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Anduin schaute den König mit offenem Mund an. „Ich... ich kann unmöglich...“

„Oh, aye, du kannst und du wirst. Furchtbrecher liegt hier schon seit einiger Zeit herum und wartet auf die richtige Hand, die ihn führt. Du magst kein Waffenträger wie dein Vater sein, aber du kannst einen guten Kampf bestreiten. Furchtbrecher beweist das. Mach weiter, Junge. Wenn jemals eine Sache für jemanden gemacht wurde, dann diese Waffe für dich.“

Anduin blinzelte. Er weinte schnell dieser Tage, doch als er den wunderschön gefertigten Stab in seinen Händen hielt, schämte er sich dieses spontanen Gefühls nicht. Furchtbrecher. Das hatte Rohan für ihn getan, als er in Panik verfallen war: die Angst gebrochen, sein Bestes hervorgebracht. „Danke. Ich werde ihn stets in Ehren halten.“

„Natürlich wirst du das. Nun aber ab ins Bett mit dir, Junge. Ich muss noch einige Vorbereitungen treffen, dann begebe auch ich mich zur Ruhe. Man braucht eine Mütze voll Schlaf, wenn man ein langes Gespräch mit der eigenen Welt führen will, nicht wahr?“ Anduin lachte. Er verließ Magnis Gemächer weder fröhlich noch glücklich, sondern ausgesöhnt mit den Geschehnissen der vergangenen Tage. Er legte die wertvolle Waffe auf den Nachttisch neben seinem Bett, und nachdem er die Kerze gelöscht hatte, strahlte der Stab in der Dunkelheit des Raums einen kaum sichtbaren Glanz aus. Als Anduin in den Schlaf hinüberglitt, fragte er sich, ob es verrückt war zu glauben, der Stab wache über ihn.

15

Anduin erkannte, dass Magnis Lob ernst gemeint gewesen war. Er war tatsächlich der einzige Mensch – sogar die einzige Person, die kein Zwerg oder Gnom war –, der an dem Ritual im Hohen Sitz teilnahm. Magni trug seine festlichste Rüstung. Fort war der onkelhafte Zwerg, den Anduin so sehr mochte. Heute würde sich Magni ganz seinem Volk widmen, und jeder Zoll an ihm, so klein er auf Anduin auch wirken mochte, war ein König. Anduin hatte ebenfalls die besten Sachen angezogen, die er mitgebracht hatte, fühlte sich aber dennoch fehl am Platze. Glücklicherweise kannte er viele der Zwerge.

Eine Person jedoch war nicht anwesend. Er vermisste sie auf schmerzliche Weise und fragte sich, was sie von alldem gehalten hätte. Was hätte Aerin darüber gedacht? Hätte sie es als abergläubischen Unfug abgetan oder als eine vernünftige Methode angesehen, an die dringend benötigten Informationen zu kommen? Er würde es nie erfahren.

Magnis Blick glitt über die Versammlung. Es waren nicht viele – Hohepriester Rohan, einige Kräuterkundige, Hochforscher Magellas und Berater Beigrum von der Forscherliga. „Ich wünschte, meine Brüder wären hier“, sagte Magni ruhig. „Aber es blieb keine Zeit, um sie zu benachrichtigen. Kommt, lasst uns gehen. Jeder Augenblick, den wir verstreichen lassen, verstört das arme Azeroth noch mehr.“

Ohne ein weiteres Wort ging er auf eine große Tür am Eingang des Hohen Sitzes zu. Anduin hatte diese Tür schon früher bemerkt, sich jedoch nie nach ihr erkundigt. Auch hatte niemand sie je erwähnt. Magni nickte, und zwei Diener traten vor, die gemeinsam einen großen Schlüssel in ihren Händen hielten. Ein weiterer Diener brachte eine hohe Leiter herbei. Die Tür war derart riesig, dass selbst der etwas größere Anduin nicht an das Schloss herangekommen wäre. Die Zwerge kletterten vorsichtig auf die Leiter und brachten den Schlüssel in Position. Gemeinsam drehten sie ihn um. Er bewegte sich mit einem lauten Knarren, und das Schloss öffnete sich gut hörbar. Die Zwerge kletterten die Leiter wieder hinunter und trugen sie fort.

Einen Moment lang geschah nichts, doch dann schwang die Tür langsam von selbst in Richtung der Zuschauer auf. Eine gähnende Finsternis wurde sichtbar.

Die beiden Diener, die die Tür geöffnet hatten, legten den Schlüssel beiseite und gingen der kleinen Prozession voraus. Sie entzündeten Fackeln entlang des Wegs, der nach und nach abwärts führte. Die Luft war kühl und feucht, roch jedoch nicht abgestanden. Anduin erkannte, dass es unter Eisenschmiede große unterhöhlte Bereiche geben musste.

Schweigend folgten sie dem Gang, der immer weiter in die Tiefe führte. Er war völlig gerade angelegt, ohne jede Biegung. Einer der Diener ging ein Stück voraus, und als sie das Ende des Gangs erreicht hatten, glühte dort bereits eine Kohlenpfanne. Anduin keuchte überrascht, als er sah, dass der Gang in einer großen Höhle mündete.

Er hatte einen weiteren Gang erwartet, doch was er jetzt erblickte, erschreckte ihn. Unter seinen Füßen lag eine Plattform, von der aus zwei Wege abzweigten. Der erste bestand aus einer Treppe, die nach oben führte und deren Stufen mit einem überraschend neu aussehenden Teppich bedeckt waren. Der zweite verlief nach unten und bestand aus glattem, schmucklosem Stein. Was Anduin jedoch den Atem raubte, war das, was er an den Wänden und der Decke über ihnen sah.

Klare, leuchtende Kristalle ragten dort hervor. Sie fingen das Licht der Kohlenpfanne und der Fackeln ein, die von den Dienern getragen wurden. Obwohl Anduin wusste, dass er sich das nur einbildete, schienen die Kristalle zu blinken und ein reines weißes Licht abzugeben.

„Die Kristalle... sie sind so wunderbar“, sagte er leise zu Rohan, der neben ihm herging.

Der Priester lachte. „Kristalle? Junge, das sind keine Kristalle. Das sind Diamanten.“

Anduins Augen weiteten sich, und er legte den Kopf in den Nacken, um die leuchtende Decke mit großer Neugier und noch größerem Respekt zu betrachten.

Magni ging zielgerichtet zu den Stufen auf der breiten Plattform zu, die groß genug war, dass die ganze Gruppe darauf Platz finden konnte. Er drehte sich zu ihnen um und nickte erwartungsvoll.

„Ich glaube, es ist kein Zufall, dass wir eine Tafel, deren Informationen uns sehr nützlich sein könnten, genau zu dem Zeitpunkt entdeckt haben, an dem wir sie brauchen“, sagte er. Seine Stimme hallte durch die Höhle. „Fast alle hier Anwesenden haben vor drei Tagen jemanden verloren, den er oder sie geliebt hat. Berichte von überall her künden davon, dass momentan etwas völlig schiefläuft. Die Erde ist verletzt, und sie bebt... schreit um Hilfe. Wir sind Zwerge und entstammen der Erde. Ich habe Vertrauen in das Wort der Irdenen und glaube an das, was ich hier tue. Dieser Ritus, der unaussprechlich alt ist, wird mich diese arme, geschundene Welt retten lassen. Bei meinem Blut und meinen Knochen, bei der Erde und dem Stein, dann soll es so geschehen.“

Anduins Nackenhaare richteten sich auf. Obwohl Magnis Rede spontan erfolgt war, raubte ihm etwas daran den Atem. Er hatte das Gefühl, geradewegs in das Herz der Erde hinabgestiegen zu sein, und genauso stieg er in dieses Ritual hinab, das so tief und unergründlich war.

Beigrum, eine Schriftrolle in der Hand, trat vor. Magellas stand neben ihm, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Neben den beiden befand sich Reyna Steinzweig, eine Kräuterkundige, die zum Volk der Zwerge gehörte und ein kristallenes Fläschchen mit einer dunklen Flüssigkeit bereithielt. Beigrum räusperte sich und sprach in einer merkwürdigen Sprache, die hart klang und Anduin erschaudern ließ. Es schien kälter zu werden hier drinnen.

Nach jedem Satz flüsterte Magellas die Übersetzung in Anduins Ohr. Der junge Prinz erinnerte sich daran, dass Magni ihm dieselben Sätze bereits vorgelesen hatte.

Und hier ist das Warum und das Wie, um wieder eins mit dem Berg zu werden“, intonierte Beigrum. „Denn sieh, wir sind die Irdenen dieses Landes, und seine Seele ist die unsere, seine Qual ist die unsere, sein Herzschlag ist der unsere. Wir singen sein Lied, weinen ob seiner Schönheit. Wer wollte nicht heimkehren? Das ist das Warum, o Kinder der Erde.“

Heimkehren. Azeroth war wirklich die Heimat von ihnen allen, dachte Anduin, als Beigrum mit den genauen Anweisungen fortfuhr, wie man den Trank zubereiten musste. Seine Heimat lag nicht in Sturmwind, auch nicht bei seinem Vater oder Tante Jaina. Die Heimat war dieses Land, diese Welt. Genau hier, sie standen mitten im „Herzen der Erde“, umgeben von Diamanten und Stein, die ihnen Schutz boten, statt bedrückend zu wirken. Magni würde zum verwundeten Azeroth sprechen und herausfinden, wie man es am besten heilen konnte. Es war wahrlich ein vornehmes Ziel.