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Luisa sieht das zum Glück ganz ähnlich.

»Ich glaube, Herkules hat richtig Hunger. Und er ist auch längst nicht so dick wie Herr Beck.«

Letzterer ist mittlerweile auch wieder wach und schnaubt empört.

»Kann mir mal jemand sagen, warum hier ständig auf meinem Gewicht herumgehackt wird? Ich bin ein gestandener Kater! Und ich habe übrigens auch Hunger.«

Norbert hat leider keine so sensiblen Antennen wie Luisa für unsere tierischen Bedürfnisse und reagiert nur sehr verhalten auf ihre Anmerkung.

»Also, wenn es unbedingt sein muss, können die beiden etwas fressen, wenn ich eine Pause mache. Kurz nach Schweinfurt mache ich immer einen längeren Stopp, weil ich dann sowieso meine Lenkpause einhalten muss.«

Schweinfurt – ein verheißungsvoller Name! Ich schäme mich zwar ein bisschen dafür, weil es ja immerhin ein Schwein war, das uns heute Morgen gerettet hat – aber bei dem Wort »Schwein« denke ich jetzt zuallererst an einen lecker gefüllten Fressnapf. Und nicht an meine neue Freundin Virginia. Verstohlen blicke ich nach oben, anscheinend hat niemand meine schändlichen Gedanken erraten. Stattdessen erläutert Norbert noch immer langatmig seine Pausenpläne.

»… ja, und da fahre ich von der Autobahn runter und esse etwas bei einem alten Kumpel. Mannis Futterkrippe – sensationelle Küche! Richtig was auf’m Teller und supergünstig.« Norbert schnalzt mit der Zunge, offenbar ist allein der Gedanke an Mannis Kochkünste schon sehr verheißungsvoll. Mein Magen beginnt zu knurren – und zwar so laut, dass sogar Norbert mir einen kurzen Blick zuwirft.

»Könnte mir vorstellen, dass der Manni auch was für eure kleinen Freunde parat hat.«

Na also. Warum nicht gleich so? Herr Beck stupst mich in die Seite.

»Meinst du, es dauert noch lange bis Schweinfurt? Komischer Name, nicht wahr?«

»Och, ich finde, der klingt ganz gut. So, als ob es da wirklich ordentlich was zu essen gäbe.«

Herr Beck rollt mit den Augen.

»Dackel, du bist unmöglich. Heute Morgen lässt du dir noch von einem Schwein den – verzeih – Arsch retten, und jetzt das! Gut, man kann von uns schlecht erwarten, dass wir aus Dankbarkeit Vegetarier werden, aber ein bisschen Pietät schadet trotzdem nicht.«

Okay, den ersten Teil des Vorwurfs verstehe ich, der Gedanke kam mir ja auch schon. Der zweite Teil hingegen ist mir völlig unklar. Was schon daran liegt, dass ich weder weiß, was Vegetarier noch was Pietät bedeutet. Um aber nicht als Trottel dazustehen, sage ich mal vorsichtshalber nichts.

Herr Beck mustert mich.

»Oder findest du nicht?«

»Äh, doch, doch.«

»Du gibst mir Recht?«

»Hm.«

Herrn Becks Schnurrbarthaare beginnen zu zucken.

»Du weißt gar nicht, wovon ich rede, richtig?«

»Natürlich weiß ich das. Ich bin schließlich nicht blöd.«

»Und was ist ein Vegetarier?«, will Beck in absolutem Oberlehrerton von mir wissen.

»Auf ein Frage- und Antwortspiel habe ich keine Lust. Dafür musst du dir jemand anderen suchen«, winde ich mich heraus.

»Aha«, entgegnet Beck nur vielsagend, und ich ärgere mich, dass mir keine schlauere Antwort eingefallen ist. Vegetarier. Vege – tarier. Vielleicht jemand, der irgendwas mit Wegen macht? Der seiner Wege geht? Abhaut? Hm. Und Pietät? Ich kenne von Caro und Nina nur Diät. Ist das etwas Ähnliches? Also, wenig essen, weil man in einen Bikini passen will – was auch immer das sein mag? Und dabei sehr schlecht gelaunt sein? Hm. Heißt das, dass wir aus Dankbarkeit zwar nicht abhauen müssen, aber weniger essen sollten? Vor allem weniger Schweinefleisch. He, he! Ich weiß nämlich doch, was der fette Kater meint! Musste nur einen Moment darüber nachdenken, aber das wird wohl noch erlaubt sein.

»Ich gelobe, ich werde in Zukunft weniger Schweinefleisch essen«, schiebe ich jetzt noch hinterher und freue mich, dass Herr Beck tatsächlich sehr erstaunt guckt. Hunde sind eben doch nicht dümmer als Katzen, auch wenn der Kater das immer behauptet!

Seitdem das Wort »Schweinfurt« gefallen ist, scheinen auch unsere mitreisenden Menschen über Schweine nachzudenken.

»Willi, meinst du, dass die Schweine auf dem Bauernhof tatsächlich krank sind?«, will Luisa wissen. Willi zuckt mit den Schultern.

»Ich weiß nicht. Warum fragst du?« Na, das liegt doch auf der Hand! Weil es ein interessantes Thema ist! Ich beschließe, mich wieder neben Luisa und Willi zu setzen, und hopse aus dem Fußraum nach oben.

Norbert dreht sich kurz zur Seite und wirft einen Blick auf Luisa.

»Wieso? Welche Krankheit haben Kallis Schweine denn?«

»Ob sie wirklich krank sind, wissen wir doch gar nicht, aber …«, beginnt Willi sehr langsam.

Da ist Luisa deutlich schneller.

»Karl-Heinz hat Angst, dass seine Schweine die Pest haben.« Sie überlegt kurz. »Genau. So heißt die Krankheit. Schweinepest.«

»WAAAS?«, brüllt Norbert regelrecht und bremst gleichzeitig so stark, dass ich mich nur mit Müh und Not auf dem Sitz halten kann. »Die SCHWEINEPEST?« Okay. Das scheint Norbert jetzt irgendwie problematisch zu finden. »Ihr kommt von einem Hof, auf dem es Verdachtsfälle von Schweinepest gibt, und setzt euch in aller Gemütsruhe in einen Viehtransporter? Seid ihr wahnsinnig? Wisst ihr, was das für mich bedeutet?«

Willi schüttelt langsam den Kopf.

»Äh, nein, nicht so richtig.« Pfui, Willi! Das ist glatt gelogen! Selbst ich habe ja verstanden, dass diese Schweinepest eine ganz böse Geschichte ist. Warum sonst hätte Karl-Heinz noch mal nachgefragt, ob Norbert heute wirklich keine Schweine transportiert, und warum hätten Willi und Luisa sonst im Auto ihre Klamotten wechseln müssen? Die Schuhe hat Daggi mit einem Lappen abgewischt, den sie vorher in eine beißend riechende Flüssigkeit getaucht hatte, und selbst Becks und meine Pfoten hat sie abgetupft. Und jetzt hat Willi anscheinend Angst, dass sich Norbert sonst noch mehr aufregt, und gibt den Ahnungslosen. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts – so hat der alte von Eschersbach diese Taktik immer genannt.

»Ach, was rede ich auch mit euch. Ihr habt ja sowieso keine Ahnung. Ich muss sofort diesen Vollpfosten von Karl-Heinz anrufen. Da vorne fahr ich raus.«

Ich merke, wie der Lastwagen langsamer wird, abbiegt und schließlich anhält. Norbert fummelt sein Handy aus der Tasche, schnappt sich eine Packung Zigaretten und springt aus der Fahrerkabine. Obwohl er draußen steht, können wir alle sehr gut hören, was er Karl-Heinz erzählt, denn er spricht immer noch sehr laut.

»Sachma, Kalli, spinnst du jetzt komplett? Ich höre, ihr habt die Schweinepest auf dem Hof, und du Irrer schickst mir Leute von dir in die Viehvermarktung? Willst du, dass ich meinen Job verliere?« Kurze Pause. Offenbar versucht Karl-Heinz, sich zu verteidigen, kann Norbert aber nicht überzeugen. »Das ist mir schietegal, mein Lieber. Du weißt, wie streng die Vorschriften sind. Keiner rein und keiner raus ohne Veterinär. Morgen fahre ich mit diesem Transporter vielleicht Schweine, was meinst du, was da los ist, wenn das jemand mitkriegt?« Wieder Pause. »Also war das blinder Alarm?« Pause. »Schweine sind wieder friedlich? Okay.« Pause. »Aha. Hat nicht einmal eine Blutprobe genommen? Na ja, dann scheint wirklich alles in Ordnung zu sein. Gott sei Dank – ich habe gerade den Schock meines Lebens bekommen. Gut, ich muss weiter – über die Geschichte unterhalten wir zwei beiden uns noch mal, wenn ich wieder zurück bin. Tschüss!«

Norbert klettert wieder in die Fahrerkabine und startet den Motor. Eine ganze Weile sagt er nichts, sondern trommelt nur mit seinen Fingern auf dem Lenkrad herum. Erst als wir wieder auf der Straße fahren, auf der alle so schnell unterwegs sind, fängt er an zu sprechen.

»Das ist ja auch wieder typisch mein Schwager. Wenn es um seinen Öko-Krams geht, dann kann ihm kein Gesetz streng genug sein. Alle anderen sind dann böse Tierquäler und Verbrecher, und nur bei ihm sind die Schweine glücklich. Zumindest, bis sie dann natürlich auch in der Wurst landen. Aber wenn er sich mal an ein Gesetz halten soll, das uns alle schützt, dann sind wir die spießigen Korinthenkacker, die sich mal nicht so anstellen sollen.«