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Herr Beck knufft mich in die Seite. Und zwar ziemlich unsanft.

»He – was soll das?«

»Tut mir leid, aber ich kann deine Jaulerei nicht mehr hören. Lass uns eine Runde durch den Park stromern, das bringt dich bestimmt auf andere Gedanken!«

»Ich kann doch hier nicht einfach abhauen. Daniel ist bestimmt gleich fertig mit seinem Krams. Wenn er mich dann nicht findet, kriege ich garantiert Ärger.«

»Hey – eben wolltest du hier noch ganz den Stöpsel ziehen und dich für immer vom Acker machen. Und jetzt reicht es nicht einmal für eine Runde durch den Park? Was seid ihr Hunde doch für Feiglinge.«

Feigling? Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich rapple mich auf, schüttle mich kurz und werfe meinen Kopf in den Nacken.

»Du willst los? Na gut. Auf geht’s!«

Ohne groß abzuwarten, ob Herr Beck mir folgt, renne ich auf das hintere Gartentörchen zu, welches unseren Garten von dem großen Park hinter unserem Haus trennt. Das Törchen ist eigentlich nie richtig abgeschlossen, und wenn man nur fest genug dagegendrückt, springt es auch gleich auf. So wie eben jetzt. Ich zwänge mich durch den Spalt und flitze los.

»Nun warte doch mal auf mich, Herkules!«

Schnaufend rennt Herr Beck hinter mir her. Ich werde langsamer und gucke über meine Schulter.

»Und? Womit willst du mich hier aufmuntern? Wollen wir Eichhörnchen jagen?« Kleiner Scherz meinerseits. Eichhörnchen sind für mich unerreichbar. Viel zu schnell und extrem gute Kletterer. Selbst eine Katze wie Herr Beck hat da ganz schlechte Karten – für ein flinkes Eichhörnchen ist der Kollege einfach viel zu dick und zu behäbig.

»Ha, ha, sehr witzig. Wenn du dir so viel zutraust, können wir es auch gleich mit ein paar Amseln versuchen!«

»Worauf du dich verlassen kannst!«

Wir sausen um die Wette auf der großen Wiese zwischen den Bänken hin und her. Der Rasen ist noch feucht von dem vielen Regen der vergangenen Tage, und ab und zu spritzt das Wasser hoch an meinen Bauch und kitzelt mich. Ein herrliches Gefühl! Wahrscheinlich bin ich nur so schwermütig, weil ich in den letzten Wochen so wenig an der frischen Luft war. Herr Beck scheint tatsächlich hinter ein paar Vögeln herzujagen, jedenfalls macht er große Sprünge auf ein paar Spatzen zu, die aufgeregt davonfliegen. Ich überlege, ob ich nach Kaninchen Ausschau halten soll, und schnüffele deswegen nach einer entsprechenden Fährte. Sollte ich wirklich irgendwann zum Selbstverpfleger werden, kann ich hier ruhig schon einmal üben. Mit zum Boden gesenkter Nase laufe ich deshalb weiter über die Wiese, als ich tatsächlich eine interessante Witterung aufnehme: Luisa! Täusche ich mich? Ich schnüffele noch einmal genau nach. Nein, kein Zweifel, das ist Luisas Fährte. Wie kommt die denn hierher?

Ich hebe den Kopf und schaue mich um. Im Park ist es recht voll, kein Wunder, ist es doch der erste sonnige Tag seit längerer Zeit. Große und kleine Menschen sind also unterwegs, gar nicht so leicht, hier eine bestimmte Person per Auge auszumachen. Deshalb verlasse ich mich lieber wieder auf meine Nase. Immer der Fährte nach trabe ich los. Mittlerweile hat auch Herr Beck gemerkt, dass ich etwas Bestimmtes suche.

»Hallo, wo läufst du denn hin?«, will er von mir wissen.

»Luisa muss hier irgendwo sein. Ich rieche es genau.«

»Tja, warum auch nicht? Schließlich ist schönes Wetter, und sie wohnt ganz in der Nähe.«

»Ja, aber sie hat Caro erzählt, dass sie sich mit einer Freundin verabredet hat.«

»Na und? Die Mädels können sich doch im Park treffen. Wo ist das Problem?«

»Ganz einfach: Dann hätte sie mich unter normalen Umständen doch mitgenommen. Nein, irgendwas ist hier komisch.«

»Herkules, es tut mir leid, das zu sagen: Du spinnst. Ich glaube, diese ganze Babynummer hat dich völlig durcheinandergebracht. Du siehst Gespenster, wo garantiert keine sind.«

Soll er nur reden, der Kater. Ich lasse mich nicht beirren und folge weiter der Spur. Ha! Jetzt kommt noch ein zweiter bekannter Geruch hinzu: Willi! Das ist nun garantiert kein Zufall mehr. Ich werde immer schneller, komme am Ende der Wiese an und biege auf den kleinen Kiesweg, der zum Kinderspielplatz führt. Die Fährte ist nun so deutlich und so sehr aus den Gerüchen von Luisa und Willi verwoben, dass ich bestimmt gleich über die beiden falle. Ich schaue nach vorne und: Bingo! Dort sitzen sie. Auf den beiden Schaukeln des Spielplatzes. Ob Herr Beck mich noch sieht oder nicht, ist mir vollkommen wurscht. Ich renne sofort zur Schaukel rüber.

»Herkules, mein Lieber! Wo kommst du denn her?« Luisa hüpft von ihrer Schaukel herunter und streichelt mich. »Hast du mich gesucht? Du bist ja lieb!«

Ich mache Männchen und lecke ihre Hände ab. Schön, dass sie wieder so gut gelaunt ist – trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass hier irgendwas Seltsames im Gange ist. Wieso trifft sich Luisa mit Willi und erzählt Caro, dass sie zu einer Freundin geht? Ich lege mich zwischen die beiden Schaukeln. Vielleicht erfahre ich mehr, wenn ich noch ein bisschen hierbleibe.

Mittlerweile ist auch Herr Beck angekommen, sehr zur Freude von Willi.

»Also, diese beiden sind wirklich das lustigste Pärchen seit Dick und Doof!«

Luisa kichert.

»Na, wer Dick ist, ist hier ziemlich klar. Dann muss Herkules wohl Doof sein.«

Beide lachen laut los. Versteh ich nicht. Was ist denn daran lustig? Auch Herr Beck versteht nicht, worüber sich Luisa und Willi so amüsieren. Irritiert schwenkt er seinen Schwanz hin und her.

»Reden die über uns? Ich finde ja menschlichen Humor selten komisch. Aber egal. So, mein Lieber, ich denke, wir sind auf der Suche nach einem Abenteuer. Das wirst du zu Füßen von Luisa und Willi kaum finden. Lass uns mal weiter.«

»Nein, warte. Ich habe das Gefühl, dass die beiden etwas Wichtiges besprechen.«

Herr Beck schnaubt.

»Menschenkram ist selten wichtig.« Er zögert kurz, aber als ich keine Anstalten mache aufzustehen, legt er sich neben mich.

Luisa sitzt nun wieder auf ihrer Schaukel. Während sie sich mit Willi unterhält, schwingt sie langsam vor und zurück.

»Nein, Willi. Das bilde ich mir nicht ein. Die sind total ungerecht zu mir, seit das Baby da ist. Es geht immer nur um Henri. Genau, wie meine Mama es vorher befürchtet hatte. Und du hast gesagt, ich soll zu dir kommen, wenn ich ein Problem habe. Also – du musst mir helfen! Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte.«

»Ja, das habe ich gesagt und dazu stehe ich auch – aber trotzdem finde ich, dass Abhauen keine gute Idee ist. Das löst das Problem doch nicht. Glaube mir, ich bin in meinem Leben schon vor vielen Problemen weggelaufen – und damit ganz schön auf die Schnauze gefallen. Also, rede mit deinem Vater, bitte!«

Luisa schüttelt so heftig den Kopf, dass die Schaukel nicht mehr vor und zurück schwingt, sondern von links nach rechts wackelt.

»Wenn ich mit ihm rede, wird er es mir verbieten. Oder denken, dass das Mamas Idee war. Das stimmt aber nicht, sie hat keinen Schimmer von meinem Plan. Nein, wenn du mir nicht hilfst, dann mache ich es eben allein. Ich komme schon irgendwie nach München. Und wenn ich erst wieder bei Mama bin, wird auch alles gut.«