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Jaina antwortete nicht, und die Falte auf ihrer Stirn wurde tiefer. „Ich... ich würde ihn ermutigen, es zu tun.“

Thrall lächelte traurig und legte sanft seine große Hand auf ihre schmale Schulter. „Ich werde den Wortbruch durch die Horde verurteilen... aber das ist auch alles.“ Er blickte sich um.

„Ich habe Durotar als Heimat gewählt, um meinem Volk einen neuen Start zu ermöglichen. Medivh riet mir, meine Leute herzubringen, und ich hörte auf ihn, obwohl ich nichts von dem Ort wusste. Als ich ankam, sah ich das raue Land. Es war nicht grün wie die Östlichen Königreiche. Selbst Orte, die so reich an Wasser sind wie dieser, bieten wenig zum Leben. Ich entschied mich trotzdem hierzubleiben, um meinem Volk die Chance zu geben, seinen Geist mit diesem Land zu messen. Der Geist meines Volkes ist noch immer mächtig, aber das Land ...“ Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube, Durotar hat alles gegeben, was es kann. Ich muss mich darum kümmern und letztlich auch um mein Volk.“

Jainas Blick suchte den seinen. Sie wischte sich eine Locke ihres goldenen Haars aus den Augen, eine sehr mädchenhafte Geste. Doch ihr Gesichtsausdruck und ihre Worte waren die einer Anführerin. „Ich weiß, dass die Horde anders funktioniert als die Allianz, Thrall, aber... wenn du es doch schaffst, auf meinen Rat zu hören, eröffnen sich dir neue Möglichkeiten, die dir andernfalls verschlossen bleiben.“

„Uns stehen zu allen Zeiten viele Wege offen, Jaina“, meinte Thrall. „Unsere Untertanen vertrauen uns, und wir sind es ihnen schuldig, jeden einzelnen zu überprüfen.“

Sie streckte die Hand nach ihm aus und umfasste seine Rechte. „Dann muss ich hoffen, dass das Licht dich leitet, Thrall.“

„Und ich hoffe, deine Ahnen wachen über dich und beschützen dich und die deinen, Jaina Prachtmeer.“

Sie lächelte ihn ebenso herzlich an, wie es ein anderes blondhaariges Menschenmädchen in einer noch nicht so fernen Vergangenheit getan hatte, und kehrte zu ihrem kleinen Boot zurück. Als Thrall ihre Jolle ins Wasser schob, meinte er die kleine Falte auf ihrer Stirn zu erkennen, die ihm verriet, dass sie besorgt war.

Er war es nicht minder.

Thrall verschränkte die Arme und sah zu, wie das Wasser sie nach Hause trug. Etrigg trat leise zu seinem Kriegshäuptling.

„Es ist schade“, sagte Etrigg, sich scheinbar auf nichts Bestimmtes beziehend.

„Was?“, fragte Thrall.

„Dass sie kein Orc ist. Sie ist stark, schlau und großherzig – eine wahre Anführerin. Jaina würde starke Söhne gebären und tapfere Töchter. Eines Tages könnte sie dir eine gute Gefährtin sein, wenn sie das will. Wirklich schade, dass sie kein Orc ist und dir deshalb nicht gehören kann.“

Thrall konnte nicht anders. Er warf seinen Kopf zurück, lachte laut und erschreckte einige Krähen, die auf einem Baum in der Nähe saßen. Ärgerlich krächzend und in einem Wirbel aus schwarzen Flügeln machten sie sich auf den Weg zu einem ruhigeren Ort.

„Wir haben gerade die Kriege gegen den Lichkönig und den Albtraum bestanden“, sagte Thrall, „und unser Volk hungert, dürstet und kehrt zur Barbarei zurück. Der König von Sturmwind glaubt, ich sei ein brutaler Mörder, und die Elemente sind taub gegenüber meinen Bitten um Verständnis. Und du sprichst von Gefährtinnen und Kindern?“

Der alte Orc war völlig gelassen. „Gibt es denn eine bessere Zeit dafür? Thrall, wir leben in ungewissen Zeiten. Das gilt auch für deine Position als Kriegshäuptling der Horde. Du hast keine Gefährtin, keine Kinder, niemanden, der dein Blut weiterträgt, wenn du zu den Ahnen gehst. Du scheinst nicht einmal daran interessiert zu sein.“

Thrall knurrte. „Ich habe anderes im Kopf als Liebesspiele, eine Gefährtin und Kinder.“

„Wie ich bereits sagte... Genau diese Gründe sind es ja, warum es so wichtig ist. Außerdem liegt darin auch Trost und eine Klarheit, die du nur in den Armen einer wahren Gefährtin und nirgendwo sonst finden kannst. Nichts erfreut das Herz mehr als das Lachen der eigenen Kinder. Diese Dinge hast du zu lange vernachlässigt – Dinge, die mir sehr wohl vertraut sind, auch wenn sie mir genommen wurden. Ich würde diese Erfahrung für nichts eintauschen, egal, ob in diesem oder einem anderen Leben.“

„Ich brauche keine Belehrung“, zischte Thrall.

Etrigg zuckte die Achseln. „Vielleicht stimmt das. Vielleicht musst du sprechen, nicht ich. Thrall, du bist besorgt. Ich bin alt und habe viel gelernt. Eines der Dinge, die ich gelernt habe, ist zuzuhören.“

Etrigg sprang ins Wasser, und sein Wolf folgte ihm auf dem Fuße. Thrall stand einen Augenblick lang nachdenklich am Strand, bevor er ihm folgte. Als sie die Küste erreichten, kletterten die beiden Orcs immer noch schweigend auf die Rücken ihrer Wölfe. Während sie stumm nebeneinander herritten, ordnete Thrall seine Gedanken.

Es gab etwas, über das er mit niemandem gesprochen hatte, nicht einmal mit Etrigg. Er hätte es Drek’Thar sagen können, wäre der Schamane noch im Besitz seiner geistigen Fähigkeiten gewesen. Doch so behielt Thrall es für sich. Es war der eiskalte Knoten eines ängstlich gehüteten Geheimnisses. In seinem Inneren tobte ein Krieg.

Nach einiger Zeit sagte er: „Du wirst es noch verstehen, Etrigg. Auch du hattest nicht nur im Krieg Kontakt zu den Menschen. Ich lebe in zwei Welten. Ich wurde von Menschen aufgezogen, jedoch als Orc geboren. Und ich vereine die Stärke der beiden Völker in mir. Ich kenne beide Welten. Dieses Wissen war einst die Grundlage meiner Macht, und ich kann ohne Übertreibung sagen, dass ich dadurch zu einem einzigartigen Anführer mit besonderen Fähigkeiten wurde. Ich konnte mit beiden Seiten arbeiten, als die Einheit aller für das Überleben in Azeroth wichtig wurde.

Meine Herkunft diente sowohl mir als auch der Horde. Doch ich muss mich fragen, ob das auch jetzt noch zutrifft.“

Etrigg blickte auf die Straße vor ihm und grunzte nur, womit er Thrall zum Fortfahren ermutigte.

„Ich möchte mich um mein Volk kümmern, es versorgen, ihm Sicherheit geben, damit meine Untertanen ihre ungeteilte Aufmerksamkeit ihren Familien und der Tradition widmen können.“ Thrall lächelte schwach. „Eine Gefährtin finden, Kinder bekommen. All die Dinge zu haben, auf die jedes denkende Wesen ein Recht hat. Niemand sollte erleben müssen, wie die eigenen Eltern oder Kinder in den Krieg ziehen und nicht mehr zurückkommen. Und wer sich immer noch nach dem Krieg sehnt, erkennt nicht, was ich erkannt habe: Die Horde besteht zum größten Teil aus Älteren und Kindern. Eine ganze Generation ist nahezu vollständig verloren.“

Er spürte die Müdigkeit in seiner Stimme, und Eitrig tat dies auch, wie seine Antwort zeigte. „Du klingst, als ob deine Seele krank sei, mein Freund. Es sieht dir gar nicht ähnlich, an dir selbst zu zweifeln oder derart niedergeschlagen zu sein.“

Thrall seufzte. „Es scheint, dass meine Gedanken in diesen Tagen düster sind. Der Verrat in Nordend ... Jaina kann sich nicht vorstellen, wie gelähmt, wie schockiert ich war. Es bedurfte all meiner Kraft, die Horde davor zu bewahren, sich aufzulösen. Diese neuen Kämpfer... sie haben sich ihre ersten Sporen an Untoten verdient. Das ist ein großer Unterschied dazu, einen lebenden, atmenden Feind anzugreifen, der selbst eine Familie hat und Freunde, der lacht und schreit. Es ist leicht für sie, von der Gewalt abgestumpft zu werden, und schwierig für mich, sie mit Argumenten zu zügeln, die Verständnis und vielleicht sogar ihr Mitgefühl einfordern.“

Etrigg nickte. „Ich bin einst von der Horde weggegangen, weil ich von ihrem Hang zur Gewalt angewidert war. Ich sehe das genauso wie du, Thrall, und ich sorge mich auch, dass die Geschichte sich wiederholen könnte.“

Sie hatten die Schatten des Sumpflandes verlassen und ritten auf der Straße nordwärts. Die brütende Hitze machte ihnen zu schaffen. Thrall blickte sich an dem Ort um, der so trefflich Brachland genannt wurde. Die Umgebung war trockener denn je, brauner als jemals zuvor, und er entdeckte nur wenige Anzeichen für Leben. Die Oasen, die Rettung des Brachlandes, hatten auf ebenso mysteriöse Weise begonnen auszutrocknen, wie sie dereinst erschienen waren.