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»Ganz schön anstrengend, auf so kurzen Beinen Schritt halten zu müssen, was?« Nein, der Blick scheint nicht abfällig, er ist es! So eine Frechheit! Da ich aber nicht gleichzeitig auf Willi achten und mit Beck streiten kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als mir meine böse Erwiderung zu denken und hinterherzuhecheln. Aber warte, mein Freund, du kriegst dein Fett schon noch weg.

Jetzt bleibt Willi stehen.

»Ah. Da drüben ist das Reisecenter. Dort können sie uns bestimmt sagen, wann der nächste Zug nach München fährt, und Fahrkarten gibt es da auch.«

Wir wandern zu einem großen, gläsernen Kasten, in dem viele Menschen in Reihen stehen und auf irgendetwas zu warten scheinen. Als ich neben Willi und Luisa durch die Glastür husche, erkenne ich, dass die Menschenreihen vor hohen Tischen enden, hinter denen wiederum Menschen stehen. Ob die uns nun sagen können, wie wir nach München kommen? Willi und Luisa stellen sich an das Ende einer Reihe.

Es dauert ziemlich lange, bis wir auch nur einen halben Meter vorankommen. Der Tisch, zu dem wir wollen, ist somit immer noch sehr weit entfernt. Zeit genug also, mal ein ernstes Wörtchen mit Herrn Beck zu reden.

»Sag mal, was sollte denn der Spruch eben?«

»Welcher Spruch?«

»Na, der mit den kurzen Beinen.«

»Ja, willst du jetzt behaupten, dass du lange Beine hast?«

»Nun tu mal nicht so! Du weißt genau, was ich meine!«

Herr Beck streckt sich einmal der Länge nach, um dann einen Buckel zu machen.

»Nein, eigentlich nicht.«

»Na, du lässt dich hier bequem durch die Gegend tragen und kommst dann noch mit oberschlauen Sprüchen. Genau genommen frage ich mich, wieso wir dich überhaupt mitgenommen haben.«

»Bitte?« Oh. Herr Beck kann richtig fauchen! »Wieso ihr mich mitnehmt? Ohne mich wären wir gar nicht hier. Denn wenn ich mich nicht mit Todesverachtung und einem Riesensatz auf Luisa gestürzt und sie so von der Flucht abgehalten hätte, würdest du immer noch wie Piksieben mit Willi vor dem Supermarkt sitzen. Ohne Luisa. Ich werde nicht zulassen, dass sich das Kind ohne eine so kompetente und entschlossene Reisebegleitung, wie ich es nun einmal bin, auf den Weg macht.«

Okay. Ich hasse es, das zuzugeben, aber: Der fette Kater hat da einen Punkt. Trotzdem kein Grund, hier immer den Dicken raushängen zu lassen!

»Ja, gut, aber …«

»Weißt du, ich gebe es ungern zu, aber langsam schließe ich den einen oder anderen Menschen doch ins Herz. Und jetzt ist Nina auf einmal wochenlang weg, obwohl sie das beste Frauchen ist, das ich mir vorstellen kann. Wenn nun auch noch Luisa verloren geht, passt mir das gar nicht. Nein, nein, da bin ich lieber vorsichtig.«

Heilige Fleischwurst – ich entdecke auf einmal ganz neue Seiten an Herrn Beck! Der wird ja geradezu anhänglich.

»Hey, so kenne ich dich ja gar nicht. Seit wann …«

»Psst!«, fährt er mich an, »hör mal!« Hä? Was meint der denn? »Ich glaube, Willi versucht, Luisa das Abhauen noch einmal auszureden. Vielleicht sind wir doch schneller wieder zu Hause, als wir beide dachten.«

Ich höre genau hin. Tatsächlich. Willi unternimmt noch einen Versuch.

»Luisa, ich bin mir wirklich nicht sicher, ob diese Fahrt nach München eine gute Idee ist. Ich glaube, ich rufe jetzt besser deinen Vater an. Deine Eltern machen sich bestimmt schon riesige Sorgen! Meinst du nicht auch?«

Luisa macht das Gleiche, was sie auf diese Frage hin seit zwei Tagen macht: Sie schüttelt den Kopf.

»Wenn du Papa anrufst, hau ich sofort ab. Dann versuche ich es eben allein. Irgendwie komme ich schon nach München!«

»Ja, aber guck mal, ich könnte doch schnell …«

»Willi, hör auf! Du willst es mir nur ausreden.«

»Nein! Ich meine, ja, aber …«

»Hallo, wie kann ich Ihnen weiterhelfen?«

In diesem Moment hat das Warten ein Ende, denn vor uns steht niemand mehr in der Reihe, der uns von dem Tisch trennen kann. Das scheint auch die Frau, die hinter dem Tisch steht, so zu sehen, denn sie lächelt Willi auffordernd an. Und sie will uns helfen, toll! Offenbar hatte der alte von Eschersbach überhaupt keine Ahnung vom Bahnfahren. Von wegen nur Idioten, hier ist man doch ganz freundlich und hilfsbereit.

Willi räuspert sich.

»Äh, ja, ich wüsste gerne, wann der nächste Zug nach München fährt und was zwei Tickets dafür kosten. Also, für mich und das Kind.«

Die Frau blickt auf den Fernseher, der auf dem Tisch steht, und tippt mit den Fingern auf der Tischplatte herum. Lustig sieht das aus, jedenfalls von hier unten aus betrachtet.

»Also, der nächste Zug geht um 13:55 Uhr, eine Direktverbindung, Sie kommen um 19:42 Uhr in München-Hauptbahnhof an. Das Ticket kostet 129 Euro. Ist das Ihre Enkelin?« Sie nickt Luisa zu.

»Äh, ja.«

»Dann fährt das Kind kostenlos mit Ihnen.« Jetzt fällt ihr Blick auf Herrn Beck und mich. »Sollen die Tiere auch mit?«

»Ja.«

»Haben Sie eine Transportbox?«

»Nein, wieso?«

»Dann dürfen Sie die Katze nicht mitnehmen, und der Hund kostet 64 Euro 50.« Die Frau lächelt.

»Ja, aber, wieso denn? Ich dachte, wenn ich selbst …«

Die Frau unterbricht ihn, immer noch lächelnd.

»Ist das ein Blindenführhund oder Begleithund für Sie?«

Willi schüttelt den Kopf.

»Nein, natürlich nicht!«

»Tja, dann müssen Sie ihn außerdem an der Leine führen und ihm einen Maulkorb anlegen, wenn Sie ihn nicht in einem Transportbehälter mitnehmen. Dafür dürfte er allerdings zu groß sein, denn das gilt nur für Hunde bis zur Größe einer Hauskatze.«

Das Lächeln ist immer noch strahlend, und jetzt wird mir alles klar: Das ist gar kein echtes Lächeln! In Wirklichkeit ist die Frau gar nicht so nett und hilfsbereit, wie ich dachte – sonst würde sie doch mal mit einem besseren Vorschlag um die Ecke kommen als mit diesem ganzen Unsinn! Hat von Eschersbach also doch Recht gehabt? Willi unternimmt einen neuen Anlauf.

»Aber ich dachte, es sei kein Problem, Haustiere im Zug mitzunehmen. Wo soll ich denn jetzt einen Maulkorb herkriegen? Und die Katze kann ich doch nicht einfach hierlassen!«

»Es ist auch kein Problem, Haustiere mitzunehmen. Sie haben einfach nicht die passende Ausrüstung. Sie hätten sich vor Reiseantritt eben besser informieren müssen.«

Wuff, so eine bösartige Ziege! Als ob Willi heute Morgen schon gewusst hätte, dass ihm bald ein Reiseantritt blüht! Ich fange an zu knurren und gehe einen Schritt Richtung Tisch. Die Frau reißt die Augen auf.

»Ist der etwa gefährlich?«

»Nein, nein, der ist normalerweise ganz lieb. Pssst, Herkules!« Willi zerrt mich an der Leine zurück.

»Also, nun nehmen Sie bitte den Hund hier weg! Sie brauchen einen Maulkorb, verstanden? Am besten kommen Sie wohl noch einmal wieder, wenn Sie sich überlegt haben, ob Sie mit oder ohne Tiere reisen wollen.«

Bevor Willi noch etwas sagen kann, sieht sie an ihm vorbei und begrüßt den Mann, der hinter uns in der Reihe steht. Der marschiert prompt an uns vorbei und stellt sich an den Tisch, direkt vor Willis Nase. Der dreht sich um und beugt sich zu Luisa vor.

»Komm, lass uns mal verschwinden«, flüstert er, »ich will hier keinen Ärger bekommen. Nachher fallen wir tatsächlich noch auf.«

Er setzt Herrn Beck auf den Boden, nimmt Luisa an die Hand und zieht sie hinter sich her aus dem Glaskasten raus. Beck und ich laufen den beiden nach. Draußen angekommen bleibt Willi stehen.

»Ich glaube, Zugfahren ist keine so gute Idee. Es sei denn, wir werden noch irgendwie unsere beiden Kollegen hier los.« Er zeigt auf Beck und mich.