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»Ach, dich sehe ich ja jetzt erst. Bist du auch mit dem Nobbi gekommen? Und was ist mit der Katze? Gehört die auch dazu?«

Norbert nickt.

»Ja, mein Transporter ist heute fast die Arche Noah. Und ich glaube, Bello und Maunz haben auch mächtig Hunger. Wenn du für die beiden auch etwas hättest?«

Bello und Maunz? Ich höre wohl nicht richtig. Aber wenn es zu etwas Essbarem führt, soll mir selbst das recht sein.

»Natürlich. Mannis Futterkrippe verlässt niemand hungrig!«

Manni, du bist mein Mann!

Ob bayerisch oder fränkisch – diese Küche ist wirklich genial. Völlig vollgefressen liege ich neben dem Tisch, an dem Willi, Luisa und Norbert immer noch versuchen, ihre Teller zu leeren. Ein aussichtsloses Unterfangen. Angie hat die riesigen Teller so vollgehäuft, dass ich selbst vom Boden aus die Fleischberge noch sehen kann. Schade, dass ich so satt bin. Selbst wenn nun etwas übrig bleibt, kann ich es garantiert nicht mehr essen.

»Uah, ich glaube, ich habe mir eine Magenerweiterung zugezogen«, jammert Herr Beck. Ihm geht es demnach genauso wie mir. »Ich bin ganz froh, wenn ich mich nun nicht mehr bewegen muss, sondern gleich einfach wieder in den LKW hüpfe und mich nach München kutschieren lasse. Ich werde bestimmt wundervoll schlafen. Fresskoma!«

»Fresskoma? Was ist das denn?«

»Kennst du das nicht? Das ist der Zustand, wenn du so satt bist, dass du fast nicht mehr klar denken kannst, nein – wenn du gar nicht mehr denken und dich auch nicht mehr rühren kannst. Herrlich!«

»Du vergisst, dass ich normalerweise mit einem Tierarzt zusammenwohne. Dass Marc mein Futter nicht abwiegt, ist noch alles. Ich kann schon froh sein, wenn mir Oma Hedwig ab und zu einen Fleischwurstzipfel zusteckt.«

Herr Beck kichert. »Vielleicht sollten wir doch dauerhaft nach Bayern auswandern. Hier scheinen mir die Menschen genussfreudiger zu sein.«

»Ich dachte, hier sei Franken«, gebe ich mit meinem neu erworbenen Wissen an.

»Was auch immer – hier könnte ich bleiben.«

»Ja, schlecht ist es nicht«, gebe ich Herrn Beck Recht. »Die Landschaft ist auch ganz hübsch, findest du nicht?«

»Keine Ahnung. Konnte ich vom Fußraum aus schlecht beurteilen.«

»Dann lass uns doch draußen eine kleine Runde drehen. Unsere Menschen sind mit der Nahrungsaufnahme bestens beschäftigt, die brauchen bestimmt noch eine Weile. Mir würde ein bisschen Bewegung sehr guttun – Stichwort Fresskoma .« Ich rapple mich hoch, Beck tut es mir gleich.

»Stimmt. Nicht, dass uns im Wagen noch schlecht wird.«

Wir traben zur Tür, die immer noch einen Spalt geöffnet ist, und mogeln uns ins Freie. Draußen angekommen, hole ich erst einmal tief Luft. Zu viel Fleisch drückt auf meinen Magen. Komisch, während es hier vorhin noch arg nach Benzin roch, hat sich nun etwas anderes in die Luft gemischt. Fast, als seien wir nicht direkt neben einer großen Straße, sondern auf dem Land. Es riecht nach … Kuh. Genau. Es riecht nach Kuh. Und zwar nicht der Hauch, der die ganze Zeit unseren Transporter umwehte, sondern richtig penetrant. Ich schaue vor mich. Zuerst sehe ich einen großen Kuhfladen, der den Geruch erklärt. Und dann sehe ich: Kühe. Eine ganze Herde. Zwischen den Lastwagen von Mannis Gästen stehen lauter Rindviecher. Wo kommen die denn auf einmal her? Ich schaue mich um – dann bleibt mein Blick an Norberts Laster hängen.

Die hintere Ladeklappe ist heruntergelassen. Eine Kuh steht noch auf der Rampe und sieht sich unsicher um. Heilige Fleischwurst – irgendjemand hat die Kühe aus Norberts Lastwagen rausgelassen!

FÜNFUNDZWANZIG

Verdammte Scheiße!« Norbert kommt aus der Futterkrippe gerannt. Ob er durch mein Bellen aufmerksam geworden ist oder schlicht aus dem Fenster geguckt und die Kühe gesehen hat, kann ich nicht sicher sagen. Auf alle Fälle reicht ihm ein Blick auf seinen Laster, und er weiß offensichtlich ganz genau, was hier gerade los ist. Er läuft auf die offene Ladefläche zu und fuchtelt wie wild mit den Armen. »Ihr feigen Arschlöcher, dann steht wenigstens dazu, anstatt einfach abzuhauen! Kommt sofort zurück!«

Hm, ob er denkt, dass die Kühe wirklich wiederkommen, wenn er sie beschimpft? Will er die Rindviecher bei der Ehre packen und glaubt allen Ernstes, dass das funktioniert? Da bin ich skeptisch. Ich glaube nicht, dass die freiwillig wieder einsteigen und fröhlich Richtung Schlachthof fahren. Oder meint er am Ende gar nicht die Kühe?

Jetzt ist auch Manni rausgekommen und steht neben Norbert. Fassungslos schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. »Meine Güte – was ist passiert?«

»Hier!« Norbert greift nach einer Art Bettlaken, das irgendwie auf dem oberen Rand des Transporters gelandet ist, und zieht es herunter. »Lies selbst.« Er entfaltet das Laken und hält es Manni direkt vor die Nase. Tatsächlich steht dort in übergroßen Buchstaben etwas geschrieben. Ich hoffe, Manni liest laut, damit Beck und ich auch mitkriegen, worum es hier eigentlich geht.

»TIERVERRECKER, MORDVOLLSTRECKER!!!« Manni schüttelt den Kopf. »Hä, versteh ich nicht. Wie kommt das da hin?«

Norbert knüllt das Laken wieder zusammen, er zittert jetzt richtig.

»Natürlich diese Scheiß-Tierschützer! Die waren hier und haben die Kühe rausgelassen. Haben irgendwie die Bolzen an der Klappenverriegelung geknackt.« Auch Norberts Stimme zittert. Er ist wirklich sehr aufgeregt.

Manni hingegen wirkt noch skeptisch.

»Aber woher sollten die denn wissen, dass nun ausgerechnet heute hier ein Viehtransporter auf dem Parkplatz vor Mannis Futterkrippe steht? Ich meine, die kommen hier doch nicht längs, sehen deinen Laster und haben dann zufällig ein Bettlaken und schwarze Farbe dabei.«

»Woher die das wussten?« Norbert schnaubt wütend. »Ganz einfach: Woher wusstest du denn, dass ich heute komme? Weil ich jeden Mittwochabend hier Pause mache. Die haben mir aufgelauert! Das war von langer Hand geplant!«

Mittlerweile sind auch Willi und Luisa herausgekommen. Erstaunt betrachten beide die Kühe, die auf der Suche nach der nächsten Weide zwischen den Autos und Lastern hin und her wandern und die Rasenstreifen zwischen den einzelnen Abstellflächen schon mal als kleine Vorspeise nutzen. Weil der Parkplatz eingezäunt ist, schaffen sie es allerdings nicht auf die große Wiese daneben, sondern drücken ihre Nasen nur immer wieder gegen den Zaun und muhen, so, als seien sie selbst erschrocken über die ganze Geschichte. Eine Kuh läuft direkt auf Luisa zu. Die weicht erst einen Schritt zurück, bleibt dann aber stehen und tätschelt der Kuh den Hals.

»Guck mal, Willi, die Kuh ist ganz zahm! So ein liebes Tier! Ich will nicht, dass es zum Schlachter muss.«

Norbert, der diese Bemerkung offenbar gehört hat, fährt sofort herum und beginnt, Luisa anzuschreien.

»Jetzt hör mal zu, kleines Fräulein: Du kannst den Rest nach München von mir aus gerne laufen! Ich lasse mich doch jetzt nicht noch von einem blöden Gör wie dir …«

In diesem Moment fängt Norberts Laster an, seltsame Geräusche von sich zu geben. Es klingt, als würde er würgen. Ob sich ein Auto übergeben kann? Das würde alles, was ich bisher über Maschinen gelernt habe, auf den Kopf stellen. Wrrrr, wrrrrr, wrrrr – bilde ich mir das vielleicht ein? Nein, auch Norbert und Manni hören das Geräusch.

»Nobbi, da ist jemand in deinem Führerhaus!« Die beiden rennen um den Laster herum, ich hinterher. Was für ein spannender Abend!

»Verfluchte Scheiße, die Scheibe ist eingeschlagen«, schreit Norbert und reißt die Tür auf der Fahrerseite auf – tatsächlich! Da sitzt jemand. Ob Mann oder Frau ist schwer zu sagen, denn der- oder diejenige hat eine schwarze Wollmütze über den ganzen Kopf gezogen. Norbert packt die Person am Ärmel und will sie aus der Kabine zerren.