Выбрать главу

VIERZEHN

Also Daniel, bei allem Verständnis dafür, dass du eine scharfe Schnitte beeindrucken willst – aber wir sind gerade echt nicht in der Verfassung, hier einen Herbergsbetrieb zu eröffnen.«

»Es ist doch nur für zwei, drei Tage – bis dahin ist die Werkstatt wieder bewohnbar.« Ich muss sagen: Daniel kann es in Sachen Dackelblick fast mit mir aufnehmen. Nur leider ist dieser an Marc völlig verschwendet, denn der scheint ähnlich finster entschlossen, Claudia keine Unterkunft anzubieten, wie der Herbergsvater im Krippenspiel an Weihnachten.

»Nein. Caro kommt morgen mit Henri aus dem Krankenhaus, und meine Quasi-Schwiegereltern haben auch schon ihren Besuch angedroht. Luisa und ich müssen bis dahin noch alles tipptopp aufräumen, und ich sage dir – es muss noch einiges passieren, bis wir Caros Ansprüchen gerecht werden, von ihren Eltern will ich gar nicht reden! Das Letzte, was wir in dieser Situation brauchen, ist unbekannter Übernachtungsbesuch mit einer trächtigen Hündin. Wir haben selbst gerade Schnulleralarm. Wieso lässt du die beiden nicht einfach bei dir pennen?«

»Ich wohne doch immer noch in einem möblierten Zimmer. Eiche rustikal, Hunde streng verboten und nur zehn Quadratmeter groß, da passt außer mir echt niemand rein. Es sei denn, Claudia schläft bei mir im Bett, aber wenn ich ihr das vorschlage, denkt sie doch sofort, ich will sie anmachen.«

Marc hebt die Brauen.

»Na und? Willst du doch auch.«

Genau! Will er doch auch! Warum dann nicht mal den direkten Weg gehen? Das ist doch wieder typisch Mensch. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Ich hätte so viele Verbesserungsvorschläge, was das Paarungsverhalten von Männern und Frauen anbelangt! Aber leider fragt mich nie jemand danach.

»Ich will sie nicht anmachen. Ich würde mich freuen, wenn ich in ihrem Leben künftig eine größere Rolle spielen würde.«

»Bitte was? Ich würde mich freuen, wenn ich in ihrem Leben künftig eine größere Rolle spielen würde? Mann, Daniel, du brauchst dringend mal wieder eine Frau, du klingst schon genauso abgedreht wie meine Mutter.«

Ein Kompliment scheint mir das nicht gerade zu sein, aber Daniel ist darüber nicht sauer, sondern grinst.

»Eben. Dann hilf mir doch, die richtige Frau zu finden. Ich habe Claudia aus ihrer WG gelotst, und jetzt steht sie da mit ihrem ganzen Gepäck. Für ein Hotelzimmer fehlt ihr die Kohle, und ich habe versprochen, mich zu kümmern. Komm schon, ich muss doch nur die nächsten beiden Tage überbrücken. Die Werkstatt ist noch total feucht, und dieser Lüfter macht einen Höllenlärm. Da kann Claudia unmöglich wohnen.«

Dazu sagt Marc erst einmal nichts, er scheint zu überlegen.

»Okay, wenn du unbedingt den großen Gentleman geben willst, mache ich folgenden Vorschlag: Gib Claudia dein Zimmer und übernachte die nächsten zwei Tage bei mir in der Praxis. Ich stelle dir ein Feldbett auf, der Köter kann im Aufwachraum wohnen. Geplante Operationen habe ich am Wochenende nicht, wenn ein Notfall reinkommt, wird es eben ein wenig kuschlig. Und: Um den Hund kümmerst du dich. Dafür habe ich momentan garantiert keine Zeit.«

Daniel atmet erleichtert aus und klopft Marc auf die Schulter.

»Danke, Kumpel, das ist total nett von dir.«

Marc nickt.

»Ja, ist es. Aber wenn ich dir einen Rat geben darf: Nach meiner Erfahrung wird einem das Nettsein von Frauen nicht unbedingt gedankt. Also, Claudia findet es bestimmt super, dass du dich so kümmerst. Dass sie dich deswegen auch als Typ spannend findet, ist da nicht automatisch mit drin.«

»Hey, was ist hier eigentlich los, dass mich alle ständig warnen, ich solle nicht so nett zu Claudia sein? Ich bin ein erwachsener Mann, ich kann das schon selbst entscheiden.« Er zögert kurz. »Aber trotzdem noch mal vielen Dank, ich fahr jetzt gleich zu mir, ein paar Sachen packen.«

Als er gegangen ist, kniet sich Marc zu mir und krault mich hinter den Ohren.

»Ja, er ist erwachsen. Und ja, er ist zu nett. Ich hoffe, das wird nicht die nächste Enttäuschung für ihn. Und in der Zwischenzeit kannst du dich doch mal so richtig um die schicke Cherie kümmern, nicht wahr, Herkules?«

Super. Um Daniel macht er sich Sorgen, bei mir: Fehlanzeige! Was ist denn, wenn ich da die nächste Enttäuschung erlebe? Total nett bin und trotzdem keinen Meter weiterkomme? Hä? Auch mal daran gedacht, Mister Supertierarzt? Nach der verpatzten Nummer mit dem Duschbad im Garten frage ich mich außerdem, ob ich Cherie nicht lieber Cherie sein lassen sollte. Das wird ja doch nichts mit uns beiden. Besser kümmere ich mich jetzt um meine eigene Familie. Immerhin sind wir ab morgen zu fünft.

»Vorsicht, mein Schatz, du musst immer das Köpfchen stützen, das kann Henri noch nicht allein halten.«

Behutsam legt Marc Luisa das Baby auf den Arm. Die strahlt über das ganze Gesicht und zieht Henri ganz dicht an sich heran, so als sei er ein wertvolles Geschenk, das sie nun genau betrachten wolle.

»Och, Papi, der ist sooo süß! Am liebsten würde ich ihn Montag mit in die Schule nehmen und allen zeigen.«

Marc lacht.

»Das können wir gerne mal machen, aber ich würde vorschlagen, dass wir noch abwarten, bis Henri ein bisschen größer ist. Für so ein kleines Würmchen ist eine ganze Horde Schulkinder wohl noch nicht das Richtige.«

Luisa verzieht den Mund.

»Aber am Mittwoch ist doch der letzte Schultag, und dann sind Sommerferien, und danach gehen wir alle auf verschiedene Schulen. Guck mal, ich gehe dann aufs Geschwister-Scholl-Gymnasium, Greta auf’s Erich-Kästner und Lena auf die Stadtteilschule. Das bringt gar nix, wenn ich dann mit Henri ankomme. Ich kenne doch noch niemanden in meiner neuen Klasse.«

»Luisa, mach dir keine Sorgen. Du kannst deine besten Freundinnen natürlich auch mal so zur Baby-Besichtigung einladen. Nur eben noch nicht diese Woche. Das ist zu stressig. Für Henri und für Carolin. Da müssen wir beiden jetzt mal ein bisschen Rücksicht nehmen. Guck mal, Henri braucht noch ganz viel Schlaf und Caro ehrlicherweise auch. Die letzte Nacht war sehr anstrengend.«

Luisa nickt, dann haucht sie Henri einen Kuss auf die Stirn und gibt ihn Marc zurück.

»Na gut, dann lass ich euch drei jetzt schlafen. Henri pennt eh schon, und du siehst auch ziemlich müde aus. Ich drehe so lange eine Runde mit Herkules. Kommst du, mein Superdackel?«

Das muss man mir natürlich nicht zweimal sagen. Dachte schon, dass heute vor lauter Babybegeisterung niemand mehr auf die Idee kommt, dass ich mal raus muss. Übrigens: Mit raus ist hier nicht das Geparktwerden im Garten gemeint. Ein sehr liebloses Vorgehen, das für meinen Geschmack momentan zu häufig vorkommt. Und das, obwohl gerade Wochenende ist. Normalerweise ist bei Menschen der freudige Ausruf »Endlich Wochenende!« ein Zeichen dafür, dass sie entspannter sind und sich Zeit für die wesentlichen Dinge nehmen. Zum Beispiel für ihren Hund. Nicht nur bei Caro und Marc scheint das so zu sein. Die Hundewiese an der Alster ist jedenfalls am Wochenende immer besonders voll. Und keineswegs nur mit Hunden. Sind Mensch und Hund sonst in der Regel zu zweit unterwegs, wird am Wochenende anscheinend alles mitgeschleift, was der Zweibeiner zu Hause noch so gefunden hat. Oma, Opa, ein bis fünf Kinder, Fahrrad, Roller, bei sehr schönem Wetter auch gerne der Picknickkorb. Das habe ich unter der Woche, wie Caro die anderen Tage nennt, eigentlich noch nie gesehen.

Komisch – warum nehmen sich Menschen so selten Zeit für Dinge, die ihnen Spaß machen? Die können doch selbst über sich bestimmen. Ich meine, ich als Haustier brauche für verdammt viele Sachen die Erlaubnis meines Frauchens. Caro ist ein tolles Frauchen, deswegen ist das meist kein Problem. Aber trotzdem sind stundenlange Spaziergänge ohne sie nicht drin – es sei denn, ich haue ab und riskiere damit garantiert richtig viel Ärger. Caro hingegen muss niemanden fragen, wenn sie mal den ganzen Tag durch den Wald rennen will. Marc auch nicht. Warum machen die beiden also nicht mehr aus ihrer Freiheit? Unter der Woche dauert so lang, Wochenende ist so kurz. Da sollten die Menschen über eine Änderung nachdenken! Vielleicht tauschen sie die Tage einfach aus. Kann doch so schwer nicht sein. Dann gibt es ganz viel Wochenende, und alle sind glücklich. Meine Wenigkeit eingeschlossen!