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Herr Beck wiegt den Kopf hin und her.

»Kumpel, dann bin ich auch dabei. Vier Augen sehen mehr als zwei, und als Team sind wir doch eigentlich unschlagbar.«

Ein Kompliment aus Herrn Becks Mund – war doch etwas im Futter? Auf alle Fälle hat er natürlich Recht, obwohl mir deutlich wohler wäre, wenn wir im Notfall noch einen Menschen dabeihätten. Eben Willi. Herr Beck scheint das Gleiche zu denken.

»Herkules, wir sollten trotzdem versuchen, Willi mitzunehmen. Ich traue uns eine Menge zu, aber nicht alle Menschen sind freundlich zu Kindern. Was wollen wir machen, wenn Luisa unterwegs in echte Schwierigkeiten gerät? Ich glaube, dieses München liegt nicht gerade um die Ecke, es dauert bestimmt eine Weile, bis wir da ankommen. Und ich habe neulich im Tatort gesehen, wie ein kleines Mädchen …«

»Beck! Jetzt mach mich bloß nicht nervös! Lass uns lieber überlegen, wie wir Willi an Bord holen. Also, ich traue mir schon zu, Luisa zu seinem Verkaufsstand zu lotsen. Das habe ich neulich schon geschafft. Die Frage ist nur, ob er gleich kapiert, dass sie auf der Flucht ist. Erzählen wird sie es ihm wohl kaum.«

Erneut wiegt Herr Beck den Kopf hin und her, gleichzeitig saust sein Schwanz von links nach rechts, ein untrügliches Zeichen dafür, dass er nachdenkt.

»Grundsätzlich ist Willi ja gewarnt. Es müsste uns irgendwie gelingen, ihm einen Hinweis zu geben. Auf alle Fälle bleibe ich hier auf meinem Beobachtungsposten, damit ich mich gleich an eure Fersen heften kann, wenn es losgeht.«

Marc kommt wieder in den Garten.

»Sag mal, Herkules, willst du hier Wurzeln schlagen? Ich will wieder ins Bett. Los, rein mit dir!«

Dann bemerkt er Herrn Beck.

»Hey, ist das nicht die fette Katze von Nina?« Bevor er sich Herrn Beck noch genauer angucken kann, macht der sich mit einem Sprung auf die Mauer davon. Marc schüttelt den Kopf. »Hm, ich hätte schwören können, dass sie das war.« Dann lacht er. »Also wirklich, ich muss noch ’ne Runde schlafen. Jetzt bilde ich mir schon ein, dass sich hier zwei Tiere miteinander unterhalten haben. Unglaublich, wie dieser permanente Schlafentzug auf das Hirn wirkt.«

»Herkules, ich tue das wirklich nicht gern. Aber ich kann dich nicht mitnehmen, schon gar nicht, wenn du so stur bist. Nimm es nicht persönlich, aber ich muss weg. Und du bleibst hier.«

Tatsächlich wollte sich Luisa nach dem Frühstück wieder aus dem Staub machen und sich angeblich mit einer Freundin im Park treffen, aber ich bin nicht von ihrer Seite gewichen. Schließlich hat Carolin ihr die Hundeleine in die Hand gedrückt, weil ich doch offensichtlich ganz dringend raus wollte – nimm Herkules doch bitte mit zu deiner Verabredung. Jetzt steuert Luisa auf den Vorgarten eines Hauses zu, der von einem kleinen Zaun umgeben ist. Hey, will die mich etwa da anbinden? Mit aller mir zur Verfügung stehenden Kraft werfe ich mich in die Leine und lege den Rückwärtsgang ein. So haben wir schließlich nicht gewettet, mein Fräulein! Außerdem sind wir nur noch eine Ecke von Willi entfernt, das wäre doch gelacht, wenn ich so kurz vorm Ziel aufgeben müsste. Noch ein kräftiger Ruck, dann gleitet Luisa die Leine aus den Händen, und ich flitze los. Und ich habe Glück, sie rennt tatsächlich hinterher.

»Herkules, du ungezogener Hund! Komm zurück! Was soll das denn?«

Aber ich denke natürlich gar nicht daran zu gehorchen, sondern wetze auf den Supermarkt zu. Luisa läuft auch weiter und ruft hinter mir her. Aus den Augenwinkeln kann ich sehen, dass Herr Beck uns folgt, ganz so, wie wir es heute Morgen abgemacht haben.

»Also gut, wenn du unbedingt wieder zum Supermarkt willst, dann binde ich dich gleich bei Willi an.«

Nichts lieber als das!, würde ich ihr gerne entgegnen, denn dann merkt Willi bestimmt gleich, was Sache ist, und informiert Marc und Carolin. Direkt vor mir taucht der Markt auf, und ich sehe schon Willi neben seinem Tisch sitzen. Ich gebe noch einmal richtig Gas und spurte auf ihn zu. Als ich ihn fast erreicht habe, springt Willi überrascht von seinem Stuhl auf.

»Hoppla, was ist denn hier los? Willst du mich über den Haufen rennen?«

Nur Sekunden später kommt auch Luisa angekeucht.

»Hallo, Willi! Herkules ist mir einfach abgehauen, ich konnte ihn nicht mehr halten.«

»Aha.« Misstrauisch beäugt Willi das Mädchen. »Und wohin wolltest du? Einfach nur spazieren gehen?«

Luisa nickt.

»Sicher?«

»Ja, ganz sicher. Warum?«

»Na, das letzte Mal, als wir gesprochen haben, wolltest du zu deiner Mutter nach München abhauen. Und so lange ist das noch nicht her. Genau genommen war das gestern.«

»Na ja, jetzt habe ich eine Nacht darüber geschlafen und finde, dass du Recht hast. Ist ’ne blöde Idee gewesen. Also mach dir keine Sorgen.«

Empört jaule ich auf. Wie kann Luisa hier nur so eine Lügengeschichte auftischen. Schämen sollte sie sich!

»Und wieso hast du dann einen Rucksack mit?«

»Ich … äh … wollte baden gehen. Im Freibad. Ist ja endlich schönes Wetter.«

»Mit Hund ins Freibad? Geht denn das?«

Willi bleibt hartnäckig ungläubig. Gut so!

»Stimmt, du hast Recht. Das geht nicht. Daran hab ich gar nicht gedacht. Sag mal, kannst du mir einen Gefallen tun und die nächste Stunde auf Herkules aufpassen? Ich hole ihn dann wieder ab, wenn ich aus dem Schwimmbad komme.«

WIE BITTE? Was für ein ausgefuchstes Biest! Hoffentlich fällt Willi auf diese Finte nicht herein. Er schaut unschlüssig, ich fange an zu bellen.

»Also, Herkules scheint mit deinem Plan nicht einverstanden zu sein. Warum bringst du ihn nicht schnell zu Hause vorbei?«

»Da ist gerade keiner.«

»So, so. Und wo sind Carolin und das Baby?«

»Beim Kinderarzt. Und die Praxis ist noch zu. Och bitte, Willi, ich will so gerne schwimmen gehen.«

Willi seufzt.

»Na gut, kleines Fräulein. Dann will ich dir mal glauben. Gib mir die Leine. Aber in zwei Stunden bist du spätestens wieder da, versprochen?«

Luisa hebt die Hand.

»Großes Indianerehrenwort!«

Dann drückt sie Willi die Leine in die Hand. Mist! Was mach ich jetzt? Und wo ist mein angeblich so wild entschlossener Teamkollege Herr Beck? Der wollte sich doch etwas ganz Tolles überlegen, um genau diese Situation zu verhindern. Das klappt hier ja großartig. Bevor es sich Willi noch einmal anders überlegen kann, ist Luisa schon fast um die nächste Ecke verschwunden.

»Na, die hat es ja eilig, Herkules. Hoffentlich hat der Willi jetzt keinen Fehler gemacht.«

DOCH! Hast du! Warum bin ich so schlau und kann trotzdem nicht sprechen? Was ist das für eine himmelschreiende Ungerechtigkeit! Die dümmsten Menschen können reden und quälen ihre Umwelt mit dem größten Unsinn, der menschliche Lippen verlassen kann – und so ein helles Kerlchen wie ich muss stumm bleiben.

Aber während ich noch mit meinem Schicksal hadere, sehe ich, wie von der anderen Seite der Straße etwas Schwarzes pfeilschnell auf Luisa zuschießt und aus vollem Schwung auf ihre Schultern springt. Genauer gesagt auf ihren Rucksack. Mir ist natürlich sofort klar, was das zu bedeuten hat, aber Willi bleibt vor lauter Staunen der Mund offen stehen.

»Was zur Hölle …?«

Bevor er den Satz noch zu Ende gesprochen hat, schlägt Luisa mit einem spitzen Schrei der Länge nach hin. Heilige Fleischwurst! Wer hätte gedacht, dass in dem alten Kater noch so viel Energie steckt? Ich fürchte nur, Herr Beck ist ein bisschen zu weit gegangen.

NEUNZEHN

Liebe geht durch den Magen. Das jedenfalls hat unsere Köchin Emilia immer behauptet und dann auch für uns Hunde die tollsten Sachen in den Napf gezaubert – jede Mahlzeit ein echter Liebesbeweis! Noch bei der Erinnerung füllen sich meine Lefzen mit Wasser. Falls dieses Sprichwort nicht nur auf Dackel, sondern auch auf Menschen zutrifft, dann hat Willi Luisa sehr lieb. Denn obwohl sie ihn so angeschwindelt hat und erst mit der Wahrheit rausgerückt ist, als Willi in den Rucksack geguckt hat, und er jetzt richtig, richtig sauer auf sie sein könnte, sitzen wir gerade in der winzigen Küche von Willis sehr kleiner Wohnung, und er brät Pfannkuchen, Luisas Lieblingsgericht.