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Caro und Marc sind mittlerweile in Luisas Zimmer gegangen und haben sich auf ihr Bett gesetzt. Luisa hockt sich im Schneidersitz auf den Teppich davor und nimmt mich auf den Schoß. Marc räuspert sich.

»Guck mal, mein Schatz, natürlich darfst du Henri deinen Freundinnen zeigen. Das habe ich dir versprochen, und das halte ich auch. Aber eine Übernachtungsparty wird uns momentan einfach zu viel. Henri schläft noch sehr schlecht, und wenn er dann morgens doch mal ein paar Stunden durchschläft, möchten wir ungern um 6 Uhr von einer sehr netten, aber auch sehr lauten Meute Zehnjähriger geweckt werden.«

Luisa schnieft. Ich kann zwar von meiner Position aus ihr Gesicht nicht sehen, halte es aber für unwahrscheinlich, dass sich darin so etwas wie Verständnis spiegelt.

»Aber jetzt hab ich doch extra bis zu den Sommerferien gewartet. Damit wir morgens nicht in die Schule müssen. Und wenn wir die Party nicht bald machen, sind alle im Urlaub. Nur ich nicht. Wir sind die einzige Familie, die nicht wegfährt.«

Marc rollt mit den Augen.

»Luisa, wir sind mit Sicherheit auch die einzige Familie, die gerade ein Baby bekommen hat. Da kann man nicht so einfach in den Urlaub fahren. Henri muss noch ein bisschen größer werden.«

»Aber dann will ich wenigstens eine Übernachtungsparty feiern. Die Einladungskarten habe ich sogar schon gebastelt. Und ich habe extra Schnuller und so vorne draufgemalt, damit meine Freundinnen wissen, dass sie auch das Baby sehen können.«

Caro schüttelt den Kopf.

»Nein, Luisa. Es tut mir leid, aber das ist noch zu stressig. Du kannst gerne ein oder zwei Mädchen für den Nachmittag einladen. Aber übernachtet wird nicht.«

»Guck mal, das kannst du doch in den Herbstferien machen. Dann passt es bestimmt besser.«

Luisa schnieft noch einmal, Marc und Caro stehen auf. Bevor er hinausgeht, wendet sich Marc noch einmal zu Luisa.

»Schatz, ich verstehe, dass du deswegen traurig bist. Aber sieh es doch mal so: Jetzt hast du endlich das Geschwisterchen, das du dir so lange gewünscht hast.«

Als die beiden Luisas Zimmer verlassen haben, fängt sie richtig an zu weinen. Sie schluchzt und drückt ihr Gesicht in mein Fell, ich kann die warmen Tränen im Nacken spüren.

»Henri, Henri, immer nur Henri. Die sind so gemein! Niemand interessiert sich mehr dafür, was ich eigentlich will. Dabei habe ich mich echt angestrengt, besonders lieb zu Henri zu sein. Die Party sollte doch auch für ihn sein. Alle meine Freundinnen haben schon ein kleines Geschenk für ihn besorgt. Das ist so ungerecht!«

Weil ich Luisa sehr gut verstehen kann, drehe ich mich halb um die eigene Achse und lecke ihr zum Trost einmal übers Gesicht. Hm, schön salzig! Luisa kichert.

»Das kitzelt, Herkules!«

Ich schlabbere noch einmal los.

»Komm, ich zeige dir, was ich gebastelt habe. Papa wollte meine Einladungskarten ja nicht einmal angucken, obwohl ich mir solche Mühe damit gegeben habe.«

Sie will aufstehen, also hüpfe ich von ihrem Schoß. Neugierig folge ich ihr zum Schreibtisch, von dem sie einen Stapel mit Karten nimmt und ihn mir unter die Nase hält. Nun bin ich wahrlich nicht der große Meister, was das Unterscheiden von Farben anbelangt, aber selbst mir ist auf einen Blick klar, dass alle Karten unterschiedlich sind. Anscheinend hat sich Luisa unwahrscheinlich viel Mühe gegeben, um aus jeder Karte etwas ganz Besonderes zu machen. In meinen Hundeaugen sind einige heller, einige dunkler, und vorne drauf hat Luisa aus einem anderen Papier kleine Bilder ausgeschnitten. Sie zeigen diese Dinger, die Henri ganz oft im Mund hat – Schnuller oder wie die heißen. Oder auch Teddybären, auf einer Karte ist die Wiege abgebildet, in der Henri liegt. Uff, wuff – das muss ganz schön viel Arbeit gemacht haben! Kein Wunder, dass Luisa jetzt enttäuscht ist. Ich schlabbere ihre Hände ab.

»Ach Herkules, wenigstens du verstehst mich, oder?«

Ich wedele mit dem Schwanz, denn Luisa hat vollkommen Recht.

»Manchmal denke ich, Papa würde vor lauter Henri gar nicht merken, wenn ich nicht mehr da wäre. Und dann habe ich Angst, dass Mama doch Recht hatte. So von wegen, dass Papa keine Zeit mehr für mich hat, wenn das Baby erst mal da ist.«

Luisa seufzt ganz schwer, und ich überlege, wie ich sie ein bisschen aufmuntern könnte. Ein Spaziergang? Immerhin hat es anscheinend aufgehört zu regnen. Es plattert nicht mehr. Aber als ich mit meiner Leine im Maul in Luisas Zimmer zurückkomme, hat die sich schon auf ihr Bett gelegt und hört Musik. Vermute ich jedenfalls. Selbst hören kann ich das nicht, Luisa hat kleine Stöpsel in die Ohren gesteckt und summt vor sich hin. Ein sicheres Indiz dafür, dass erstens aus den Stöpseln wirklich eine Melodie kommt und zweitens Luisa mich nun nicht mehr wahrnimmt. Das habe ich schon ein paarmal festgestellt. Aber wenn Luisa das tröstet, ist es auch gut. Lege ich mich eben wieder in mein Körbchen. Ich wollte doch sowieso schlafen.

SIEBZEHN

Merkt denn außer mir niemand, dass dieser kleine Mensch zum Himmel stinkt? Im wahrsten Sinne des Wortes! Brrr, es ist unerträglich, meine empfindliche Dackelnase schmerzt schon richtig. Ich beschließe, der Ursache für dieses Problem selbst auf den Grund zu gehen, und zerre an Henris Hose. Kurz darauf halte ich sie in der Schnauze. Jetzt noch weg mit der Windel, so macht Carolin das schließlich auch immer. Apropos Carolin – in diesem Moment biegt sie um die Ecke und stürzt sich mit einem Schrei auf mich.

»Herkules, du böser, böser Hund! Komm sofort raus aus der Wiege!«

Sie packt mich am Nacken und gibt mir einen Klaps auf den Po. Beleidigt jaule ich auf und verkrieche mich in mein Körbchen. Luisa hat vollkommen Recht – für uns interessiert sich hier niemand mehr. Und dieses Baby macht nur Ärger! Dabei wollte ich doch bloß helfen. Schließlich hat Henri schon eine ganze Weile geheult. Kein Wunder, bei der vollen Windel. Ist bestimmt unangenehm am Po. Außer mir hat sich aber niemand gekümmert. Luisa ist bei einer Freundin, Marc ist in der Praxis, und Caro hat geschlafen. Mal wieder. Die macht ja kaum noch etwas anderes. Ob das jetzt für immer so bleibt? Grausam! Dann brauche ich dringend ein neues Zuhause!

Es klingelt, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheit springe ich nicht auf, um zu gucken, wer uns besucht. Menschen sind sowieso alle blöd. Also, fast alle. Luisa natürlich nicht. Und Willi selbstverständlich auch nicht. Aber die beiden stehen bestimmt nicht vor der Tür. Denn Luisa hat einen Schlüssel, und Willi hat sich bisher noch nie hierhin getraut. Der weiß wahrscheinlich gar nicht, wo wir wohnen. Und alle anderen sollen mir mal gestohlen bleiben.

Es ist Daniel. Hat sich auch nicht gerade als treuer Freund erwiesen. Von wegen Ich kümmere mich um Herkules, wenn ihr mit dem Baby beschäftigt seid. Kein Stück! Hat doch nur noch die blöde Claudia im Kopf. Und seitdem Cherie für längere Spaziergänge ausfällt, ist Daniels Interesse daran auch schlagartig versiegt. So etwas von durchsichtig.

»Grüß euch!«, ruft er jetzt fröhlich in die Runde. »Claudia ist unten bei Cherie, und da dachte ich, schau ich doch mal kurz auf ein Getränk vorbei.«

Caro sieht ungefähr so euphorisch aus, wie ich mich fühle. Das kann ich selbst von meinem Körbchen aus erkennen.