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„Aerin“, flüsterte er, nur für ihre Ohren bestimmt, wo immer sie auch sein mochte. „Aerin... es tut mir leid... Es tut mir so unsäglich leid...“

Jetzt widersetzte er sich den sanften Händen nicht mehr, die über seinen erschöpften Körper fuhren und ihn hochhoben. Er akzeptierte sie, unfähig weiterzukämpfen. Sein Herz schmerzte, und sein Körper war zu ausgelaugt, um zu protestieren. Das Letzte, das er spürte, bevor die gnädige Ohnmacht ihn schließlich umfing, war die sanfte Berührung der knorrigen Hände auf seinem Herzen und seiner Stirn. Und die gütige Stimme Rohans, der ihm befahl, sich auszuruhen, auszuruhen und zu heilen.

Das Letzte, was er in seinem Geiste sah, war ein fröhliches, von braunem Haar eingerahmtes Zwergengesicht, das lächelte, wie Aerin es immer getan hatte und in seinem Herzen immer tun würde.

14

Magni wirkte älter, als Anduin ihn jemals erlebt hatte.

In den zwei Tagen seit dem Unglück bei der Brauerei hatte Anduin lernen müssen, dass die Opfer von Kharanos sehr viele Leidensgenossen hatten. Das Beben war nicht auf einen Ort begrenzt gewesen, sondern hatte die Städte in ganz Khaz Modan erschüttert. Ein Teil des Hafens von Menethil lag nun auf dem Grund des Ozeans, und viele Ausgrabungsstellen von Uldaman bis Loch Modan waren zumindest teilweise verschüttet worden. Das Beben hatte sich von einem lokalen Zwischenfall zu einer nationalen Krise ausgewachsen.

Die Tragödie hatte den Zwergenkönig altern lassen, aber es lag eine Zielstrebigkeit in seinem Blick, die jedem, der in seine Augen schaute, signalisierte, dass Magni Bronzebart nicht aufgeben würde. Er blickte auf, als Anduin den Hohen Sitz betrat, und winkte ihn zu sich. Diesmal jedoch nicht mit der Freundlichkeit, die er bei anderen Gelegenheiten gezeigt hatte, sondern eher befehlend. Anduin eilte an die Seite des Königs.

„Ich will nicht überstürzt handeln“, begann Magni, „aber beim Licht, jetzt wünschte ich, ich hätte schneller gehandelt. Wir hätten all diese Leben retten können. Auch Aerin.“

Anduin schluckte schwer. Am Vortag war ein Gottesdienst für die Toten von Khaz Modan gehalten worden, der für Anduin schwerer zu ertragen gewesen war als der in Sturmwind. Bei diesem hatte man sich an viele Tausend Gefallene erinnert, deren Leben über einen langen Zeitraum hinweg ausgelöscht worden waren. Anduin hatte den Tod seines Freundes Bolvar Fordragon betrauert, doch der war bereits viele Monate her. Der Verlust von Aerin war neu und schwer zu ertragen. Es tat so unglaublich weh... Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf Magnis Worte.

„Ich... verstehe nicht“, sagte er. „Geht es um die Tafel?“

„Aye“, sagte Magni. „Ich habe die Übersetzer angetrieben, und sie sind sich recht sicher, dass sie nun wissen, was darauf steht. Lass es mich dir vorlesen.“ Er räusperte sich und beugte sich vor. Seine Augen flackerten über den merkwürdigen Buchstaben, und seine Stimme nahm einen tieferen Klang an, als er laut und feierlich die archaisch klingenden Worte las.

Und hier ist das Warum und das Wie, um wieder eins mit dem Berg zu werden. Denn sieh, wir sind die Irdenen, die dem Land entstammen, und seine Seele ist die unsere, seine Qual ist die unsere, sein Herzschlag ist der unsere. Wir singen sein Lied und weinen ob seiner Schönheit. Wer wollte nicht heimkehren ? Das ist das Warum, o Kinder der Erde.

Hier ist das Wie. Geht zum Herzen der Erde. Sucht diese drei Kräuter: Bergsilbersal bei, schwarzer Lotus und Geisterpilze. Mit einer Prise der Erde, die sie nährte, trinkt den Saft. Sprecht diese Worte mit lauterer Absicht, und der Berg wird antworten. So werdet ihr werden, was ihr einst wart. Ihr sollt heimkehren, und ihr sollt eins mit den Bergen werden.“

Magni sah Anduin mit seinem durchdringenden Blick an. „Verstehst du das?“

Anduin dachte kurz nach. „Ich... glaube ja... Dieser... dieser Ritus lässt Euch mit Azeroth selbst sprechen?“

„Ja, es scheint so. Und wenn wir mit Azeroth selbst sprechen, dann können wir fragen, was mit diesem verdammten Nether los ist, und Hilfe finden, einen Weg, um es zu heilen. Vielleicht gibt es dann diese unnatürlichen Fluten nicht mehr, die Dürren und die Erdbeben. Anduin... hier geht es um mehr als simple Felseinstürze. Etwas Großes geschieht gerade. Wusstest du, dass auch aus weit entfernten Gegenden von Beben berichtet wird? Sogar aus Teldrassil!“

„Das... kann nicht möglich sein... Oder doch?“

Magni schüttelte den Kopf. „Normalerweise nicht. So funktionieren solche Dinge nicht... Zumindest nicht auf natürliche Weise.“

Anduin schwieg einen Moment und dachte nach. „Sind einige dieser Kräuter nicht giftig?“

„Deshalb wollen sie ja, dass man sie mit der Erde trinkt“, sagte Magni. „Manche Böden neutralisieren bestimmte Gifte. Keine Angst, ich habe das mit den besten Kräuterkundigen von Eisenschmiede besprochen. Ich habe keine Lust, dabei vornüberzukippen und mir an die Kehle zu fassen.“

Anduin starrte ihn an. „Ihr? Ihr wollt das selbst ausprobieren? Das klingt eher danach, als ob es ein Schamane tun sollte.“

„Nein, Junge. Mein Reich ist am schlimmsten von diesen Naturkatastrophen betroffen. Die Zwerge leiden am meisten, und ich führe sie an. Wir sind die Kinder der Titanen, Anduin. Wir entstammen der Erde mehr als jedes andere Volk. Deshalb ist es nur recht und billig, dass ich das tue. Und was für ein König wäre ich, wenn ich die anderen den Gefahren des Unbekannten aussetze, während ich mich feige in Sicherheit befinde? So geht das nicht bei uns Zwergen, Junge.“

„Genauso wenig wie bei meinem Vater“, sagte Anduin und erkannte die Wahrheit seiner Worte, noch während er sie aussprach.

„Nein, Varians Art wäre das sicher nicht“, stimmte Magni zu. „Nun, die Gelehrten sind der Meinung, dass dieses Ritual auch hier in Eisenschmiede seine Wirkung entfalten sollte. Ich muss nur so tief hinunter, wie ich kann, bis zum Herzen der Erde.“ Er lächelte Anduin an. „Nicht jeder kennt unsere geheimen Orte, aber ich glaube, dir kann ich vertrauen. Du hast ein tapferes Herz, Anduin, auch wenn du rappeldürr bist und viel zu feinfühlig, ein richtiger Menschengrünschnabel.“

Anduin lächelte. Dabei hatte er sich noch vor zwei Tagen gefragt, ob er das je wieder könnte. Aerin wäre die Erste, die ihn dafür getadelt hätte, ein solch trauriger Zeitgenosse zu sein. „Aerin versprach, mich zu einem Zwerg zu machen“, sagte er. Seine Stimme fing sich ein wenig, klang jedoch noch immer überraschend brüchig.

„Ah“, sagte Magni und schenkte ihm ein trauriges Lächeln. „Das ist ihr, nach dem, was ich hier vor mir sehe, bereits gelungen.“

Anduin schluckte erneut.

„Nun“, sagte Magni, „ich habe nach einigen Kräuterkundigen geschickt, um die notwendigen Zutaten zu besorgen. Morgen früh sollte alles bereit sein.“

„So bald schon?“

„Aye, je eher, desto besser, denke ich. Azeroth sollte beginnen, mit mir zu reden, damit ich mich darum kümmern kann. Meinst du nicht?“

Anduin nickte. Das Licht allein wusste, ob es noch weitere Nachbeben geben würde.

Anduin wollte zurück in seine Räume gehen, doch stattdessen trugen ihn seine Füße zur Halle der Mysterien. Er hatte sie in den vergangenen beiden Tagen gemieden. Aus irgendeinem Grund wollte er Rohan nicht wiedersehen, aber er konnte nicht sagen, warum. Vielleicht, weil er spürte, dass er in den Augen des Hohepriesters versagt hatte, oder weil er so wütend auf Rohan gewesen war, der ihn vom Ort der Katastrophe weggeholt hatte. Doch nun stand er vor der Halle, atmete tief durch und ging hinein. Wie immer spendete das Licht ihm Trost. Dennoch wollte er mit niemandem sprechen und stieg in die obere Etage hinauf, wo sich für gewöhnlich weniger Leute aufhielten. Plötzlich hörte er eine sanfte Stimme und zuckte leicht zusammen, als er Rohan erkannte. Er hielt die Augen geschlossen, sein Kopf war gebeugt, und er hoffte, dass der Zwerg ihn nicht bemerken würde. Er hörte Schritte näher kommen, die plötzlich stehen blieben. Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter.