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»Hallo, Daniel. Du, ich bin total erledigt und hatte mich gerade etwas hingelegt.« Pöh. Glatt gelogen. Nach meinem Eindruck pennt die schon den ganzen Tag. »Und wenn Herkules nicht gerade einen Anschlag auf Henri verübt hätte, würde ich auch noch friedlich schlummern.« Wie bitte? Eine bodenlose Unverschämtheit! Wie kann sie nur so etwas behaupten? Ich bin empört! Daniel grinst.

»Na, aber wo du schon mal wach bist, kannst du mich doch ruhig hereinbitten, oder?«

Caro stöhnt.

»Aber nur, wenn du dich ein bisschen nützlich machst. In drei Stunden kommt Hedwig vorbei.«

»Ist doch klasse. Geht schließlich nichts über den Oma-Rettungsdienst.«

»Oma-Rettungsdienst? Man merkt, dass du Hedwig nicht gut kennst. Die wird hier erst mal mit dem Finger über sämtliche Möbel fahren und feststellen, dass schon seeehr lange nicht mehr Staub gewischt wurde. Vom restlichen Zustand der Wohnung ganz abgesehen. Wenn ich das also vermeiden will, muss ich gleich mal aufräumen.«

»Entspann dich. Vielleicht solltest du keinen Kaffee, sondern ein Glas Sekt trinken.«

Caro schüttelt den Kopf.

»Nein. Weder noch. Trinke ich einen Kaffee, schläft Henri mit Sicherheit noch schlechter, und dann drehe ich durch. Und Alkohol in der Stillzeit ist auch nicht das Wahre.«

»Aber vielleicht schläft Henri dann besser.«

Daniel klopft Caro auf die Schulter, die muss nun wenigstens lächeln. Ich habe den Zusammenhang von Kaffee, Sekt und Henri zwar nicht verstanden, freue mich aber, dass Daniel Caro ein bisschen aufzumuntern scheint.

»Komm, ich mach uns jetzt eine Flasche auf. Ich habe nämlich zufälligerweise eine gut gekühlte mit dabei.«

Er geht vor in Richtung Küche, Caro folgt ihm, und ich winde mich nun doch mal aus meinem Körbchen hoch. Beleidigt sein ist auf Dauer sehr langweilig.

Im Wohnzimmer angekommen, nimmt Daniel tatsächlich eine Flasche aus seiner großen Umhängetasche und stellt sie auf den Couchtisch.

»Hast du mal Gläser?«

»Äh, klar. Aber sag doch – gibt es irgendwas zu feiern?«

Daniel nickt.

»Ja. Es ist passiert.«

»Hä?«

»Ich bin verliebt.«

»Das hatte sich sogar schon zu mir rumgesprochen. In diese Claudia, richtig?«

»Ja. Aber es kommt noch besser. Sie ist es ebenfalls, und gestern haben wir den Schlüssel zu unserer neuen gemeinsamen Wohnung abgeholt. Claudia und ich – wir ziehen zusammen.«

»Bitte?«

»Super, oder? Komm, lass uns anstoßen.« Er füllt die Gläser, die Caro mittlerweile auf den Tisch gestellt hat, und drückt ihr eins in die Hand. »Auf die Liebe!«

»Ja, äh, auf die Liebe!«

Moment, Moment, Moment. Jetzt mal ganz langsam für kleine Dackel. Daniel und Claudia ziehen zusammen? So wie Marc und Caro es getan haben? Wow – das sind in der Tat Neuigkeiten. Auch Caro scheint tief beeindruckt, jedenfalls hat sie die Augen eben ganz schön weit aufgerissen.

»Aber, sag mal, so richtig lange kennt ihr euch noch nicht, oder? «

Daniel zuckt mit den Schultern.

»Na und? Eine Garantie gibt’s doch im Leben sowieso nicht. Ich liebe sie, sie liebt mich – und jetzt probieren wir es einfach aus. Claudia ist ein sehr spontaner Typ. Eine Wohnung brauchten wir ohnehin beide. Warum es also nicht einfach wagen.«

»Na ja, so gesehen …«

»Und letzte Woche haben wir die perfekte gefunden. Sogar mit einem kleinen Garten, und Hunde sind für den Vermieter kein Problem. Morgen können Cherie und die Welpen umziehen.«

»Klingt super. Gar kein Haken?«

»Ein klitzekleiner. Sie liegt in Volksdorf. Da habe ich natürlich demnächst einen ziemlich weiten Arbeitsweg. Aber Claudia arbeitet sowieso zu Hause, und der Wald ist gleich um die Ecke. Ist für sie also ideal. Kann sie mit Cherie immer schön raus. Die Innenstadtlage hier ist für einen Retriever eigentlich blöd. Immer nur Alster – da kann der sich ja gar nicht richtig austoben.«

»Tja. Wenn du meinst.«

Stopp, stopp, stopp – heißt das etwa, dass ich Cherie demnächst gar nicht mehr sehen werde? Also, ich meine, wenn wir ihre Gören los sind und sie endlich wieder klar denken kann? Aber … aber … aber damit tröste ich mich hier doch die ganze Zeit. Das ist gewissermaßen mein Licht am Ende des Tunnels! Das geht doch nicht!

»Mensch, was ist heute bloß mit dem Köter los? Herkules, warum jaulst du denn jetzt? Weißt du was – du nervst mich heute ganz schön.«

Quer über den Flur fängt Henri an zu schreien. Caro fährt sich mit den Händen durch die Haare. »Oh Gott, ich drehe heute noch durch.« Dann nimmt sie eines der Gläser und trinkt es in einem Zug aus. Daniel tätschelt ihren Arm.

»Pass auf, ich nehme den Kollegen hier mal mit. Ich fahre sowieso gleich in die Werkstatt, da kann er im Garten rumtoben, während wir Claudias restliche Sachen zusammenpacken. Ich meine, für Herkules ist es hier wahrscheinlich gerade uferlos langweilig. Und viel zu laut.«

Caro nickt.

»Danke, das ist nett. Mir ist es auch zu laut hier. Und dann auch noch Hedwig … womit habe ich das bloß verdient?«

Ja. Eine berechtigte Frage. Ich stelle sie mir auch gerade. Womit habe ich das bloß verdient?

»Das ist nicht dein Ernst? Ich meine, du bist ein Hund, keine Katze. Das ist dir klar, oder?«

Blöder Kater. Natürlich ist mir das klar.

»Ja, Beck. Ich bin ein Hund. Worauf willst du hinaus?«

»Das ist doch wohl offensichtlich: Es gibt hier in der Gegend jede Menge freilebender Katzen, aber ich habe noch keinen einzigen freilebenden Hund getroffen. Also, dein Plan, einfach abzuhauen, scheint mir noch nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Wovon willst du zum Beispiel leben? Hast du schon mal ein anderes Tier gefangen und gefressen? In freier Wildbahn liegen Kaninchen nicht einfach morgens im Fressnapf.«

Okay. Ich hätte Herrn Beck nichts von meinem Plan erzählen dürfen. Es war vorhersehbar, dass er mir mit seiner negativen Art alles schlechtreden würde.

»Das lass mal meine Sorge sein. Meine Ahnen sind noch mit dem letzten Kaiser zur Jagd gegangen. Ich habe das einfach im Blut.«

Herr Beck kichert.

»Ja, vielleicht im Blut. Aber mit Sicherheit nicht im Köpfchen. Ich erinnere mich nur an die peinliche Geschichte mit dem Kaninchenbau im Park. Weißt du noch? Willi musste dich ausgraben.«

Wie könnte ich das vergessen. Ich bin jedoch nicht das einzige Raubtier, das sein Jagdtrieb schon mal in Schwierigkeiten gebracht hat.

»Beck, alter Freund, natürlich weiß ich das noch. Allerdings erinnere ich mich auch an einen fetten Kater, der bei der Jagd auf einen Wellensittich im Käfig stecken blieb. Aber ich glaube, er wurde gerettet. Von wem noch gleich? Äh … war es nicht von einem Dackel?«

Herr Beck zuckt mit den Schnurrbarthaaren.

»Okay. Eins zu eins. Trotzdem leuchtet mir dein Plan nicht ein. Ich verstehe, dass du genervt bist. Aber deswegen abhauen? Da landest du als Hund doch schneller im Tierheim, als du an einen Baum pinkeln kannst. Außerdem: Hast du mir nicht erzählt, dass Luisa auch so traurig ist? Die kannst du als treuer Hund doch nicht einfach allein zurücklassen. Dann hat das arme Kind ja niemanden mehr!«

Stimmt. Guter Punkt. Das hatte ich so gar nicht bedacht. Was wird aus Luisa, wenn ich nicht mehr da bin?

»Vielleicht hast du Recht«, räume ich zögerlich ein.

»Aber natürlich habe ich Recht. Und was Cherie anbelangt: Der Park ist voller Hunde. Früher oder später wirst du dich in eine andere Hündin verlieben und – schwupp! – hast du keinen Liebeskummer mehr!«

Herr Beck kennt sich mit Liebeskummer offensichtlich überhaupt nicht aus. Schwupp. Was für ein Unsinn! Wenn das so einfach wäre, hätte ich mir Cherie schon gleich am Anfang aus dem Herzen gerissen. War ja klar, dass das mit uns beiden nicht einfach werden würde. Aber so funktioniert mein Herz leider nicht. Es ist da sehr eigensinnig. Ob das daran liegt, dass es ein Dackelherz ist? Oder sind Herzen im Allgemeinen derart widerspenstige Geschöpfe? Über diese Frage muss ich kurz ein bisschen sinnieren. Ja, wahrscheinlich ist es so. Das Herz lässt sich vom Kopf nur schwer reinreden. Auch wenn der Kopf weiß, dass man besser die Pfoten von jemandem lassen sollte – das Herz sieht das noch lange nicht ein. Es lässt sich eben nicht bevormunden und will seine schlechten Erfahrungen selbst sammeln. Genauso war es auch, als ich noch ein passendes Herrchen für mein Frauchen gesucht habe. Caro wollte einfach nicht einsehen, dass der blöde Thomas nicht zu ihr gepasst hat. Bis ich sie endlich mit Marc zusammengebracht habe, hat es ganz schön gedauert. Und heute? Tja, da sind sie eine glückliche kleine Familie. So glücklich, dass sie gar nicht merken, wie es Luisa gerade geht. Und mir! Obwohl es diese Familie ohne mich gar nicht gäbe. Ist das nicht ungerecht?