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Luisa lächelt. Etwas schief, aber immerhin.

»Ja, geht klar.«

FÜNFZEHN

Ich finde sie immer noch unglaublich attraktiv. Okay, sie ist mittlerweile in etwa so schlank um die Taille wie Herr Beck – aber bei Gott: Sie ist immer noch eine Schönheit. Seit gestern wohnt sie zusammen mit Daniel in der Praxis, und ich darf ihr Gesellschaft leisten. Jetzt schaut sie mich unter ihren langen Wimpern durchdringend an.

»Was denkst du gerade?«

»Äh, nichts. Wieso?«

»Weil du mich so anguckst.«

»Nein, hab ich gar nicht.«

»Gib’s zu – du hast gedacht, dass ich ganz schön fett geworden bin.«

Ich schüttle den Kopf.

»Nein, gar nicht. Und du bist auch gar nicht fett.«

»Na ja.«

»Also, klar, normalerweise bist du schlanker, aber …«

Cherie jault auf.

»Siehst du! Ich wusste es!« Beleidigt dreht sie sich von mir weg und legt sich wieder in die große Holzbox, die Marc eigens für sie in den Aufwachraum neben seinem Operationsraum gestellt hat.

Ratlos lasse ich den Kopf sinken. Was hat sie bloß? Ich wollte doch gerade eben nicht sagen, dass sie dick ist. Sie ist doch nur trächtig. Solche Kommunikationsprobleme habe ich sonst nie, nicht mal mit Herrn Beck. Ob es daran liegt, dass Cherie eine Hündin ist und ich ein Rüde bin? Nina, Caros Freundin, behauptet ja immer, dass Männer und Frauen unterschiedliche Sprachen sprechen. Bisher hielt ich das für Quatsch. Sie benutzen schließlich dieselben Wörter. Aber vielleicht hat Nina das auch anders gemeint? Kann man unterschiedliche Sprachen trotz derselben Wörter sprechen?

Ich laufe um die Holzbox herum und stupse Cherie mit meiner Schnauze in die Seite.

»Hey, ich weiß nicht genau, was du gerade verstanden hast. Aber bestimmt war es nicht das, was ich sagen wollte. Du bist nicht fett. In deinem Bauch turnen nur im Moment eine Menge kleiner Hunde herum. Ehrlich gesagt, hatte ich gerade wieder bewundert, wie schön du bist. Darüber habe ich nachgedacht, als du mich gefragt hast.«

»Ehrlich?«

»Ja, ganz ehrlich.«

Cherie kommt mit ihrer Schnauze jetzt ganz dicht an meine heran und schleckt mir einmal kurz darüber. Sofort stellen sich sämtliche Haare vom Nacken bis zur Rutenspitze bei mir auf. So ein schönes Gefühl!

»Du bist ein guter Freund, Herkules. Manchmal denke ich, du bist vielleicht sogar mehr. Vielleicht sogar …«

Ja? Vielleicht was?! Nun sag schon, Cherie! Wie gebannt starre ich sie an und warte atemlos darauf, wie sie diesen Satz zu Ende bringen wird. Leider sagt sie nun aber gar nichts mehr, sondern springt auf einmal auf und beginnt, hin und her zu laufen und zu japsen.

»Cherie, was hast du?«

Statt zu antworten, bleibt sie nun wieder stehen und fängt an, mit den Vorderläufen auf der Decke in der Box zu scharren. Und dann passiert im Wesentlichen das Gleiche wie bei Carolin: Mit einem Plopp ergießt sich plötzlich ein Schwall Wasser auf den Boden. Und diesmal weiß ich, was das zu bedeuten hat: Ich werde zum zweiten Mal innerhalb einer Woche zum unfreiwilligen Geburtshelfer! Och nö! Was soll ich denn nun machen? Die Feuerwehr ist doch wahrscheinlich in diesem Fall nicht zuständig – und wie sollte ich die auch alarmieren? Wo steckt Daniel eigentlich schon wieder? Immer, wenn man den braucht, ist er nicht da! Sehr schlechte Eigenschaft, das.

Noch mal plopp. Der erste Welpe fällt zu Boden. Plopp, der zweite. Jetzt ahne ich, warum die Menschen das bei uns Hunden Werfen nennen: Es sieht tatsächlich so aus! Die Welpen liegen auf der Decke und rühren sich kaum. Kein Wunder  – sie sind nämlich noch in einer Art feucht glänzendem Tütchen verpackt. Cherie dreht sich um ihre eigene Achse und beginnt, die beiden Welpen aus den Tütchen zu befreien, indem sie sie mit den Zähnen aufreißt. So ausgepackt, liegen die Welpen mit nassem Fell auf der Decke und zucken ein wenig mit den Pfoten. Auf ihren Bäuchen hängt ein Faden. Cherie beißt auch diesen ab und fängt an, ihre Babys abzuschlecken. Je stärker sie die Kleinen mit ihrer Zunge massiert, desto mehr beginnen diese zu japsen. Sie wirken sehr erschöpft. Ob die Geburt für Welpen stressig ist? Wenigstens für Cherie scheint die Geburt nicht ansatzweise so anstrengend zu sein, wie sie es für Caro war. Gut, sie atmet zwar schwer, aber Schmerzen scheint sie keine zu haben. Ich merke, wie ich mich entspanne. Offenbar ist die Feuerwehr hier überflüssig. Gut, dass wir Hunde mal wieder so pflegeleicht sind!

Nach einer Weile wieder: Plopp – Nummer drei. Wieder die gleiche Prozedur. Und kaum kräftig abgeschleckt, fängt das Kleine auch an, sich hin und her zu winden. Wie von unsichtbarer Hand geleitet, kriecht es dann auf Cheries Bauch zu und beginnt, an ihren Zitzen zu saugen. Wahnsinn! Und das mit geschlossenen Augen! Während die Kleinen noch um die besten Plätze an den Zitzen kämpfen, steht Cherie wieder auf. Plopp. Nummer vier. Und auch dieser kleine Kerl macht sich, kaum hat Cherie ihn gesäubert, gleich in Richtung Milchbar auf. Einige Zeit später wiederholt sich das Ganze, und ein fünfter Welpe wird geboren. Dabei soll es nun offenbar bleiben, denn Cherie legt sich jetzt auf die Seite und lässt die Neuankömmlinge erst einmal eine Runde trinken.

Ich laufe zur kurzen Seite der Box, hier sind die Seitenleisten so niedrig, dass ich Cherie und ihre Welpen gut betrachten kann. Die Kleinen sind etwas dunkler als Cherie, aber vielleicht ist ihr Fell noch nicht ganz trocken. Ihre kleinen Ruten zucken vor und zurück, hin und wieder verliert ein Welpe den Kontakt zur Zitze und schnappt gierig nach, die kleinen Köpfchen drängen hin und her.

»Geht’s dir gut?«, flüstere ich. Aber Cherie reagiert nicht, stattdessen legt sie den Kopf auf ihren Vorderläufen ab und schließt nun ebenfalls die Augen. Unschlüssig stehe ich herum – und beschließe dann, die Biege zu machen. Etwas Überflüssigeres als einen Jagdhund auf der Säuglingsstation kann ich mir gerade kaum vorstellen. Und dass mir Cherie jetzt noch anvertraut, was sie mir eben eigentlich sagen wollte, halte ich auch für eher unwahrscheinlich. Ich werfe noch einen letzten Blick in die Box, dann drehe ich mich um und trabe aus dem Raum. Hoffentlich kommt Daniel bald – ich will nicht mehr hier sein! Ich will zu meiner eigenen Familie!

Ein Schlüssel dreht sich im Schloss – endlich! Die Tür öffnet sich einen Spalt, eine Hand reicht durch und macht das Licht im Flur an. Aus einem Gefühl von Erleichterung springe ich ihn an und schlabbere seine Hände ab.

Daniel weicht einen Schritt zurück.

»Gott, Herkules, hast du mich erschreckt! Schön, dass du dich so freust, mich zu sehen – aber fall mich bitte nicht einfach an. Da kriege ich ja einen Herzkasper!«

Artig stelle ich mich vor ihn hin und wedele nur noch wie wild mit dem Schwanz. Daniel grinst mich an, und ich bin hin und her gerissen. Renne ich jetzt zur Tür, damit er mich nach oben in die Wohnung bringt? Oder renne ich zum Aufwachraum, damit er mal nach Cherie schaut? Ich hatte zwar den Eindruck, dass die Dame bestens allein klarkommt. Aber vielleicht bin ich auch nur eingeschnappt und will es selbst nicht wahrhaben. Mein weiches Herz siegt, ich trabe zur Tür des Aufwachraumes, und tatsächlich folgt mir Daniel. Ich laufe vor zur Box, in der Cherie und die Kleinen immer noch genauso wie eben liegen, und setze mich daneben. Daniel stellt sich zu mir. Erst scheint er gar nicht zu bemerken, welche Sensation sich hier in der letzten Stunde ereignet hat, doch dann beugt er sich über die Kiste und fängt an zu lachen. Was, bitte, ist denn daran komisch?

»Oh Mann, Herkules – jetzt ist hier auch noch Welpenalarm! Unglaublich! Das sieht ja toll aus!«

Er langt in die Box und streichelt Cherie über den Rücken. Die reagiert allerdings überhaupt nicht auf die Berührung. Gut so! Alles andere hätte ich persönlich genommen – mich nimmt sie schließlich auch nicht wahr.