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»Willi, Herkules und Herr Beck?« Das Männlein klingt erstaunt.

»Genau. Das sind nämlich meine besten Freunde. Ist es denn noch weit bis nach München?«

Eine sehr gute Frage. Die Antwort würde mich auch brennend interessieren. Wobei – so lange, wie wir schon unterwegs sind, kann es nicht mehr lange dauern. Wahrscheinlich liegt München schon hinter dem nächsten Wäldchen, und wir können endlich dieses Auto verlassen. Von mir aus gehen wir den Rest zu Fuß. Das Männlein kratzt sich unter seinem Hut am Kopf.

»Na ja. Ihr seid jetzt kurz vor Winsen. Ich sach maclass="underline" ungefähr siebenhundert Kilometer? Grob geschätzt.«

Siebenhundert Kilometer. Sind das jetzt gute oder schlechte Nachrichten?

EINUNDZWANZIG

So, min Deern, nu tu dir mal richtig wat op din Teller!«

Mit einem freundlichen Lächeln schiebt die Bäuerin eine Schüssel mit einem sehr wohlriechenden, dampfenden Inhalt über den Tisch. Ich sitze auf Luisas Schoß und würde dieser Aufforderung sofort nachkommen, habe aber leider keine Möglichkeit, nach dem Löffel zu greifen, der aus der Schüssel ragt. Schätze mal, wenn ich jetzt einfach meine Schnauze in die Schüssel stecke, gibt’s Riesenärger. Komm schon, Luisa, füll uns was auf! Luisa scheint jedoch gar keinen Hunger zu haben. Gott sei Dank holt die Bäuerin jetzt noch zwei Schüsseln aus dem Küchenschrank, füllt sie mit etwas, das sie aus einem anderen Topf schöpft, und stellt sie für Beck und mich auf den Boden.

Luisa sieht sehr erschöpft aus. Seit ihr – und mir! – klar geworden ist, dass wir immer noch ziemlich am Anfang unserer Reise stehen, ist sie ganz, ganz mickrig und sagt kaum mehr ein Wort. Ab und zu verdrückt sie eine Träne, sonst ist nichts aus ihr herauszubekommen. Ob sie Marc und Caro genauso vermisst, wie ich es gerade tue? In der Theorie fühlte sich Abhauen irgendwie besser an.

Wenigstens gibt es jetzt etwas zu essen. Der Bauer hat uns dazu eingeladen, nachdem er das Auto aus dem Feld geschleppt hat, und ich glaube, wir waren alle sehr froh darüber. Selbst Herr Beck schnurrte zufrieden, als wir die Hofeinfahrt erreichten. Die Bäuerin schaute zwar erstaunt, als ihr Mann mit so viel unerwartetem Besuch auftauchte, sagte aber nichts weiter dazu. Wahre Gastfreundschaft bei Daggi und Karl-Heinz, so heißen Bäuerin und Bauer.

»Hat du denn gar keinen Hunger, mein Kind?«, will Daggi wissen. Luisa sagt nichts, schüttelt nur den Kopf. Erst guckt die große, stämmige Frau ganz sorgenvoll, dann hellt sich ihr Gesicht auf. »Dann habe ich eine gute Idee! Wir haben seit zwei Tagen ganz süße Ferkel, willst du die mal sehen?«

Och nee, wen interessieren denn Schweine, wenn man etwas so Leckeres zu essen bekommen kann? Und außerdem ist doch unser Bedarf an Babys jedweder Art gerade gedeckt, oder nicht? Sonst hätten wir ja nicht abzuhauen brauchen! Also, mit Nachwuchs kann man Luisa jetzt garantiert nicht locken.

»Echt? So richtig kleine Ferkel? Wie süß!«

Sie packt mich mit beiden Händen und setzt mich auf den Boden. Wuff! Ich dachte, wir sind auf der Flucht vor zu viel süß? Menno.

»Na, du großer Kinderversteher? War wohl nichts mit Tröster in der Not. Gegen so ein kleines Ferkel siehst du einfach alt aus.«

Herr Beck kommt angeschlichen. Ich beschließe, ihn zu ignorieren. Lieber laufe ich jetzt auch zum Schweinestall, als mich hier weiter Becks Häme auszusetzen. Selbst wenn es da meiner Erfahrung nach unglaublich stinkt.

»Also, das ist die Jolante. Die hat schon richtig viele hübsche Ferkel bekommen, sie ist unsere beste Sau!«

Es stinkt wirklich unglaublich, aber ich scheine der Einzige zu sein, der sich daran stört. Luisa steht fasziniert im Stall und lässt sich alles erklären. Das fette Schwein, auf das Daggi jetzt zeigt, liegt seitlich auf einem Lager aus Stroh in einer mit Gitterstäben abgetrennten Box. An ihren Zitzen hängen sechs Ferkel und trinken gierig. Ich muss an Cherie denken. Was hätte sie wohl zu mir gesagt, nicht gerade die Welpen gekommen wären? Ob sie die gleichen Gefühle für mich hatte wie ich für sie?

»Darf ich mal ein Ferkel streicheln?«, will Luisa wissen.

»Nee, lieber nicht! Die Sau ist da sehr empfindlich, wie alle Mamis. Sie macht sich gleich Sorgen um ihre Kinder.«

Luisa dreht sich abrupt vom Stall weg.

»Um mich macht sich niemand Sorgen.«

Die Bäuerin guckt sie erstaunt an.

»Aber bestimmt machen sich deine Eltern um dich Sorgen, wenn es dir schlecht geht!«

Luisa schüttelt so heftig den Kopf, dass ihre Haare hin und her fliegen.

»Nein. Papa hat ein neues Kind, und Mama weiß gar nicht, dass ich gerade traurig bin.«

»Oje, oje, das klingt aber nicht gut! Magst du mir davon erzählen?«

»Nein.«

»Hm. Soll ich dir mal unsere anderen Tiere zeigen? Wir haben auch ein Pony.«

»Okay.«

Die beiden gehen Richtung Stallausgang. Ich bleibe noch eine Weile vor der Box mit den Ferkeln sitzen. Wenn es etwas gibt, was mich noch weniger interessiert als Schweine, sind es Pferde.

»Hey, du, bist du der neue Hofhund?«

Wer spricht? Die Sau war es nicht, die ist mit ihrem Kindergarten beschäftigt. Ich sehe mich im Stall um.

»Ich bin hier, du dummer Hund. Ich denke, ihr könnt so toll Fährte aufnehmen. Da müsstest du mich doch längst gefunden haben.«

Frechheit! Das kann nur ein Schwein sein. Ich strecke mich und marschiere in die Richtung, aus der die Stimme kam.

»Ich hätte längst Fährte aufgenommen, wenn es hier nicht so abscheulich stinken würde«, gifte ich zurück.

»Pah, also, ich hoffe für dich, dass du nicht der neue Hofhund bist. Wenn dich dieser Geruch schon so aus dem Konzept bringt, gehörst du hier eindeutig nicht her.«

Jetzt habe ich die Geräuschquelle ausgemacht: Es gibt noch eine Box weiter hinten im Stall. Mindestens zehn Schweine laufen, stehen und liegen in ihr herum, eines davon hat seinen Rüssel durch die Stäbe gesteckt und mustert mich neugierig.

»Na, das hat ja ganz schön lange gedauert. So schlau seid ihr Hunde offenbar doch nicht. Es ist mir ein Rätsel, warum Menschen das immer wieder behaupten. Es wäre viel sinnvoller, ein Schwein mit dem ganzen Kram zu beauftragen, den Hunde so erledigen sollen. Dann wäre wenigstens gesichert, dass es auch klappt.«

Schweine, so wie ich sie kenne! Einfach unverschämt. Na warte! Ich werfe den Kopf in den Nacken.

»Ich glaube kaum, dass jemals ein Schwein ein Kaninchen aus dem Bau gestöbert hat. Du wärst dafür viel zu fett. Und apropos fett: Für jemand, der bald ein Schnitzel wird und bis dahin sein freudloses, kurzes Leben in ein und demselben dunklen Stall fristen muss, bist du ganz schön frech.«

Ha! Diesem blöden Schwein habe ich es aber gegeben! Sage noch einer, ich würde mich nicht auskennen! Ich komme schließlich auch vom Land und weiß, wie der Hase läuft. Respektive die Sau. Das Geräusch, das das Schwein jetzt von sich gibt, klingt in etwa wie pffffrrrrrr und ist mit Sicherheit Ausdruck des blanken Entsetzens.

»Du bist vielleicht ein Komiker! Ha, ha, Schnitzel!« Hm, vielleicht doch nicht blankes Entsetzen. »Ich werde doch kein Schnitzel. Ich bin eine prämierte Sau. Mit mir wird der Bauer bald wunderschöne Ferkel züchten. Und überhaupt ist hier alles voll öko. Freudlos im dunklen Stall is nich. Morgen früh kommen wir wieder raus auf die Wiese. Und ärgern den neuen Hofhund, haha!«

Voll öko? Was heißt das? Versteh ich nicht. Und wieso hat das Schwein keine Angst? Ich bin verwirrt und merke, dass ich anfange, mich richtig über die Dreistigkeit der Sau zu ärgern. Und über mich selbst, denn eigentlich wollte ich mich durch Schweine nie mehr aus der Ruhe bringen lassen. Das ist eines stolzen Jagdhundes einfach unwürdig. Überhaupt – ich lebe jetzt in der großen Stadt, als Hund eines Tierarztes. Da werde ich mir von den Landeiern hier doch kein X für ein U vormachen lassen. Ich gebe mich so selbstbewusst wie mir nur irgend möglich: