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»Na, eins muss ich sagen: Geschmack hast du. Eine sehr h?bsche H?ndin. Das Frauchen sieht ?brigens auch nicht ?bel aus. Lass uns doch mal n?her rangehen.«

Nein!, m?chte ich laut rufen, aber nat?rlich kann ich nicht verhindern, dass sich Daniel schnurstracks zu den beiden aufmacht.

»Einen sch?nen guten Tag!« Oh nein, er spricht sie auch noch an! Damit d?rfte die Chance, unerkannt von dieser Wiese wieder runterzukommen, gleich null sein. Und nat?rlich: Frauchen dreht sich zu uns und Cherie gleich mit. Mir wird heiss und kalt.

»Ich weiss, das klingt nach einer billigen Anmache. Aber ich glaube, unsere Hunde kennen sich.«

Frauchen und Cherie starren uns an. Ich f?rchte, dass mir der Sabber mittlerweile aus den Mundwinkeln l?uft. Heiss ist mir nicht mehr, nur noch kalt. Eiskalt. Heute ist ein furchtbarer Tag. Wahrscheinlich der furchtbarste meines bisherigen Lebens. Ach was. Ganz sicher der furchtbarste meines bisherigen Lebens. Frauchens Blick wandert zwischen Daniel und mir hin und her. Dann f?ngt sie an zu lachen.

»Aber klar! Das ist doch Herkules, der Hund von Doktor Wagner!«

Uff. Die hat mich schon mal erkannt. Dann macht auch Cherie einen Schritt auf mich zu. Mein Herz macht einen so grossen Sprung, dass ich fast mit hochgerissen werde. Als sie mich mit der Schnauze in die Seite stupst, f?hle ich mich genauso wie damals, als ich mich an den Weidezaun unseres

Nachbarn angelehnt hatte. Ein gigantischer Schlag, dann str?uben sich meine Nackenhaare. Ich bekomme dermassen starkes Ohrenrauschen, dass ich zuerst kaum verstehe, was mir Cherie jetzt ins Ohr raunt.

»Herkules! Du bist es tats?chlich! Wie sch?n, dich zu sehen!«

Sie freut sich, mich zu sehen! Sie FREUT sich, MICH zu sehen! Es ist ein grossartiger, es ist ein grandioser Tag! M?glicherweise der sch?nste Tag meines bisherigen Lebens. Ach was. Ganz sicher der sch?nste Tag meines bisherigen Lebens. Auch Daniel scheint mit diesem Zusammentreffen ganz zufrieden zu sein, er unterh?lt sich angeregt weiter mit Cheries Frauchen.

»Also, genau genommen ist Herkules der Hund von Carolin Neumann, der Freundin vom Tierarzt«, kl?rt Daniel sie auf. »Ich bin ?brigens Daniel Carini.« Er reicht Frauchen die Hand. Die schl?gt l?chelnd ein.

»Hallo! Ich bin Claudia Serwe.« Sie streicht sich mit einer Hand ihr langes, dunkles Haar hinters Ohr. Das sieht irgendwie … absichtlich aus. Habe ich fr?her ab und zu bei Nina beobachtet, wenn die sich mit M?nnern unterhalten hat. Ob das bei Menschen irgendeine tiefere Bedeutung hat?

»Freut mich, Frau Serwe! Tja, wie ich schon sagte: Es klingt seltsam, aber irgendwie hatte ich das Gef?hl, dass Herkules auf der Suche nach Ihrem Hund sein k?nnte. Kennen sich die beiden also tats?chlich?«

»Ja, und wie! Die beiden haben eine richtige Geschichte miteinander! Cherie hat Herkules mal aus der Alster gerettet. Er war hinter irgendetwas hergesprungen und kam nicht mehr allein ans Ufer. Golden Retriever sind ja sehr gute Schwimmer, sie hat ihn gepackt und rausgezogen.«

Cherie stupst mich noch mal in die Seite.

»Stimmt! Daran kann ich mich noch gut erinnern! Du dich auch?«

Das soll wohl ein Witz sein? Diese Schmach hat sich unausl?schlich in mein Ged?chtnis eingebrannt. Mit meiner Aktion wollte ich Cherie damals beeindrucken. Dass sie mich anschliessend retten musste, war mir peinlich ohne Ende. Was soll ich darauf also antworten? Etwas Intelligentes f?llt mir nicht ein. Eigentlich f?llt mir gar nichts ein. Wenn ich Cherie angucke, stellt sich in meinem Hirn die grosse Leere ein. Cherie sieht mich gespannt an. Ich hole Luft – und bleibe stumm. Es ist, als h?tte ich einen riesigen Knoten in der Zunge. Und anstelle des Gef?hls von Sabber habe ich jetzt den Eindruck, dass mein Maul ganz trocken ist.

»Herkules? Alles in Ordnung? Hat es dir die Sprache verschlagen?« Cherie betrachtet mich neugierig von der Seite. Ich f?rchte, mit ihrer Diagnose hat sie Recht. Ich bringe einfach kein Wort hervor. Sie stupst mich noch einmal an. Wieder der Stromschlag!

»Ich, also, ?h …« Mist. Es geht einfach nicht.

»Ist schon komisch, wenn man sich nach so langer Zeit zuf?llig begegnet, oder?« Wie nett. Cherie will mir offenbar den Gespr?chseinstieg erleichtern. Ich nicke ergeben. Sie braucht nicht zu wissen, dass wir gar nicht zuf?llig hier sind. »Ich habe nach unserem Umzug h?ufiger an dich gedacht. Der war ja sehr spontan, weisst du?« Meine Sprachl?hmung h?lt an, also sch?ttle ich nur den Kopf. Cherie hat die G?te, so zu tun, als sei das v?llig normal, und erz?hlt einfach weiter. »Claudia folgte n?mlich der Stimme ihres Herzens. In eine andere Stadt.«

Stimme des Herzens. Das ist das Stichwort! Ich muss husten– und pl?tzlich kann sich meine Zunge wieder frei bewegen. Uff – hoffentlich war das ein einmaliger Aussetzer, sonst

muss mich Cherie ja f?r v?llig unterbelichtet halten. Schnell bem?he ich mich, m?glichst sinnvoll in das Gespr?ch einzusteigen.

»Ach so. Ein Umzug. Also seid ihr nur zu Besuch hier?«

»Nein. Das menschliche Herz ist offenbar nicht besonders zuverl?ssig, insbesondere Claudias nicht, und deswegen sind wir jetzt wieder zur?ck. Letzte Woche sind wir mit Sack und Pack umgezogen.«

Mein Herz macht einen weiteren Sprung. Cherie wohnt wieder in meiner N?he!

»Ich sag’s dir: Umziehen ist ein m?rderischer Stress! Ich hoffe, Claudia verliebt sich so schnell nicht wieder. Oder wenn, dann nur in ihren direkten Nachbarn.«

»Hm, als Caro und ich damals zu Marc gezogen sind, war das gar nicht so anstrengend.«

»Na, euer Umzug fand ja auch nicht mitten in der Nacht und heimlich statt.«

»Mitten in der Nacht und heimlich? Nein, bei uns kam ein Riesenlaster, und f?nf M?nner haben Kartons geschleppt. Wie will man das denn heimlich machen?«

»Ganz einfach: indem man auf den Laster und die Kartons verzichtet, die wichtigsten Sachen in einen Koffer schmeisst und einfach nachts abhaut.«

»Das habt ihr gemacht? Warum denn?«

»Du wirst es nicht glauben, aber Claudia hatte Angst vor ihrer einstmals grossen Liebe. Der war n?mlich ein echter Tyrann und hat st?ndig rumgebr?llt. Ich glaube, Claudia dachte, dass der uns nicht einfach gehen l?sst.«

»Das ist ja furchtbar! Thomas, Carolins Exfreund, war auch ein echter Schreihals und noch dazu ein L?gner und Betr?ger – aber Angst hatte Caro vor ihm nicht. Leider. Sie glaubte unersch?tterlich an das Gute in ihm. Was dort nat?rlich

?berhaupt nicht vorhanden war. Also mussten Herr Beck und ich gaaaanz tief in die Trickkiste greifen, um den Typen loszuwerden.«

»Echt? Das habt ihr beiden geschafft?«

Ich recke mich stolz.

»Jepp!« Dass der ?rger ohne Thomas erst richtig losging, lasse ich an dieser Stelle mal weg. Es gab ja trotzdem ein Happy End.

»Und nun ist sie mit dem Doktor gl?cklich. Das ist ja wie im M?rchen!« Cherie wirkt sehr beeindruckt. Was ist es eigentlich, was Frauen an ?rzten so toll finden? Gut, Marc hat Cherie nach ihrem Unfall operiert, aber das ist schliesslich sein Job. Quasi, als ob Daniel einen Riss im Cello wiederzusammenflickt. Handwerk eben. Aber Daniel erntet nie solche Blicke von Frauen, wenn er von seinem Beruf erz?hlt. Weder von zwei-, noch von vierbeinigen.

»Ja, das Zusammenleben mit Marc klappt wirklich gut. Nur anfangs gab es Probleme mit einem magischen Kleiderschrank.«

Cherie guckt mich mit ihren grossen, dunklenwundersch?nen Augen erstaunt an.

»Echt? Ein magischer Schrank?«

Ich nicke.

»Immer, wenn Caro und Marc vor dem Schrank standen, haben sie angefangen, sich zu streiten. Zuerst ging es um Marcs Hosen und die Frage, ob man die wegschmeissen muss, wenn sie so eng sind, dass man sie nicht mehr zumachen kann, oder ob die nicht doch ein tolles Andenken an alte Zeiten sind. Und dann darum, ob Marcs Mutter die Unterw?sche von Carolin im Schrank sortieren darf.«

»Aha? Und wie kommst du drauf, dass das an dem Schrank gelegen hat? Versteh ich nicht.«

»Na, das ist doch sonnenklar! Das sind doch v?llig verr?ckte Themen! W?sche und enge Hosen! Dar?ber w?rden sich doch denkende, vern?nftige Wesen sonst niemals streiten. Es muss also am Schrank gelegen haben.«