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„Möge das Gelage beginnen!“, rief Thrall, und wilder Jubel und lauter Applaus erfüllten die Luft.

Die Parade war nun offiziell beendet, und die Veteranen eilten zu den Fässern, um eine lange Nacht einzuläuten, die für die meisten mit einem schmerzenden Kopf am nächsten Morgen enden würde. Cairne ging auf den Eingang der Feste Grommash zu und verharrte einen Moment, um sich den Totenschädel und die Rüstung anzusehen, von denen Thrall gesprochen hatte.

Die Rüstung war an einem riesigen toten Baum aufgehängt worden, damit jeder sie sehen konnte. Der Schädel des großen Dämonenlords, der auf dem Baum thronte, war von der Sonne ausgebleicht. Lange Hauer standen von den weißen Knochen ab, und die Plattenrüstung war so riesig, dass sie selbst von den mächtigsten Orcs, Trollen oder Tauren nicht getragen werden konnte. Cairne betrachtete sie eingehend, dachte an Grom und dankte seinem Geist für das Opfer, das die Orcs befreit hatte.

Mit einem langen Seufzer wandte er sich ab und betrat die Feste. Er hatte, wie es ihm zustand, sein Gefolge mitgebracht. Cairne hatte festlegen müssen, welchen Mitgliedern seines Volkes die Ehre zuteilwurde, an dem heutigen Fest teilzunehmen. Gewöhnlich begleitete ihn sein Sohn Baine, doch der hatte sich entschieden, in Mulgore zu bleiben.

Es wäre mir eine große Ehre, an dieser feierlichen Zeremonie teilzunehmen, hatte Baine geschrieben. Doch die größere Ehre besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass sich unser Volk in Sicherheit befindet, bis du, sein Anführer, wohlbehalten heimkehrst.

Die Antwort seines Sohnes gefiel Cairne, überraschte ihn jedoch nicht. Baine tat genau das, was sein Vater in dieser Situation auch getan hätte. Obwohl er sich gefreut hätte, seinen Sohn an seiner Seite zu haben, war Cairne froh über Baines Entscheidung, da er so die Gewissheit hatte, dass jemand während seiner Abwesenheit über das Volk der Tauren wachte.

Statt Baine hatte der Erzdruide Hamuul Runentotem ihn begleitet, der ein guter Freund und enger Berater war. Ebenfalls anwesend waren Mitglieder mehrerer Taurenstämme: der Morgenwandler, der Rachtotems – ein Stamm mit kriegerischer Ausrichtung, der mehrere seiner Söhne und Töchter geschickt hatte, um in Nordend gemeinsam mit Garrosh zu kämpfen –, der Himmelsjäger, der Winterhufe, der Donnerhörner und einiger anderer. Eher aus politischen als persönlichen Gründen hatte er die Matriarchin der Grimmtotems, Magatha, eingeladen, mit ihm an den Feierlichkeiten teilzunehmen.

Als einziger der Taurenstämme waren die Grimmtotems niemals offiziell der Horde beigetreten, obwohl Magatha auf Donnerfels lebte und ihr Stamm alle Rechte der Tauren genoss. Sie war eine mächtige Schamanin, die nach dem tragischen Unfalltod ihres Gatten die Führerschaft über die Grimmtotems übernommen hatte – ein Tod, der, wie gemunkelt wurde, nicht unbedingt ein Unfall gewesen war. Sie und Cairne waren bereits des Öfteren aneinandergeraten. Cairne war sehr froh, dass sie nach Donnerfels gezogen war und er sie zu dieser wichtigen Feier eingeladen hatte, denn er glaubte fest an das alte Sprichwort „Bleib deinen Freunden nah und deinen Feinden noch viel näher“. Magatha trat nicht öffentlich gegen ihn an, und er bezweifelte, dass sie das jemals tun würde. Sie mochte ihre Pläne und Ränke im Verborgenen schmieden, doch letztlich, so dachte Cairne, war sie ein Feigling. Sollte Magatha sich doch für mächtig halten, weil sie ihren Stamm anführte. Er, Cairne Bluthuf, war der wirkliche Anführer der Tauren.

Thrall setzte sich auf den riesigen Thron, von dem aus er den gesamten Raum überblicken konnte, und beobachtete, wie die Massen hereinströmten. Die Kohlenpfannen, die für gewöhnlich zu beiden Seiten des Throns brannten, waren gelöscht worden. Vor den kalten Pfannen standen nun zwei kleinere geschmückte Sitzgelegenheiten, die eigens für diesen Anlass dort aufgestellt worden waren. Auf Thralls Bitte hin nahmen Cairne und Garrosh diese Plätze ein – Garrosh, als Held der Stunde, zu Thralls rechter Seite. An verschiedenen Stellen im Raum hatten sich still und unauffällig die Kor’kron, Thralls Leibwächter, postiert.

Thrall blickte zu Cairne und Garrosh und beobachtete ihre Reaktionen. Cairne schien sich auf dem etwas zu kleinen Stuhl unwohl zu fühlen. Thrall verzog das Gesicht. Die orcischen Zimmerleute hatten hart daran gearbeitet, die Körpermaße des Tauren zu berücksichtigen, als sie den Stuhl angefertigt hatten. Doch offensichtlich war es ihnen nicht gelungen. Der alte Bulle war von Stolz erfüllt, als seine Leute eintraten. Er wusste ebenso wie Thrall, dass jeder von ihnen in diesem Krieg alles gegeben und mancher auch alles verloren hatte.

Die Jahre begannen ihren Tribut von dem Oberhäuptling zu fordern. Thrall hatte gehört, wie gut Cairne gekämpft hatte, als seine Gruppe angegriffen worden war. Wie er immer wieder zurückgelaufen war, um weitere Verwundete in Sicherheit zu bringen. Thrall überraschte das nicht. Er kannte Cairnes Mut nur zu gut, sein großes Herz und sein Mitgefühl. Was ihn überraschte, war die Zahl der Wunden, die der Taure in dem Gefecht davongetragen hatte und wie langsam er sich von ihnen zu erholen schien.

Thralls Herz schmerzte plötzlich. Er hatte so viele teure Freunde verloren – Taretha Foxton, das Menschenmädchen, das ihm gezeigt hatte, dass eine liebevolle Freundschaft zwischen den Völkern möglich war. Grom Höllschrei, der ihm so viel darüber beigebracht hatte, was es bedeutete, ein Orc zu sein. Und vielleicht schon bald Drek’Thar, der, laut dem Orc, der ihn pflegte, allmählich gebrechlich wurde und dessen Geist oft abschweifte. Der Gedanke, Cairne, der ihm so viele Jahre so nahegestanden hatte, irgendwann auch das letzte Lebewohl sagen zu müssen, war schmerzhaft.

Er wandte seine Aufmerksamkeit Garrosh zu. Der junge Höllschrei, mit Blutschrei auf dem Schoß, aß, trank und lachte laut. Er amüsierte sich offensichtlich gut. Doch ab und zu machte auch er eine Pause und blickte die Versammelten mit leuchtenden Augen und voller Stolz an. Thrall war die Begeisterung nicht entgangen, mit der die Bevölkerung von Orgrimmar Garrosh empfangen hatte. Nicht einmal er selbst, Thrall, war jemals so gefeiert worden. Doch so sollte es auch sein, dachte er. Nicht alle seine Entscheidungen waren bei seinem Volk beliebt, aber er wusste, dass er es gut führte und dass sein Volk ihn respektierte. Garrosh hingegen hatte bisher nichts anderes als Beifall und die Liebe seines Volkes erfahren.

Garrosh bemerkte, dass Thrall ihn ansah, und lächelte. „Es ist gut, hier zu sein“, sagte er.

„Genießt du das Lob, das du dir verdient hast?“, fragte Thrall.

„Natürlich. Doch es tut auch gut, andere Orcs zu sehen. Mitzuerleben, wie sie sich der Bedeutung, ein Orc zu sein, erinnern. Wie es ist, Kämpfe zu bestreiten, die Feinde zu besiegen, den Sieg mit derselben Hingabe zu feiern, mit der man ihn erkämpft hat.“

„Die Horde ist mehr als nur wir Orcs, Garrosh“, erinnerte ihn Thrall.

„Richtig. Doch wir sind der Kern, ihr Zentrum. Wenn wir fest daran glauben, wirst du weitere Siege der Horde erleben, Kriegshäuptling. Sogar noch mehr als das. Du wirst Orcs erleben, die auf sich und ihr Volk stolz sind. Und der Kriegsruf Für die Horde! wird nicht nur über ihre Lippen kommen, sondern aus ihren Herzen.“

Alle außer Thrall, Garrosh und Cairne saßen auf dem Boden. Der Stein war mit dicken, weichen Fellen bedeckt und alle drei Völker waren daran gewöhnt, ohne Stühle auszukommen. Die Luft in der Halle wurde von Kohlenpfannen, offenen Feuern und der Körperwärme der Anwesenden erwärmt. Thrall bemerkte, dass nur Magatha und ihre Grimmtotems verärgert dreinschauten. Alle anderen machten es sich gemütlich. Sie waren froh, hier zu sein und zu leben nach all dem Schmerz, Elend und Kampf.

Alles war sehr feierlich, doch Thrall wusste, dass die Menschen und die Elfen das nicht erkennen würden. Diener brachten große Tabletts, die sich unter den aufgetürmten Leckereien bogen. Das einfache, aber sättigende Mahl wurde mit den Händen gegessen: mit Bier marinierte Schweinerippchen, gebratene Bären und Rotwild. Keulen vom Zhevra drehten sich auf einem Spieß über dem Feuer, und es gab herzhaftes Brot für die pikanten Saucen sowie Bier, Wein und Rum, um all das hinunterzuspülen. Die Feste Grommash war von Gelächter und Jubel erfüllt, als die Gäste aßen und tranken. Die Diener trugen die Tabletts schließlich wieder ab, und gesättigt und zufrieden wandten die Versammelten ihre Aufmerksamkeit ihrem Anführer zu.