„Das tue ich, Kriegshäuptling. Du warst derjenige, der mich gelehrt hat, stolz auf meinen Vater zu sein und auf das, was er für andere getan hat... für die Horde.“ Garroshs Stimme klang ernst, und seine reinen Gefühle traten offen in seinem Gesicht zutage. „Ich bin noch nicht lange ein Teil der Horde, aber ich habe bereits genug gesehen, um zu wissen, dass ich wie mein Vater für sie sterben würde.“
„Du bist bereits dem Tod gegenübergetreten und hast ihn besiegt“, erklärte Thrall. „Viele seiner Schergen hast du getötet und mehr für diese neue Horde getan als manch anderer, der ihr schon seit ihren Anfängen angehört. Eines musst du wissen: Ich würde niemals gehen, ohne jemanden zu benennen, der sich um die Horde kümmert, selbst nicht für so kurze Zeit.“
Die Augen des jungen Orcs weiteten sich, dieses Mal jedoch vor Aufregung. „Du... du machst mich zum Kriegshäuptling?“
„Nein. Aber ich werde dich darin unterweisen, wie du die Horde an meiner Stelle führen sollst, bis ich zurückkehre.“
Thrall hätte nie erwartet, einmal erleben zu dürfen, wie Garrosh um Worte rang. Doch nun schien der braunhäutige Orc einen Moment lang sprachlos. „Ich kenne den Kampf, sagte er, „und weiß viel über Taktik, wie man die Truppen sammelt. Damit kenne ich mich aus. Lass mich auf diese Art dienen. Finde einen Feind für mich, dem ich gegenübertreten kann, und ich werde ihn besiegen. Du wirst sehen, wie stolz ich der Horde auch weiterhin diene. Aber von Politik verstehe ich nichts oder vom... Regieren. Ich halte lieber ein Schwert in meiner Hand als eine Schriftrolle!“
„Das verstehe ich“, sagte Thrall, ein wenig amüsiert darüber, dass er dem so stolzen Garrosh gut zureden musste. „Doch du wirst nicht ohne Ratgeber sein. Ich werde Etrigg und Cairne, die beide seit Jahren ihre Weisheit mit mir teilen, bitten, dich zu führen und zu beraten. Politik kann man lernen. Deine offensichtliche Liebe zur Horde jedoch nicht!“ Er schüttelte den Kopf. „Diese Liebe ist mir jetzt wichtiger als politischer Scharfsinn. Und davon, Garrosh Höllschrei, hast du im Überfluss.“
Immer noch schien Garrosh ungewöhnlich zögerlich zu sein. Schließlich sagte er: „Wenn du mich für würdig befindest, dann wisse dies: Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um den Ruhm der Horde zu mehren!“
„Wir brauchen im Moment keinen Ruhm“, entgegnete Thrall. „Es wird ohne Frage noch genug Herausforderungen für dich geben. Die Ehre der Horde ist bereits gesichert. Stelle ihre Bedürfnisse über deine eigenen, wie es dein Vater getan hat. Die Kor’kron werden angewiesen, dich so gut zu beschützen wie mich. Ich gehe als Schamane nach Nagrand, nicht als Kriegshäuptling der Horde. Nutze die Gelegenheit gut und ebenso den Rat von Cairne und Etrigg.“ Er machte eine Pause, und ein Lächeln glitt über seine Lippen. „Würdest du ohne Waffen in den Kampf ziehen?“
Garrosh blickte ihn verwirrt an, ob des plötzlichen Themenwechsels. „Das ist eine dumme Frage, Kriegshäuptling, und das weißt du.“
„Oh. Das ist mir klar. Ich möchte nur sichergehen, dass du verstehst, über welch mächtige Waffen du verfügst“, sagte Thrall. „Meine Berater sind meine Waffen, während ich darum kämpfe, stets das Beste für die Horde zu tun. Sie sehen Dinge, die ich nicht sehe, und zeigen mir Möglichkeiten auf, von denen ich nicht wusste, dass sie mir offenstanden. Nur ein Narr würde so etwas verachten. Und ich halte dich nicht für einen Narren.“
Garrosh lächelte und entspannte sich ein wenig, als ihm Thralls Absicht klar wurde. Mit einem Hauch seiner früheren Arroganz sagte er: „Ich bin kein Narr, Kriegshäuptling. Du würdest mich nicht bitten zu dienen, wenn du das dächtest.“
„Das stimmt. Also, Garrosh, willst du die Horde anführen, bis ich zurückkehre? Wirst du den Rat von Etrigg und Cairne annehmen, wenn sie ihn dir anbieten?“
Der junge Höllschrei atmete tief ein. „Es ist mein größtes Verlangen, die Horde nach besten Kräften anzuführen. Und deshalb, ja, tausend Mal ja, mein Kriegshäuptling. Ich werde sie so gut führen, wie ich kann, und ich werde den Rat deiner Berater annehmen, wie du es vorschlägst. Ich weiß, welch unglaubliche Ehre du mir erweist, und ich werde mich ihrer würdig erweisen.“
„Dann ist es vollbracht“, sagte Thrall. „Für die Horde!“
„Für die Horde!“
Oh, ihr Ahnen, dachte Thrall, als Garrosh sich mit vor Zufriedenheit und Stolz geschwellter Brust entfernte. Ich bete, dass ich das Richtige tue.
11
Zwei Wochen später trat Anduin Wrynn, der seine persönlichen Dinge bereits mit einem früheren Zug vorausgeschickt hatte, aus der Tiefenbahn und wurde augenblicklich beinahe von zwei kräftigen Armen erdrückt. „Willkommen, Junge!“, sagte König Magni Bronzebart. Anduin versuchte zu antworten, bekam jedoch keine Luft und verharrte reglos, während Magni fortfuhr: „Wir freuen uns, dich bei uns als Gast begrüßen zu dürfen. Du bist ja ganz schön groß geworden. Ich erkenne dich kaum wieder!“
Magni ließ den nach Luft schnappenden Anduin mit einem zischenden Geräusch los. Der Prinz lächelte den König und die junge Zwergin an, die neben ihm stand. Er vermutete, dass seine Gründe hierherzukommen nicht dieselben waren wie die seines Vaters, ihn zu Magni Bronzebart zu schicken. Doch das war ihm vollkommen gleichgültig. Er war fort von zu Hause, ein Junge, der auf eine völlig andere Kultur stieß, nachdem er schon zu lange auf Sturmwind begrenzt gewesen war.
„Es ist gut hier zu sein, Euer Majestät“, sagte er. „Danke, dass Ihr mich aufnehmt.“
„Dafür musst du mir nicht danken, Junge. Wir brauchten mal wieder einen kräftigen Tritt in den Hintern. Hier wurde alles schon zu steif.“ Magni schlug ihm auf den Rücken. „Komm jetzt, ich habe die Räume für dich herrichten lassen. Einige Diener habe ich vorausgeschickt, damit sie alles vorbereiten. Aber ich würde dir gern Aerin vorstellen“, er wies auf die junge Zwergenfrau. „Sie ist deine Leibwächterin, obwohl ich bezweifle, dass das Volk von Eisenschmiede dich belästigen wird.“
Aerin lächelte ihm fröhlich zu. „Schön, Euch zu treffen“, sagte sie und verneigte sich höflich.
Sie war eine vorbildliche Vertreterin der weiblichen Zwerge: kurvenreich, mit rosigen Wangen und langem braunem Haar, das ihr bis tief in den Rücken reichte. Sie trug ihre Rüstung, als wöge sie nicht mehr als ein Kleid, und schüttelte ihm herzlich die Hand. Anduin bemerkte, dass der Großteil ihrer Kurven aus Muskeln bestand. „Aerin gehört zu meinem Gefolge. Sie wird sich gut um dich kümmern.“
„Aye, und ich stamme ebenfalls aus Eisenschmiede, bin also hier geboren und aufgewachsen“, sagte Aerin stolz. „Es freut mich, Eure Führerin sein zu dürfen, solange Ihr hier seid, Euer Hoheit.“
„Danke“, sagte Anduin. „Bitte nenn mich Anduin.“ Obwohl auch die Zwerge seiner königlichen Familie zutiefst ergeben waren, lag in ihrer Art, den Adligen zu begegnen, eine angenehme Leichtigkeit die Anduin gefiel.
„In Ordnung“, stimmte Aerin zu, „dann also Anduin.“
„Gehen wir zu deiner Unterkunft, damit du dich einrichten kannst“, sagte Magni, wandte sich um und schritt mit so flinkem Tempo voran, dass Anduin kaum Schritt halten konnte. „Ich glaube, dir wird gefallen, was ich für dich ausgesucht habe“, sagte er und zwinkerte.
„Wäre es möglich, dass ich zuerst die Große Schmiede besuche?“, fragte Anduin. „Ich würde sie gerne sehen.“
„Natürlich!“, sagte Magni. „Ich bin immer stolz, wenn ich sie jemandem zeigen kann.“
Eisenschmiede war buchstäblich um eine riesige Schmiede herum erbaut worden. Die Luft war schwer und beinahe erstickend heiß, ein Kontrast zur kalten Frische der schneebedeckten Umgebung vor den Toren der Hauptstadt der Zwerge. Doch der scharfe Geruch hier war anders und erinnerte in keinster Weise an eine Menschenstadt. Anduin liebte ihn. Als sie die Schmiede erreichten, zuckte er angesichts der drückenden Hitze leicht zusammen und zog rasch seine Jacke aus. Er blickte heimlich zu Aerin hinüber. Anduin trug nur ein leichtes Leinenhemd und Reiterhosen und war bereits nass geschwitzt. Aerin und Magni hatten ihre Rüstung angelegt und schienen von der Hitze völlig unbeeindruckt zu sein. Die Konstitution der Zwerge war beeindruckend.