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„Wer hat Blutschrei gesegnet, Garrosh Höllschrei? Wer segnete die Axt, die Cairne Bluthuf tötete?“ Etriggs Stimme bebte vor Wut, doch richtete sich diese Wut nicht gegen Garrosh.

Garroshs Magen schien revoltieren zu wollen. „Magatha Grimmtotem“, sagte er. Seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Flüstern.

„Es war nicht dein Können im Kampf, das Cairne getötet hat. Es war das Gift eines bösen Ränkeschmieds, der einen Gegner vernichten wollte und dich als sein Werkzeug benutzt hat. Weißt du, was in Donnerfels geschehen ist, während du deinen vermeintlichen Sieg gefeiert hast?“

Garrosh wollte es nicht hören. Er starrte auf die Klinge, doch Etrigg gab nicht auf.

„Meuchelmörder der Grimmtotems haben Donnerfels, das Dorf der Bluthufe und andere Taurenfestungen übernommen. Die Lehrer, die mächtigen Schamanen, Druiden und Krieger – sie alle sind tot. Unschuldige Tauren wurden im Schlaf abgeschlachtet. Baine Bluthuf wird vermisst und ist vielleicht auch bereits gefallen. Blut fließt aus einer friedlichen Stadt, weil du so von Stolz erfüllt warst, dass du gar nicht mitbekommen hast, was direkt vor deinen Augen geschah!“

Garrosh hatte mit wachsendem Schrecken zugehört und bellte nun: „Genug! Ruhe, alter Mann!“ Sie starrten einander unverwandt an.

Etwas in Garrosh zerbrach. „Sie raubte mir meine Ehre“, sagte er ruhig. „Sie nahm mir meinen Sieg. Ich werde nie wissen, ob ich stark genug war, Cairne Bluthuf in einem ehrlichen Kampf zu schlagen. Etrigg, du musst mir glauben!“

Zum ersten Mal in dieser Nacht zeigten die Augen des alten Orcs einen Hauch von Sympathie. „Das tue ich, Garrosh. Niemand hat jemals deine Ehre im Kampf in Frage gestellt. Wenn Cairne wüsste, warum er so rasch starb, würde er es ebenso sehen. Aber heute Nacht wurden Zweifel gesät, Zweifel darüber, ob du ehrlich gekämpft hast. Sie reden darüber, tuscheln miteinander. Nicht jeder versteht das so wie ich und Cairne Bluthuf.“

Garrosh starrte wieder auf die besudelte Waffe. Magatha hatte seine Ehre gestohlen und den Respekt, den die Horde, die er so sehr liebte, ihm entgegengebracht hatte, geraubt. Sie hatte ihn ebenso benutzt wie Blutschrei, die Waffe, die sein Vater einst geführt hatte. Die Axt war mit Gift beschmiert worden und zum Werkzeug eines niederträchtigen Feiglings geworden. Auch sie hatte man entehrt. Magatha hatte mit ihrer hinterlistigen Tat der Schamanentradition Schande bereitet. Hinzu kam noch, dass manch einer tatsächlich glaubte, Garrosh habe freiwillig bei diesem frevelhaften Tun mitgewirkt.

Nein! Er würde Vol’jin und jedem anderen, der diese Lügen verbreitete, zeigen, was er von ihnen hielt. Garrosh schloss die Augen, legte seine Hand um den Griff der Axt und ließ sich von seiner Wut davontragen.

27

Jainas erster Gedanke, als Anduin sich so unerwartet und beinahe unmittelbar vor ihr materialisierte, war, Kontakt zu seinem Vater aufzunehmen. Obwohl Moira die Kommunikation mit den Bewohnern von Eisenschmiede völlig unterbunden hatte, waren bereits am Tag nach Anduins Verschwinden die ersten Gerüchte aufgekommen. Varian hatte augenblicklich versucht, Kontakt zu seinem Sohn aufzunehmen, und eiligst einige Briefe geschrieben. Als sie jedoch nicht beantwortet wurden, war er zutiefst besorgt gewesen und schließlich wütend geworden.

Jaina war keine Mutter, doch sie hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was Varian durchmachte. Das galt sowohl für die Gefühle eines Vaters, der erst vor Kurzem mit seinem Sohn wieder vereint worden war, als auch für die eines Königs, der sich um die Sicherheit seines Reichs sorgte. Noch drängender, als die Ängste eines Vaters zu beruhigen, musste die möglicherweise explosive politische Lage entschärft werden. Manchmal begann und endete die Politik mit zwei Leuten. Obwohl sie Baine niemals zuvor begegnet war, hatte sie bereits einiges von ihm gehört. Sie hatte seinen Vater gekannt, respektiert und auch gemocht. Baine war zu ihr gekommen, hatte alles riskiert und darauf vertraut, dass sie ihm helfen würde. Jaina kannte Anduin sehr gut und wusste, dass, sobald der erste Schreck abgeklungen und das Misstrauen erst einmal beseitigt war, zwischen den beiden ein vernünftiges Gespräch zustande kommen würde.

Zu diesem Zweck hatte sie die Ängste der beiden gemindert und sie ermuntert, miteinander zu sprechen. Die Nachrichten, die die beiden mitbrachten, waren schrecklich. Baine hatte von der Ermordung seines Vaters durch Garrosh und Magatha berichtet und das darauffolgende Gemetzel beschrieben. Es war einer der blutigsten Putsche, von denen Jaina je gehört hatte. Anduin wusste von einer heimkehrenden Tochter zu erzählen, deren rechtmäßiger Anspruch auf den Thron nicht die Tyrannei rechtfertigte, mit der sie den Bürgern ihres Landes das Leben schwer machte.

Beide waren sie Flüchtlinge, jeder auf seine Art. Jaina hatte versprochen, ihnen Unterschlupf zu gewähren und sie zu unterstützen, so gut sie es vermochte, obwohl sie noch nicht genau wusste, wie sie das tun sollte.

Ihre Stimmen waren heiser von dem langen Gespräch, und nicht nur Jaina hatte Mühe, wach zu bleiben. Dennoch empfand sie ein gutes Gefühl bei dem, was sie hier taten. Baine hatte ihr verraten, dass seine Begleiter auf seine Rückkehr warteten. Wenn er nicht zu einem verabredeten Zeitpunkt zurückkehrte, würden sie davon ausgehen, dass er verraten worden war. Jaina öffnete ein Portal zu dem Ort, an den er zu gelangen wünschte, und er trat hindurch und ließ Anduin und Jaina allein zurück.

„Das war...“ Anduin suchte nach Worten. „Er tut mir so leid.“

„Mir auch... und vor allem all die armen Tauren auf Donnerfels und im Dorf der Bluthufe und in den anderen Orten, die angegriffen wurden. Was Thrall angeht... Ich weiß nicht, was er tun wird, wenn er diese Nachricht erfährt.“ Ihr war klar, dass es dem ehrenhaften Orc das Herz brechen würde. Letztendlich war all das nur geschehen, weil er Garrosh für die Dauer seiner Abwesenheit zum Anführer der Horde gemacht hatte. Thrall würde am Boden zerstört sein.

Sie seufzte und verdrängte diese Gedanken, wandte sich Anduin zu und drückte ihn liebevoll. Bei seiner Ankunft hatte sie das versäumt. „Ich bin so froh, dass du in Sicherheit bist!“

„Danke, Tante Jaina“, sagte er, drückte sie ebenfalls und löste sich dann aus ihrer Umarmung. „Mein Vater ... Kann ich mit ihm reden?“

„Natürlich“, sagte Jaina. „Komm mit.“

Die Wände in Jainas kleinem, gemütlichen Raum waren – wenig überraschend – von Büchern bedeckt. Sie berührte drei Bände in einer bestimmten Reihenfolge. Anduin schaute mit offenem Mund zu, wie das Bücherregal zur Seite glitt und ein schlichter ovaler Spiegel zum Vorschein kam, der an der gegenüberliegenden Wand hing. Er schloss den Mund, als er sein Spiegelbild bemerkte. Mit offen stehendem Mund sah er wirklich zu dumm aus.

Jaina schien das nicht bemerkt zu haben. Sie murmelte eine Beschwörung und bewegte die Hände. Das Spiegelbild von Anduin, Jaina und dem Raum verschwand, und an seine Stelle trat ein wirbelnder blauer Nebel.

„Ich hoffe, er ist in der Nähe“, sagte sie und runzelte die Stirn. „Varian?“

Einige Sekunden verstrichen, bevor der blaue Nebel Gestalt annahm. Anduin konnte einen braunen Haarknoten ausmachen. Die Gesichtszüge der Gestalt waren von einem helleren Blau... Eine Narbe, die über das Gesicht verlief...

„Anduin!“, schrie Varian Wrynn.

Jaina musste angesichts der Liebe und der Erleichterung in Varians Stimme und in seinem Gesichtsausdruck lächeln.

Anduin grinste. „Hallo, Vater.“

„Ich habe Gerüchte gehört... Wie bist du... Natürlich, der Ruhestein“, sagte Varian und beantwortete damit seine eigene Frage. „Jaina, ich schulde dir einen riesigen Gefallen. Du hast Anduin möglicherweise das Leben gerettet.“