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Cherie gibt ein Ger?usch von sich, das wie ein Kichern klingt.

»Ach komm, Herkules. Du bist doch auch nicht erst seit gestern ein Haustier. Das hast du doch mittlerweile schon mitbekommen, dass Denken und Vernunft beim Menschen nicht viel miteinander zu tun haben.«

Auch wieder wahr. Den Fehler mach ich halt immer wieder. Ich glaube, dass Menschen dank der F?higkeit zum logischen Denken auch logische Schl?sse ziehen m?ssten.

»Aproposversteh einer die Menschen: Wer ist eigentlich der Typ, mit dem du gekommen bist?«, will Cherie wissen.

»Daniel, Carolins Kollege. Die beiden haben doch zusammen die Werkstatt.«

»Hm. Sagt mir nichts. Ich glaube, den habe ich noch nie gesehen.«

»Na ja, er war auch eine Zeitlang nicht da. Ist ebenfalls der Stimme seines Herzens gefolgt. War aber auch ein Reinfall. Er musste zwar nicht nachts mit einem Koffer t?rmen, aber ich glaube, ein paar Schrammen hat sein Herz doch abbekommen.«

Cherie legt den Kopf schief und guckt nachdenklich.

»Daf?r, dass das Herz so empfindlich ist, m?ssten die Menschen einfach mal besser darauf aufpassen.«

Wie wahr, wie wahr. Cherie hat vollkommen Recht. Sie ist eben nicht nur sch?n, sie ist auch schlau. Ich habe sie echt vermisst.

NEUN

Die menschliche Tragzeit dauert ewig. E-W-I-G! Wie rund soll Carolin denn noch werden? Gerade jetzt liegt sie auf dem Sofa im Wohnzimmer, ich ausnahmsweise auch darauf zu ihren F?ssen – und ich kann ihr Gesicht gar nicht mehr sehen, weil mir ihr Bauch die Sicht versperrt. Ob Menschenbabys dadurch auf die Welt kommen, dass die Mutter einfach platzt?

Auf dem dicken Bauch hat Carolin ein Buch abgelegt, aus dem sie mir bis eben vorgelesen hat. Wer sich jetzt denkt, dass es doch sehr nett ist, wenn Frauchen seinem treuen Jagdhund eine lustige Geschichte vorliest, der irrt. Keine lustige Geschichte. Nicht mal eine traurige. Einfach gar keine. Carolin liest aus dem Buch Namen vor, lauscht ihrem Klang nach und fragt dann:»Na, Herkules? Wie findest du den?« Was soll ich dazu schon sagen? LANGWEILIG! Ich will lieber spazieren gehen. Mit Gl?ck ist Cherie auch gerade unterwegs! Seit unserem Wiedersehen vor zwei Tagen muss ich st?ndig an sie denken.

»Oder Sophie? Klingt doch auch sch?n, oder? Also, wenn es ein M?dchen wird.« Sie legt die Hand neben das Buch auf den Bauch. »Na, Kleines? Wirst du ein M?dchen?«

Marc kommt ins Wohnzimmer, gibt Caro einen Kuss und setzt sich dann in einen der Sessel.

»Hallo, ihr beiden. Was macht ihr denn Sch?nes?«

»Herkules ber?t mich bei der Vornamensfindung.«

Von wegen! Herkules langweilt sich! Aber das interessiert hier wie?blich keinen. Es geht mal wieder um das Baby. Hoffentlich ist das bald da, damit sich die Themenliste endlich wieder normalisiert.

»Und? Was gef?llt ihm am besten?«

»Ich glaube, bei den M?dchen mag er Sophie, bei den Jungs Henri.«

Bitte? So’n Quatsch! Ich w?rde sagen, bei den M?dchen Chappi und bei den Jungs Frolic.

»Henri finde ich auch sch?n. Henri Wagner. Das hat doch was.«

»Ja, schon sehr h?bsch. Noch h?bscher ist allerdings Henri Neumann.«

Carolin klingt belustigt. Sehen kann ich das ja nicht. Marc hingegen, den ich sehr gut sehen kann, zieht die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel nach unten. Ist bestimmt ein schwieriges Man?ver und dr?ckt offensichtlich Missfallen aus.

»Neumann?!«

»Ja. So heisse ich.«

Genau. Sollte Marc das etwa vergessen haben?

»Ja, aber … aber …«

»Aber, aber – was?«

»Nun ja, ich dachte, das Kind bekommt meinen Nachnamen.«

»Wie kommst du denn darauf? Dar?ber haben wir doch noch gar nicht gesprochen. Was mich, nebenbei bemerkt, schon ein bisschen gewundert hat. Aber dann dachte ich, ich warte mal, ob du es ansprichst.«

Marc r?uspert sich.

»?h … ich dachte, das w?re irgendwie klar.«

»Wieso sollte das klar sein?«

»Na, wir sind doch eine Familie. Und Luisa heisst doch auch Wagner. Sollen denn die Geschwister nicht den gleichen Namen tragen?«

»Sollen sie? Ich weiss nicht. Ich geh?re doch auch zur Familie.«

Genau! Und ich auch! Herkules Neumann!

»Das ist doch etwas ganz anderes!«

»Finde ich nicht.«

»Doch, du kannst ja meinen Namen gar nicht annehmen.«

»K?nnte ich schon. Wir m?ssten nur heiraten.«

»Bitte, nicht wieder das Thema. Du kennst meine Meinung.«

Wuff! Aber ich nicht! Wor?ber reden denn die beiden? Und wieso sinkt die gef?hlte Zimmertemperatur gerade um mindestens zehn Grad?

»Ja. Die kenne ich. Und sie kr?nkt mich. Nicht, weil ich unbedingt heiraten will. Sondern weil ich das Gef?hl habe, dass du an unserer Liebe zweifelst. Und glaube mir, das ist kein sch?nes Gef?hl, vor allem, wenn man im achten Monat schwanger ist und aussieht wie eine Seekuh.«

Marc steht auf, kniet sich neben das Sofa und k?sst Caro auf den Bauch.

»Spatzl, das stimmt doch gar nicht. Das mit der Seekuh. Und der Rest auch nicht. Ich liebe dich, ich freue mich wahnsinnig auf unser gemeinsames Kind. Aber ich stand schon einmal vorm Altar und habe ewige Treue geschworen. Bis dass der Tod euch scheidet, haha! Das hat ja nun nachweislich nicht geklappt. Sabine ist putzmunter und gl?cklich vereint mit ihrem Flugkapit?n. Ich glaube nicht mehr an den ganzen Quatsch. Unddeswegen m?chte ich nie wieder heiraten. Einen anderen Grund gibt es nicht. Mit meiner Liebe zu dir hat das rein gar nichts zu tun.«

Jetzt f?ngt Caro an zu schluchzen. Auweia, wer h?tte an diesem friedlich-langweiligen Nachmittag damit gerechnet?

»Tut mir leid, Marc. Das sind die Hormone. Denk dir nichts. Aber deine Mutter nervt mich ziemlich mit dem Thema. Und meine eigentlich auch. St?ndig fragen mich die beiden, warum wir nicht heiraten. Ich komme mir langsam total bl?d vor, verstehst du? Dabei bin ich doch gar keine grosse Verfechterin der Ehe.«

Marc streichelt?ber ihren Bauch. Ob da ausser dem Baby auch dieseHormone drin sind? Was ist das wohl? Auf alle F?lle scheinen die zum Schwangersein dazuzugeh?ren und es irgendwie l?stig zu machen, wenn Caro nun schon wegen ihnen weinen muss.

»Armes Spatzl. Das tut mir leid. Ich rede mit meiner Mutter.«

»Nee, lass mal. Ich glaube, sie wird das nicht verstehen.«

Und kann man es ihr verdenken? Ich verstehe schliesslich auch kein Wort. Was schon daran liegt, dass ich keine wirkliche Vorstellung davon habe, was »Ehe« und »Heiraten« eigentlich bedeuten.Ewige Treue klingt doch schon mal gut. Wie zwischen J?ger und Hund. Bisdass der Tod euch scheidet– das k?nnten sich auch Opili und von Eschersbach versprochen haben. Also, selbst wenn sie sich das so nie gesagt haben, weil sich die beiden ja nicht mit Worten unterhalten konnten. Gemeint haben sie es bestimmt. Und daran gehalten haben sie sich auch. Bis zum letzten Atemzug von Opili.

So gesehen verstehe ich schon, dass Caro sauer ist, wenn Marc ihr das jetzt nicht versprechen will. Und alles nur, weil sich die bl?de Sabine nicht daran gehalten hat. Das ist doch wohl nicht Caros Schuld! Da h?tte Marc bei der Frauenauswahl einfach ein bisschen besser aufpassen m?ssen. Auch hier ist es doch wieder wie im wahren Leben. Augen auf beim

Hundekauf! Diese Mahnung nimmt sich jeder gewissenhafte Z?chter zu Herzen, wenn er sich eine neue H?ndin in den Zwinger holt. Sabine war eben ein Fehlgriff. Selber schuld, Marc!

Andererseits – was genau ist denn nun der Unterschied zwischen Liebe und Ehe? Wie h?ngen die zusammen? H?ngen sie ?berhaupt zusammen? Dass Marc Caro liebt, ist doch klar. Das bezweifelt sie auch nicht. Sagt sie ja selbst. Und mit ihr zusammenbleiben will er auch, ist bei Menschenpaaren, zumal mit Kindern, schliesslich das Konzept. Und schiefgehen kann es – siehe Sabine – trotz Ehe. Versteh ich nicht. Wozu heiraten Menschen denn dann? Ob das irgendwas mit dem Eintrag ins Zuchtbuch zu tun hat? Gibt es das f?r Menschen ?berhaupt? Und was hat das alles damit zu tun, dass Caro mittlerweile wie eine Seekuh aussieht?

»So, dann lass mich auch mal gucken.« Marc steht auf, nimmt das Buch von Caros Bauch und setzt sich wieder in den Sessel. »Henri und Sophie. Finde ich beides gut. ?ber den Nachnamen unterhalten wir uns noch mal, oder?«