben verschwunden ist, taucht pl?tzlich wieder auf – und er h?lt das f?r einen allt?glichen Vorgang. Katzen sind solche Einzelg?nger. Die Welt um sie herum k?nnte untergehen, es w?rde sie nicht kratzen. Sie w?rden es vermutlich garnicht bemerken. Manchmal glaube ich, wo ich ein Herz habe, hat Beck einen Stein. Kein Wunder, dass der noch nie verliebt war. Mich hatte es jedenfalls im Sommer, als Carolin und Marc gerade zusammengezogen waren, total erwischt. Ich traf Cherie in einem Caf? an der Alster, und es war um mich geschehen. Herzrasen, Ohrenrauschen, das volle Programm. Ich dachte schon, ich sei krank. Dabei war ich nur schwer verliebt. Was allerdings fast dasselbe wie schwer krank ist, wenn das Objekt der Begierde ungef?hr drei K?pfe gr?sser als man selbst und von ungleich edlerer Abstammung ist.

Meine erste eigene Erfahrung in Sachen Liebe war also zun?chst ein hoffnungsloser Fall, aber ich w?re kein von Eschersbach, h?tte ich angesichts dieser Widrigkeiten gleich das Handtuch geworfen. Mit Hilfe eines ausgefeilten Schlachtplans gelang es mir, mich selbst in ein g?nstigeres Licht und Cherie in die N?he meines Herzens zu r?cken. Na gut, diestrategische Unterst?tzung durch Herrn Beck will ich an dieser Stelle nicht verschweigen, vielleicht hat er doch kein Herz aus Stein. Jedenfalls hatte ich mehrere Verabredungen mit Cherie, einige sogar von romantischer Natur, aber ehe ich sie vollst?ndig f?r mich gewinnen konnte, war sie auf einmal verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Und jetzt taucht sie wieder auf. Ich merke, dass ich Herzrasen bekomme.

»Herkules?«

»Ja?«

»Alles in Ordnung bei dir?«

»Wieso?«

»Du hechelst auf einmal so. Und wenn ich n?her hingucke: Sabbern tust du eigentlich auch.«

Muss mir so etwas vor meinem Kumpel peinlich sein? Ich sage: Nein!

»Mensch, Beck, was soll ich denn jetzt machen?«